Zähl Pixel
Hoher Besuch

TBundespräsident lobt Stader Chemiepark und dessen Weg zur Klimaneutralität

Volle Aufmerksamkeit: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil im Gespräch mit Julia S. Schlenz, der Präsidentin von Dow Deutschland, Österreich und Schweiz.

Volle Aufmerksamkeit: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil im Gespräch mit Julia S. Schlenz, der Präsidentin von Dow Deutschland, Österreich und Schweiz. Foto: Richter

Besuch vom Bundespräsidenten im Stader Chemiepark: Bei Dow will er erfahren, wie die Industrie die Energiewende schafft. Ministerpräsident Stephan Weil bringt er gleich mit.

author
Von Anping Richter
Donnerstag, 05.09.2024, 20:10 Uhr

Stade. „Wir sollten der Transformation nicht mit Angst begegnen“, sagt Frank-Walter Steinmeier. Das zu zeigen, ist das Ziel seines Besuchs bei der Dow in Bützfleth und einer Veranstaltungsreihe, die er „Werkstatt des Wandels“ nennt. Er besucht Orte, an denen erfolgreiche Transformationen Chancen für die Gesellschaft sichtbar machen. Doch bevor das Staatsoberhaupt sich im Stader Industriepark ein Bild machen kann, ist Einiges vorzubereiten.

BKA-Hund schnüffelt vorab nach Sprengstoff

Der Ablauf ist akribisch festgelegt: Bundeskriminalamt (BKA) und Polizei mit mehreren Einsatzwagen sind schon seit Stunden da und haben alles abgesichert, als Steinmeier mit seinem Tross und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil im Schlepptau gegen 12 Uhr eintrifft. In Cuxhaven haben sie sich angesehen, wie das Siemens-Gamesa-Werk Maschinenköpfe für Offshore-Anlagen produziert. BKA-Hund Bootsmann in Stade hat derweil die Ausrüstung der wartenden Journalisten nach Sprengstoff durchschnüffelt.
Spürhund Bootsmann und sein Herrchen arbeiten für das BKA und suchen nach Sprengstoff.

Spürhund Bootsmann und sein Herrchen arbeiten für das BKA und suchen nach Sprengstoff. Foto: Richter

Bei einer Werksrundfahrt erklärt Industriepark-Manager Rik Lehmann, weshalb der Industriepark in Stade so wichtig ist: „Ohne uns keine Energiewende.“ Erzeugnisse der chemischen Industrie stecken in fast allen Dingen des täglichen Gebrauchs. Allein Dow produziert 4 Millionen Tonnen pro Jahr.

Wie die Dow jetzt schon Energie spart

Für die Prozesse wird viel Energie benötigt, weshalb die Dow ein 160 Megawatt-Gaskraftwerk betreibt. „Wir sind auf dem Path to Zero“, erklärt Rik Lehmann. Also auf dem Weg in die Klimaneutralität. Bis 2050 soll es soweit sein. Ein ehrgeiziges, aber nicht unmögliches Ziel. Bei Dow passiert schon Einiges: Ausgestoßenes CO2 wird wieder absorbiert und in den Salzkavernen in Ohrensen verwendet, wo Dow die Sole für die Chlor-Elektrolyse bezieht. Die Sole wird unter Verwendung von CO2 entkalkt, der Kalk bleibt in den Kavernen liegen - CO2-Speicherung in Perfektion.

Bei 4 Millionen Tonnen Produktion fallen bei Dow etwa 40.000 Tonnen Abfälle an. In einer eigenen Sonderabfallverbrennungsanlage verfeuert Dow sie und nutzt die Hitze, um Dampf zu erzeugen, der Energie für Prozesse im Werk liefert. Die Abwasseranlage im Werk sei auf sehr modernem Stand und so groß, dass sie eine Stadt von der Größe Hannovers bedienen könnte.
Der Bundespräsient fährt mit wehendem Bundesadler vor: Das Autokennzeichen 0-1 ist ihm vorbehalten.

