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Norddeutschland

TBremerhaven: Chat unter Jugendlichen endet mit Messerattacke

Zwei Brüder müssen sich vor dem Landgericht Bremen wegen versuchten Totschlags verantworten. Der 16-Jährige soll mit einem Messer auf einen 17-Jährigen eingestochen haben.

Zwei Brüder müssen sich vor dem Landgericht Bremen wegen versuchten Totschlags verantworten. Der 16-Jährige soll mit einem Messer auf einen 17-Jährigen eingestochen haben. Foto: Mündelein

Es beginnt mit üblen Beleidigungen über Instagram. Aber diese Hass-Debatte zwischen einem 16- und einem 17-Jährigen verebbt nicht im Netz. Sie endet ganz real, mit brutaler Gewalt auf einer Straße in Bremerhaven. Das Opfer entkommt nur knapp dem Tod.

Von Klaus Mündelein Mittwoch, 26.06.2024, 12:54 Uhr

Bremerhaven. Vor dem Landgericht müssen sich seit Dienstag zwei Brüder aus Bremerhaven wegen versuchten Totschlags verantworten. Einer ist 18 Jahre alt, sein Bruder ist 16. Am 10. Januar wäre der Jugendliche fast zum Mörder geworden. Die Klinge, die er dem Opfer zwischen der zehnten und der elften Rippe in den Brustkorb rammt, verfehlt nur knapp die Milz. „Die Stichverletzung hätte bei minimal anderem Verlauf tödlich enden können“, sagt die Staatsanwältin.

Angeklagter ist bei der Polizei bekannt

Der junge Mann ist kein verschüchterter Minderjähriger. Er versteckt sich im Prozess nicht hinter dem Anwalt, er ist bereit auszusagen. Er ist groß und kräftig, kommt gut zu Wort. Für die Polizei ist er zudem kein Unbekannter. Erst im vergangenen Jahr legte er sich mit Polizisten an, stahl ein Fahrrad und raubte einer älteren Frau die Handtasche. Er kann offenbar zuschlagen. Und auch das spätere 17 Jahre alte Opfer aus der Gemeinde Wurster Nordseeküste ist nicht jemand, der sich versteckt.

Am Abend des 10. Januars treffen sie in Geestemünde aufeinander. Nicht zufällig, es ist eine regelrechte Verabredung zur Schlägerei über Instagram. Der 17-Jährige kommt mit einem Freund, seiner Freundin sowie zwei weiteren Frauen. Die Adressen sind auf Instagram ausgetauscht worden. Es ist der Abschluss eines Chats voller Beleidigungen. „Ich ficke deine Mutter“, „ich ficke deine Freundin“ ist auf dem großen Bildschirm im Gerichtssaal zu lesen.

Angebliche rassistische Äußerungen

Der Anlass bleibt undeutlich. Nach Angaben der beiden angeklagten Brüder soll das Opfer sich früher rassistisch geäußert haben gegenüber dem Bekannten des 16-jährigen Täters. Das soll sich im August vergangenen Jahres beim Disco-Besuch abgespielt haben. Das Opfer widerspricht dieser Darstellung. Wieso dann erst gut vier Monate später der Streit auf Instagram mit Beleidigungen fortgesetzt wird und eskaliert, bleibt unklar.

Als die Gruppe aus dem Norden vor dem Haus der Brüder in Geestemünde eintrifft, stürmen die Geschwister los. Sie stoßen die Frauen beiseite, es folgt eine vogelwilde Schlägerei mit einem Gerangel, bei dem die Frauen immer wieder einen der Brüder aus dem Gefecht ziehen. „Gewrestled“ nennt das der 16-Jährige. Dass er ein Messer in der Jackentasche habe, sei ihm anfangs nicht bewusst gewesen.

Die Jacke habe er längere Zeit nicht benutzt. „Ich wollte es nicht einsetzen“, betont er. Aber er zieht es schließlich doch. Er drückt das Opfer gegen die Motorhaube eines geparkten Fahrzeugs und hält ihm das Messer an den Hals. Begleitet von einer Androhung: „Ich steche dich ab“. Und dann sticht er zu.

Angst vor Verletzungen

Als Anlass nennt der 16-Jährige die blutende Hand seines großen Bruders. Er habe gedacht, dass jetzt ein Messer im Spiel ist, „ich hatte Angst vor Verletzungen und habe deshalb zugestochen“, sagt der junge Mann. „Ich hatte aber nie die Absicht, ihn umzubringen, verstehen Sie“, sagt er zur Vorsitzenden Richterin Andrea Schneider. Erst später sei ihm klar geworden, was er getan habe. „Es tut mir wirklich leid, ich hätte nicht damit leben können, wenn er tot wäre“, sagt er.

Nach der Tat sind beide Brüder ins Haus gelaufen. Er habe seinem großen Bruder, der davon nichts mitbekommen haben will, erst jetzt vom Messerstich erzählt. Der war sauer, das hätten sie auch so geschafft. „Aber ich wollte den schnellsten Ausweg.“

Als das Opfer nach der Zeugenvernehmung den Gerichtssaal verlässt, bittet der 16-jährige Angeklagte direkt um Verzeihung.

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