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TBlinde Syrerin bekommt Teil der Schweinchengelder

Vor drei Jahren kam Yara Shami-Kassab mit ihrer Familie nach Deutschland.

Vor drei Jahren kam Yara Shami-Kassab mit ihrer Familie nach Deutschland. Foto: Weselmann

Als Flüchtling in einem fremden Land anzukommen und neu anzufangen, ist schwer. Die junge Syrerin Yara Shami-Kassab hat neben der Sprachbarriere noch mit ganz anderen Hürden zu kämpfen. Jetzt profitiert die 21-Jährige von den TAGEBLATT-Glücksschweinchen.

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Von Fenna Weselmann
Freitag, 05.01.2024, 13:50 Uhr

Buxtehude. Als Yara Shami-Kassab nach Buxtehude kam, war die junge Syrerin vom Leben außerhalb der Wohnung und Familie komplett abgeschnitten. Blind und von ihrer Skoliose-Erkrankung stark beeinträchtigt, konnte die 21-Jährige sich ohne Hilfe kaum bewegen. Dann brachte der Verein Himmelblau ihr mit seiner unkonventionellen Unterstützung ein großes Stück Glück in den Alltag zurück.

Der Buxtehuder Verein ermöglicht Yara Akkordeonunterricht an der Kreisjugendmusikschule (KJM). Seit einem knappen Jahr fährt sie mit der Mutter und manchmal noch dem Bruder an ihrer Seite nun jeden Montagmittag in der Bahn von Buxtehude nach Stade. Schon dieser wöchentliche Weg ist für Yara und ihre Familie ein gemeinsames Ereignis.

Flucht mit zwei Zwischenstationen

Die Familie ist aus Aleppo, einer Stadt im Norden von Syrien, geflohen. Von dort ging es erst in die Türkei, wo sie vier Jahre verbrachten. Es folgten zwei Jahre in Kroatien, ehe die Familie vor drei Jahren nach Deutschland kam. Yara lernte Türkisch und Kroatisch, konnte in der Türkei auch eine Blindenschule besuchen und ein wenig Klavier spielen lernen.

„Hier hatte sie nichts, war immer nur zu Hause“, erzählt ihre Mutter Wajiha Hamandoush vom Neuanfang in Deutschland. Durch den Unterricht in Stade komme sie raus und habe etwas, dass ihr Spaß mache. „Das wirkt sich sehr positiv aus und deshalb geht es mir auch besser“, sagt die Mutter.

Die Mutter von Yara sitzt beim Unterricht immer direkt daneben, hilft bei der Verständigung und nimmt das Spiel der Lehrerin per Handy auf, damit Yara zu Hause üben kann.

Die Mutter von Yara sitzt beim Unterricht immer direkt daneben, hilft bei der Verständigung und nimmt das Spiel der Lehrerin per Handy auf, damit Yara zu Hause üben kann. Foto: Weselmann

Für die beiden bedeutet die halbe Stunde mit Instrumentallehrerin Susanne Rieche viel mehr als nur Musikunterricht. Yara lernt nicht nur Akkordeon zu spielen, der Dialog mit der Lehrerin bringt Tochter und Mutter auch die fremde Sprache näher. Denn für die bessere Verständigung ist Wajiha Hamandoush immer dabei. Im Gegensatz zur Tochter war es ihr möglich, einen regulären Deutschkurs zu besuchen. So kann sie ein wenig übersetzen.
„Das ist auch für mich ein Experiment, das ich gerne annehme“, sagt Lehrerin Susanne Rieche. Sie und ihre Schülerin müssen gleich zwei Hindernisse überwinden. Durch ihre Erblindung kann Yara nicht einfach Noten lesen, sie muss alles im Kopf haben. Hinzu kommt die Sprachbarriere. Wenn es eine neue Tonfolge zu lernen gilt, führt Susanne Rieche die Finger ihrer Schülerin im ersten Schritt einfach zu den richtigen Tasten und Knöpfen, lenkt die Bewegung des Balgs. Im Unterricht braucht es den Handkontakt und die Musik verbindet ganz einfach ohne Worte.

