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Landgericht

TBlutbad von Fredenbeck: Ist der Angeklagte schuldunfähig?

Der Angeklagte betritt den Gerichtssaal.

Der Angeklagte betritt den Gerichtssaal. Justizwachtmeister und Betreuer begleiten ihn zum Prozess am Stader Landgericht. Foto: Stief

Er soll 16 Mal auf sein Opfer eingestochen haben: Wegen der Brutalität sorgte die Tat von Fredenbeck für Entsetzen. Ob der Angeklagte ins Gefängnis muss, ist allerdings offen.

Von Wilfried Stief Donnerstag, 19.09.2024, 19:00 Uhr

Stade. Justizwachtmeister und Betreuer aus einer psychiatrischen Klinik nahe Königslutter geleiten den Angeklagten in den Saal 109 des Stader Landgerichts, wo er auf der Anklagebank zwischen seinem Anwalt und der russischen Dolmetscherin Platz nimmt.

Der 41-Jährige wirkt ruhig, fast gelassen, sitzt nahe bei der Dolmetscherin, die für ihn übersetzt, was im Gerichtssaal an juristischen Dingen besprochen wird. Den Blick zu seiner Mutter, die für den Prozess aus Armenien angereist ist und im Zuschauerraum sitzt, sucht er selten.

Angehörige des Opfers wird als Nebenklägerin zugelassen

Auch Angehörige des 45-jährigen Mannes, der bei der Bluttat von Fredenbeck im April dieses Jahres ums Leben kam, haben auf den Stühlen für die Zuschauer Platz genommen. Eine ältere Frau weint, sie wird von einer Bekannten getröstet und bekommt ein Taschentuch gereicht. Eine Angehörige des Opfers wird als Nebenklägerin zugelassen und rückt mit dem Stader Anwalt Rainer Mertins als ihrem Vertreter in den Kreis der Prozessbeteiligten.

In dieser Atmosphäre bringt Oberstaatsanwalt Johannes Kiers die Tat vom April zur Anklage. Er klagt die Tat als Totschlag an. Der Angeklagte habe getötet, ohne Mörder zu sein.

Küchenmesser mit einer 20 Zentimeter langen Klinge

Nach den Ermittlungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft soll sich der vermeintliche Täter in Kutenholz bei Edeka ein Küchenmesser mit einer 20 Zentimeter langen Klinge gekauft haben. Dann klingelte er bei dem Opfer in Fredenbeck.

Zunächst öffnete die 13-jährige Tochter, die auf Wunsch des Angeklagten ihren Vater zur Haustür rief. Mit den Worten „Du Wichser“ soll der Angeklagte dann 16 Mal zugestochen haben. Eine der vielen Stich- und Schnittwunden war tödlich, traf das Herz, was zu starken inneren Blutungen führte.

Mutmaßlicher Täter stellt sich der Polizei

Der mutmaßliche Täter habe daraufhin den Tatort verlassen und sich einer Polizeistreife, der er über den Weg lief, gestellt. Die Polizisten sahen am Tatort ein schreckliches Bild, überall im Flur war Blut, von einem „Blutbad“ war die Rede. Nach ersten Erkenntnissen vor Ort seien die beiden Männer an der Haustür in Streit geraten, so damalige Auskünfte gegenüber dem TAGEBLATT. Es sei dann zur Eskalation gekommen.

Was nun genau vor Ort geschah und welche Motive der Angeklagte hatte, bleibt weiterhin rätselhaft. Denn der Vorsitzende Richter der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts, Richter Erik Paarmann, schloss die Öffentlichkeit nach einem Antrag der Verteidigung für weite Verhandlungsteile aus.

Psychischer Zustand des Angeklagten wird Thema sein

Hinter verschlossenen Türen geht es um den psychischen Zustand des Angeklagten, um sehr persönliche Details und um Aussagen von behandelnden Ärzten. Auch das Gutachten des Sachverständigen hören sich die Prozessbeteiligten dann an.

Da tatsächlich von einem Zustand der Schuldunfähigkeit auszugehen ist, ziehen die Richter in Betracht, den 41-Jährigen in Sicherungsverwahrung zu nehmen. Sollte sich ergeben, dass auch weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit von dem 41-jährigen Georgier ausgeht, steht den Richtern die Möglichkeit der dauerhaften Unterbringung offen.

Bei der Prüfung dürfte auch das Vorleben des Angeklagten eine Rolle spielen. Dass der kein unbeschriebenes Blatt sei, war gleich nach der Tat aufgefallen. Es war von Fällen häuslicher Gewalt die Rede.

Der bislang auf sieben Verhandlungstage ausgelegte Prozess geht bis in den November hinein. Wenn es eine Erklärung für die Tat gibt und welche Motive hinter dem Geschehen stecken, muss bis zur Urteilsverkündung abgewartet werden. Die ist dann wieder öffentlich.

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