TDas sagt die Ernährungsberaterin über die Abnehmspritze

Ärztinnen und Ärzte können „Wegovy“ Patienten mit Adipositas verschreiben. Foto: Steffen Trumpf/dpa
Die Deutschen werden immer dicker. Der Hype um die Abnehmspritze Wegovy macht inzwischen überall die Runde. Doch ganz so harmlos ist der Gebrauch des verschreibungspflichtigen Medikamentes nicht.
Ohne Verzicht auf das gute Essen, Süßigkeiten und Chips schnell mal eben ein paar Kilo verlieren? Das verspricht die Abnehmspritze Wegovy des dänischen Herstellers Novo Nordisk. Das verschreibungspflichtige Medikament ist seit Juli 2023 in Deutschland erhältlich. Wegovy ist allerdings kein Lifestyle-Produkt.
Anke Plate hat in ihrer Praxis in Nordenham täglich mit Patienten zu tun, die an Übergewicht leiden. Sie ist diplomierte Ökotrophologin. Seit 25 Jahren berät und begleitet sie Menschen in ihren Fragen zu einer gesunden Ernährung. Außerdem kooperiert sie unter anderen mit dem Adipositas-Zentrum des St. Bernhard Hospitals in Brake.
Sie erstellt Essenspläne und setzt zur dauerhaften Gewichtsreduktion auch auf Bewegung. Das Medikament Wegovy darf sie nicht verschreiben, kennt sich aber mit dessen Wirkweise, seinen Vor- und Nachteilen aus.
Übergewichtige Patienten werden immer jünger
„Die übergewichtigen Patienten werden immer jünger. Statt 40- bis 50-Jährigen kommen Menschen in die Praxen, die mit Anfang bis Mitte dreißig Gewichtsprobleme haben. In dem Alter sind sie in ihrem Stoffwechselprozess noch stabil und daher wird zunächst auf Verhaltensänderung und Sport gesetzt. Da kommt die Frage nach der Abnehmspritze ins Spiel“, sagt Anke Plate.

Die Diplom-Oecotrophologin Anke Plate berät Menschen zum Thema Ernährung und Gewichtsreduktion. Foto: Krabbenhoeft
Ab einem BMI von 30 kann der Hausarzt das Mittel Wegovy verordnen. Wer es bekommt, spritzt sich einmal die Woche den Wirkstoff Semaglutid unter die Haut.
Semaglutid ist ein Antidiabetikum, das bisher zur Behandlung von übergewichtigen Patienten mit Typ-2-Diabetes eingesetzt wurde. Es reduziert das Hungergefühl. „Die größte Herausforderung beim Abnehmen ist die Angst der Patienten zu verhungern. Jeder Gedanke dreht sich bei ihnen um das Essen. Semaglutid verringert diese Symptome deutlich“, sagt Anke Plate.
Die Inhaltsstoffe des Medikamentes suggerieren dem Gehirn eine Sättigung. Außerdem verlangsamt sich die Abgabe der Speisen vom Magen in den Dünndarm. Statt nach zwei bis drei Stunden geschieht die Entleerung des Mageninhaltes erst nach fünf bis sechs Stunden. Das Resultat? Innerhalb der ersten vier Wochen der Medikamenteneinnahme verlieren die Patienten zehn bis 15 Prozent ihres Körpergewichtes.
Das klingt zunächst nach einem Durchbruch im Kampf gegen die Pfunde. Aber die Langzeitfolgen sind weitgehend unbekannt. Die Nebenwirkungen reichen von Übelkeit über Schwindel und Erbrechen bis zum Haarausfall. Auch Erschöpfungszustände kommen häufig vor.
„Sich schlapp zu fühlen, ist nicht erstaunlich. Bei einer verringerten Nährstoffzufuhr fühle ich mich auch beim Fasten nicht voller Tatendrang. Auf lange Sicht werden die Patienten aber stabiler“, erklärt Anke Plate. Das eigentliche Problem betrifft den Umgang mit der Abnehmspritze. Die monatlichen Kosten für die Behandlung mit Wegovy liegen derzeit bei 300 Euro. Um einen dauerhaften Erfolg bei der Reduktion des Gewichtes zu erzielen, müssen die Patienten sich entweder ihr Leben lang spritzen oder deutliche Veränderungen in ihrem Essverhalten vornehmen.
Nach dem Absetzen der Spritze kommt es zum Jojo-Effekt
„Junge Frauen mit einem BMI von 30 gehen zum Arzt, weil sie bald in den Urlaub fahren und mit der Spritze noch etwas von dem Fettpolster loswerden wollen. Sie kriegen das Rezept und nehmen schnell ab. Dabei machen sie sich keine Gedanken darüber, dass sie die fehlenden Nährstoffe ausgleichen sollten“, sagt die Ernährungsberaterin. Sobald die Spritze abgesetzt wird, kommt es zum Jojo-Effekt. Die Patienten legen rasant an Gewicht zu.
Anke Plate führt aus, dass bei übergewichtigen Patienten, die im Adipositas-Zentrum begleitet werden, jede Mahlzeit im Hinblick auf ihren Kalorien, Vitamin- und Proteingehalt zusammengestellt wird. Nahrungsergänzungsmittel sind dort ein großes Thema. Bevor es zu dem chirurgischen Eingriff der Magenverkleinerung kommt, wird über die Dauer von sechs Monaten geprüft, wie weit das Gewicht des Patienten mit Sport und einer angepassten Ernährung verringert werden kann.
„Das gibt es bei der Verschreibung der Spritze nicht. Das Konzept im Vorfeld, während und nach der Therapie, ist überhaupt nicht ausgereift. Ich bin nicht generell gegen den Gebrauch der Abnehmspritze. Der Wirkstoff Semaglutid bietet aus meiner Sicht für Patienten mit krankhafter Adipositas oder großer Angst vor einem chirurgischen Eingriff, eine Alternative. Aber die Maßnahme muss in eine detaillierte Beratung mit anschließende Versorgung eingebunden sein“, sagt Anke Plate.