Wenn es etwas Neues zu lernen gilt, führt Instrumentallehrerin Susanne Rieche einfach die Finger ihrer blinden Akkordeonschülerin zu den richtigen Tasten und lenkt die Bewegung des Akkordeonbalgs.

Wenn es etwas Neues zu lernen gilt, führt Instrumentallehrerin Susanne Rieche einfach die Finger ihrer blinden Akkordeonschülerin zu den richtigen Tasten und lenkt die Bewegung des Akkordeonbalgs. Foto: Weselmann

Sobald Yara das Akkordeon auf ihrem Schoss hat und ihre Finger sich über die Tasten und Knöpfe bewegen und erste Töne zum Klingen bringen, ist die jugendlich anmutende Syrerin in ihrer Welt. Ein ansteckendes Lächeln liegt auf ihrem Gesicht und der Raum ist erfüllt von ihrer Liebe zur Musik. So fröhlich wie sie sich im Akkordeonspielen probiert, so unbeschwert versucht sie es auch mit dem Deutschsprechen.

Bei ihrem Besuch mit KJM-Leiter Jochen Brockmann und Katja Drechsler als Übersetzungshelferin vor Ort können die Himmelblau-Vorsitzenden Gabriele Oeben-Schröder und Mathy Kumar live erleben, was ihre Hilfe bewirkt. Mit einem Dank in Richtung Verein sagt Yara Shami-Kassab: „Ich bin sehr, sehr glücklich.“ Am Ende gibt die junge Syrerin mit ihrer Lehrerin im Duett das Lied „Schnee und Eis“ zum Besten, spielt zum ersten Mal mit beiden Händen gleichzeitig und singt sogar die ersten Zeilen vor versammeltem Publikum.

Unterrichtsbesuch in der Kreismusikschule mit Leiter Jochen Brockmann, den Himmelblau-Vereinsvorsitzenden Gabriele Oeben-Schröder, Mathy Kumar und Katja Drechsler als Übersetzerin.

Unterrichtsbesuch in der Kreismusikschule mit Leiter Jochen Brockmann, den Himmelblau-Vereinsvorsitzenden Gabriele Oeben-Schröder, Mathy Kumar und Katja Drechsler als Übersetzerin. Foto: Weselmann

„Ich bin mehr als angenehm überrascht. Yara ist in einem solchen Maß aufgeblüht seitdem. Das hätte ich nie gedacht“, ist Gabriele Oeben-Schröder begeistert vom Ergebnis. Mittlerweile kann die junge Frau sogar wieder ein ganzes Stück weit laufen, statt nur im Rollstuhl zu sitzen. Inzwischen steht der Besuch einer speziellen Schule in Hamburg in Aussicht, der ihr mehr Teilhabe ermöglichen soll. Den Akkordeonunterricht möchte sie auf keinen Fall aufgeben. Und der Verein Himmelblau, die KJM und Susanne Rieche versuchen alles, damit das klappt.

Verein „Himmelblau“

Der Buxtehuder Verein „Himmelblau - Frauen für interkulturelle Bildung und Begegnung (FIBB) e. V“ bekam in diesem Jahr, wie berichtet, einen Teil der Einnahmen aus dem TAGEBLATT-Glücksschweinverkauf. Himmelblau ist ein Verein von Frauen für Menschen, die den integrativen Zusammenhalt zwischen den Kulturen stärken wollen. Der Verein setzt sich für die Anerkennung und Achtung kultureller Verschiedenartigkeiten in der von Einwanderung geprägten Welt von heute ein und betont die Solidarität und Gemeinschaft aller Menschen. Zu den Projekten gehört auch das Internationale Frauen-Frühstück jeweils am dritten Freitag im Monat ab 10 Uhr im Begegnungscafé in der Bahnhofstraße 9.

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