TStader Clan-Prozess: Miri-Zeuge erhebt schwere Vorwürfe gegen Opferfamilie

Der 34-jährige Angeklagte steht zwischen seinen Anwälten Dinah Busse (l) und Dirk Meinicke im Schwurgerichtssaal. Foto: dpa
Gangster-Rapper, Drogenhändler, Zuhälter - der Clan-Prozess von Stade könnte das Drehbuch für eine Netflix-Serie liefern. Ursachen der Shisha-Fehde bleiben hingegen im Dunkeln.
Stade. Die Strategie des aus dem Libanon stammenden Miri-Clans ist klar: Die Al-Zeins selbst sollen letztlich für die tödliche Messerattacke durch Mustafa M. auf Khaled R. am 22. März 2024 verantwortlich sein. Am 16. Prozesstag erhob ein Bruder des Angeklagten schwere Vorwürfe gegen die Familie des Opfers und ihre weitläufige Verwandtschaft. Ein Auslöser des Streits soll der wirtschaftliche Erfolg der Miris gewesen sein. „Mit dem Erfolg kamen die Neider“, sagte ein weiterer Bruder (28) des Angeklagten bei der Zeugenvernehmung im Stader Clan-Prozess.
Gangster-Rapper werben für Shisha-Shop
Bekanntlich hatten die Al-Zeins im September 2023 die Eröffnung eines eigenen Shisha-Shops in Buchholz vorangetrieben. Das Geschäft der Miris brummte. Sie hatten das Monopol in der Kleinstadt. Der Zeuge half im Geschäft aus. Deutschlandweit bekannte Rapper wie Massiv und Kurdo sowie der Livestreamer MontanaBlack hätten für den Shisha-Shop des Miri-Clans geworben. Davon zeugen kurze Videos in den sozialen Medien - wie Instagram. Massiv hat rund 1,2 Millionen Follower. Er spielte auch in der Fernsehserie „4 Blocks“ mit - ein Drama über einen arabischstämmigen kriminellen Familienclan.
Der ökonomische Erfolg und die Präsenz in den sozialen Medien hätten die Al-Zeins gewurmt. Irgendwann habe ihn ein Deutscher gewarnt und davon gesprochen, dass ihn „ein Typ mit Bizeps verkloppen will“. Dieser Al-Zein sei ein „Ex-Knacki und Drogenhändler“. Sein Markenzeichen: Muskeln und Maybach, ein Luxusauto. Listenpreis: zwischen 225.000 und 299.000 Euro. Dieser Bote habe ihn eindringlich gewarnt: „Pass auf dich auf.“ Der 28-Jährige habe seine größeren Brüder informiert. „Der will mich ficken“, habe er ihnen mitgeteilt. Doch die Brüder hätten ihn aufgefordert, Ruhe zu bewahren.
Zeuge befürchtete bereits im Herbst 2023 einen Gang-Krieg
Er habe sich Sorgen gemacht. Die Al-Zeins seien schließlich bereits in einen blutigen Krieg um Shisha-Bars „mit den Albanern“ verwickelt gewesen, außerdem habe es eine Schießerei mit einer Maschinenpistole am Klinikum Lüneburg gegeben. Zudem seien die Al-Zeins in Drogengeschäfte und Zuhälterei verstrickt. Irgendwann habe der Muskelmann vor dem Laden der Miris gestanden und sich „übelst aggressiv“ verhalten. „Er hat mich wie ein Hund fixiert. Mir war kalt. Er spielte mit seinem Bizeps“, so der Zeuge. An diesem Tag sei ihm klar geworden, dass das „kein Spiel mehr ist“. Das alles, so der 28-Jährige, habe ihn an das Tijuana-Drogenkartell erinnert. Er habe im Herbst 2023 „einen Gang-Krieg“ wie in Mexiko befürchtet.
„Wird knallen“
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Der Streit führte schließlich zur Schlägerei vor einem Döner-Laden in Buchholz. Der Al-Zein habe „fast gesabbert“. Die drehbuchreifen Schilderungen des Zeugen endeten an diesem Punkt abrupt. Er berief sich auf sein Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrecht. Laut Strafprozessordnung müssen Zeugen sich oder Angehörige nicht belasten, wenn dadurch eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit drohen könnte. Bekanntlich waren am 1. November 2023 mehrere Miris über die Al-Zeins hergefallen. Wegen dieser Gewalttat werden sich die Miris - nach Zulassung der Anklage vor dem Landgericht Stade - wegen „Landfriedensbruch in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung“ verantworten müssen. Es drohen mehrjährige Freiheits- oder Geldstrafen. Der wegen Mordes angeklagte Mustafa M. wird erneut vor den Richter treten müssen.
Staatsanwältin und Nebenklage bezweifeln Glaubwürdigkeit
Der Zeuge legte noch einmal kurz nach. Sein Vorwurf: Die Nebenkläger hätten andere Al-Zeins angewiesen, gegen die Miris auszusagen. Eine Quelle für seine Behauptung wollte er nicht offenlegen - trotz Nachfrage durch den Vorsitzenden Richter der 1. Großen Strafkammer, Erik Paarmann. Letztlich hätten sich nach dem Streit „die älteren Etagen“ einschaltet. Auch zu dem folgenden Friedensgipfel - vertreten waren alle großen Clans - und zu Schusswaffen im Familienbesitz wollte der Zeuge sich nicht äußern.

Die Polizei muss den Clan-Prozess weiterhin schützen. Foto: Vasel
Nebenkläger-Anwalt Rainer Mertins warf den Miri-Zeugen vor, im Gericht lediglich „provozieren zu wollen“. Drogenvorwürfe würden nicht belegt. Wenn es um eigene Gewalttaten gehe, werde geschwiegen und schöngeredet, so auch Staatsanwältin Dawert. Sprachnachrichten belegten, so Mertins, dass Zeugen aus den Reihen der Miris gelogen hätten. Für den Verteidiger Dr. Dirk Meinicke sind die „emotionsgeladenen Aussagen“ der Miri-Brüder hingegen von „überragender Authentizität“. Das Verteidigergespann legte nach. Die Anwälte Dinah Busse und Meinicke haben eine Tonspur von einem Video extrahiert - und wollen beweisen, dass einer der Brüder des Opfers nach der tödlichen Messerattacke auf Khaled R. am 22. März 2024 am Salztor in Stade den Satz „Geh, tötet ihn“ in Richtung eines Miris gerufen habe.

Blick auf das Landgericht Stade. Foto: Vasel
Der Prozess wird am Dienstag, 11. Februar, 9.30 Uhr, fortgesetzt.