TClan-Kriminalität in Stade: Hansestadt gerät immer wieder in den Fokus

Spezialkräfte der Polizei beim Einsatz vor Ort. Polizei und Staatsanwaltschaft ist im Mai 2023 ein großer Schlag gegen die Clan-Kriminalität in Stade gelungen. Foto: Polizei (Archiv)
Brutaler Mord am helllichten Tage auf offener Straße: Die Tat vor anderthalb Wochen machte Clan-Kriminalität in Stade wieder zum Thema. Denn die Hansestadt gerät in diesem Zusammenhang immer wieder in den Fokus.
Stade. Der letzte große Schlag gegen Clan-Kriminalität in Stade gelang den Ermittlern im vergangenen Sommer: Im Rahmen einer Razzia Anfang Mai beschlagnahmten Einsatzkräfte Beweismittel im Wert von mehr als 900.000 Euro, zwei Männer wurden festgenommen. Vorwurf: Drogenhandel, Geldwäsche, Schwarzarbeit und illegales Glücksspiel. Angehörige und Unterstützer eines Clans hatten in der Folge versucht, eine Richterin am Amtsgericht Stade unter Druck zu setzen.
Auch der Todesfall am Stader Bahnhof, die Polizei sprach zwischenzeitlich von Mord, geht auf einen Clan in Stade zurück. Ein Hamburger wurde mit Schlägen und Tritten derart schwer verletzt, dass er später im Krankenhaus verstarb. Das Opfer - im Zusammenhang mit Drogendelikten und Körperverletzung ebenfalls polizeibekannt - war im November 2023 in Horneburg in eine blutige Auseinandersetzung mit einem Mitglied des Stader Clans verwickelt gewesen. Bei einer Razzia im Altländer Viertel wurden vor einem Monat fünf Männer festgenommen. Es ging allerdings offenbar in erster Linie nicht um Drogengeschäfte und Clan-Kriminalität, so die Polizei, sondern um verletzte Ehre.
Totengebet in Stader Moschee am Freitag
Der Fall am Stader Bahnhof habe nichts mit dem brutalen Mord vor anderthalb Wochen zu tun, ebenso wenig wie die tödlichen Schüsse in einem Stader Imbiss im September 2022, betont Polizeisprecher Rainer Bohmbach auf Nachfrage.
Wie mehrfach berichtet kam es am Freitag, 22. März, nach einer Auseinandersetzung an einem Sport- und Shisha-Geschäft in der Hökerstraße an der Salztorskreuzung zu einem wohl provozierten Unfall. Die Situation eskalierte, einem 35-Jährigen aus Stade wurde in den Kopf gestochen. Er starb später im Krankenhaus. Der Täter ist nach wie vor flüchtig.
Nach Messerattacke
T Immer wieder Gewalttaten: Wie sicher fühlen sich die Stader in ihrer Stadt?
Dem Vernehmen nach waren Mitglieder des Miri-Clans und des Al-Zein-Clans an den Vorfällen beteiligt. Die Polizei erhöhte die Präsenz in der Stadt, sprach von „Einzeltaten, die unter Umständen dem entsprechenden Milieu zuzuordnen sind“. Dass die Lage nicht weiter eskalierte, lag wie berichtet wohl auch an einem Machtwort zweier Imame aus Essen, die noch am Tattag nach Stade gefahren waren. Beide sind auch Onkel des Verstorbenen.
Der 35-Jährige wurde am vergangenen Freitag in der libanesischen Hauptstadt Beirut beigesetzt. Am gleichen Tag fand in einer Stader Moschee ein Verstorbenengebet statt. Der Andrang war groß, nach Polizeiangaben verlief die Zusammenkunft „völlig unauffällig“.
50 Fälle von Clan-Kriminalität in Stade
Im Oktober 2020 hatte das Niedersächsische Justizministerium der Clan-Kriminalität explizit den Kampf angekündigt und vier Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften eingerichtet - eine davon in Stade. Die vier Standorte sind nach regionalen Schwerpunkten von Clan-Kriminalität in Niedersachsen ausgewählt worden.
Dennoch sei Stade im Vergleich zu anderen Städten gleicher Größe kein „herausragender Brennpunkt“ für Clan-Kriminalität, teilte eine Sprecherin des Landeskriminalamts (LKA) auf TAGEBLATT-Anfrage mit. Demnach zählt das LKA im Jahr 2022 auf dem Gebiet der Stadt Stade in puncto Clan-Kriminalität 50 Fälle, die meisten - nämlich 20 - fielen in den Bereich der Straftaten gegen die persönliche Freiheit und Rohheitsdelikte, etwa Raub oder Körperverletzung. Im Vorjahr waren es noch 36 Fälle von Clan-Kriminalität. In der polizeilichen Kriminalstatistik der Stadt Stade machen Fälle von Clan-Kriminalität in beiden Jahren damit nur etwa ein Prozent aller Fälle aus.
Schwerpunkt im Altländer Viertel?
Großfamilien und Straftäter, die zu diesen Familien gehören, gibt es in Stade und andernorts seit Jahrzehnten. In der Stadt war besonders das Altländer Viertel in den vergangenen Jahren immer wieder wegen Drogen- und Clan-Kriminalität in den Schlagzeilen. So etwa im Herbst 2016: Zwei verfeindete Großfamilien aus dem Quartier lieferten sich mehrere gewalttätige Auseinandersetzungen. Mitglieder der Clans zettelten mehrere Schlägereien an, unter anderem auf dem Pferdemarkt. Baseballschläger und eine Machete sollen dabei zum Einsatz gekommen sein. In der Moschee eines muslimischen Kultur- und Bildungsvereins wurde der Streit mithilfe eines Mediators seinerzeit beigelegt.
Der Begriff Clan-Kriminalität steht immer wieder in der Kritik, da er diskriminierend sei. Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann (SPD) widersprach bei einem Besuch in Stade: „Es geht um große Verbände - meist Familien - mit ähnlicher ethnischer Herkunft, die eine große Anzahl zielgerichteter Straftaten begehen. Diskriminierend ist das nicht. Wir verfolgen ja nur die, die sich einer Straftat verdächtig machen.“ So werden etwa den Großfamilien Miri und Al-Zein Tausende Mitglieder in Deutschland zugerechnet, von denen allerdings nur die wenigsten tatsächlich auch kriminell sind.
2022 bestätigte der Stader Polizei-Chef Jan Kurzer, dass auch der Remmo-Clan - bekannt durch den Goldmünzen-Klau im Bode-Museum in Berlin und den Einbruch in das Grüne Gewölbe in Dresden - im Kreis Stade aktiv sei.