Der Bundespräsient fährt mit wehendem Bundesadler vor: Das Autokennzeichen 0-1 ist ihm vorbehalten. Foto: Richter

Frank-Walter Steinmeier und Stephan Weil, lassen sich all das bei einem Rundgang erklären, wofür Dow-Deutschland Präsidentin Julia S. Schlenz eigens angereist ist. Danach gibt es an Stehtischen in kleinen Runden Gespräche mit Dow-Mitarbeitern. Wandel ist auch hier das Thema - unter anderem in der Arbeitswelt. Steinmeier ist freundlich und sympathisch, finden Jörn Dubbels, Leiter der Arbeitssicherheit, und der Betriebsratsvorsitzende Christian Deppe. „Wir haben ihm erzählt, wie wir uns durch Fortbildungen an die sich ständig verändernden Anforderungen angepasst haben.“

Steinmeiers diplomatisches Statement zum Bürokratie-Abbau

Zu Themen des Wandels spricht Steinmeier mit Dow-Mitarbeitern in kleinen Runden.

Zu Themen des Wandels spricht Steinmeier mit Dow-Mitarbeitern in kleinen Runden. Foto: Richter

Die beiden haben aber auch ein Thema mitgebracht: Bürokratieabbau. Sie wollen wissen: Wo bleibt das Deutschlandtempo? Nur ein Beispiel dafür ist ein Projekt, das für die Dow große Bedeutung hat: Direkt am Chemiepark liegt das schwimmende Terminal, die sogenannte FSRU (Floating Storage Regasification Unit) im fertigen niedersächsischen Energiehafen schon lange vor Anker. Doch die Inbetriebnahme lässt auf sich warten - ein Regierungsprojekt. Dow als Teil der Projektgesellschaft HEH plant indes ein festes Terminal an Land, das 2027 in Betrieb gehen soll.

Steinmeiers Antwort ist diplomatisch: Schneller werden müsse man. Doch Regeln und Vorschriften hätten auch ihren Sinn. „Wir transformieren den Standort in großen Schritten“, berichtet Dow-Geschäftsführer Claudio Ciuchini danach im Expertengespräch. Wichtige Akteure, die der Bundespräsident zuvor zu einem Dialog untereinander eingeladen hat, berichten ihm über die Ergebnisse. Mit dabei sind neben Dow die Bundesnetzagentur und der Stromnetzbetreiber Tennet sowie Start-Up-Unternehmer aus der Energiebranche, die mit neuartiger Wärme-Nutzung und Speicher-Technologie Hoffnungen wecken.

60 Prozent der Kosten bei Dow sind Stromkosten

Auch das LNG-Terminal und demnächst womöglich nichtfossile Kraftstoffe machen Hoffnung, dass Transformation und Dekarbonisierung gelingen, sagt Dow-Manager Ciuchini. Doch die Dow sei ein Energie-Großverbraucher: „60 Prozent unserer Kosten sind Stromkosten.“

Dow-Deutschland-Chefin Julia S. Schlenz haut in die gleiche Kerbe: „Wir investieren in Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft, aber dadurch haben wir noch nicht ein Produkt mehr verkauft.“ Steinmeyer hat schon eingangs gesagt: „Die Transformation und gleichzeitige Beibehaltung unserer industriellen Kraft ist keine leichte Aufgabe.“ Schlenz fragt, ob Fördermöglichkeiten optimiert werden könnten.

Das ist Stephan Weils Stichwort: Niedersachsen mit seinen Windparks leiste einen großen Beitrag zur Energiewende, sagt er. Aus seiner Sicht wäre es gerecht, wenn es zum Ausgleich Vorteile bei den Kosten der Netzentgelte gäbe. Bisher werden die auf alle Verbraucher gleichmäßig umgelegt - auch wenn in Bayern noch kaum ein Windrad steht. In den Netzausbau werden in den nächsten Jahren viele Milliarden fließen, die Netzentgelte werden steigen. „Da stellt sich eine Systemfrage“, sagt Weil. Niedersachsen und seine Unternehmen könnten von einer Neuregelung profitieren, die die Lasten der Energiewende in die Rechnung einbezieht.

Weitere Artikel