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Lokalpolitik

TDas umstrittene Bützflether Freibad: Kai Koeser über mögliche Schließung

Großzügig: Das Schwimmerbecken (links) mit dem Sprungturm und der Nichtschwimmerbereich (rechts).

Großzügig: Das Schwimmerbecken (links) mit dem Sprungturm und der Nichtschwimmerbereich (rechts). Foto: Strüning

Er ist ein Bützflether Jung und amtierender Schützenkönig im Ort. Aber er ist auch Spitzenpolitiker der lokalen SPD. Kai Koeser hat einen besonderen Blick auf das Bützflether Freibad und dessen womöglich bedrohte Zukunft.

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Von Lars Strüning
Sonntag, 21.07.2024, 11:50 Uhr

Stade. „Das Bützflether Freibad ist ein emotionaler Ort“, schreibt Koeser, womit er recht hat, denn die Reaktionen schlugen nach dem ersten TAGEBLATT-Bericht über eine mögliche Schließung wegen des hohen Sanierungsbedarfs hohe Wellen. Das hat Gründe.

Schwimmen gelernt, Ferien verbracht

Viele haben dort ihre ersten Schwimmerfahrungen gemacht, viele haben dort einen großen Teil ihrer Sommerferien verbracht, so Koeser. Die Bützfletherinnen und Bützflether seien immer stolz auf ihr „wunderschönes Freibad“ gewesen. Das ist der eine Ansatz.

Ein anderer: Das Freibad sei auch immer ein Ort des Triumphes gegenüber der Stadt Stade im Zuge der ungeliebten Eingemeindung gewesen. Die drohende Schließung vor 20 Jahren hatte erwartbar zu massiven Protesten geführt. Koeser: „Umso irritierender dürfte die aktuelle Debatte um die Zukunft des Bützflether Freibades für viele Menschen sein.“

Kai Koeser, SPD-Politiker und Bützflether.

Kai Koeser, SPD-Politiker und Bützflether. Foto: Susanna Brunkhorst

Als es noch Milchladen und Fischwagen gab

Er schreibt auch von schmerzhaften Veränderungen der Infrastruktur. Koeser zählt auf: Als er in Bützfleth aufwuchs, gab es im Ort noch zwei Lebensmittelhändler, zwei Schlachter, zwei Bäcker, Milchladen, Reisebüro, Apotheke, Drogerie, mindestens vier Gasthöfe und einen Imbiss, Post, Bank, Sparkasse, zwei Blumengeschäfte, zwei Elektrofachgeschäfte, die Raiffeisen-Genossenschaft, mindestens drei Friseure, Gemüsemann, Fischwagen, Fachgeschäfte für Damenoberbekleidung, Lederwaren und Porzellan, die Kirchengemeinde mit (vermutlich) einer vollen Pfarrstelle, Feuerwehr, Schützenverein, Sport- und Tennisverein und eben das Freibad.

Nicht nur in Bützfleth: Wandel der Infrastruktur

Man habe so ziemlich alles in Bützfleth bekommen können. Für alles andere fuhr man nach Assel, Drochtersen oder Stade oder bestellte bei den großen Versandhäusern - damals noch aus dem Katalog.

Was ist von dieser Infrastruktur heute in Bützfleth noch übrig?, fragt er. Von wenigen Ausnahmen abgesehen vor allem jene, die vom Ehrenamt getragen wird. Er weiß auch: So geht es nicht nur den Bützflethern.

Zur Wahrheit gehöre aber auch, „dass wir selber für das Verschwinden von großen Teilen dieser sozialen Infrastruktur verantwortlich sind“.

Der Wocheneinkauf im Discounter, das abendliche Online-Shopping, verändertes Freizeitverhalten, Kirchenaustritte, sinkendes ehrenamtliches Engagement sorgten dafür, dass Gewohntes vor der Haustür verschwindet.

Zweifelsohne habe sich das Gesicht von Bützfleth mit der Industrialisierung massiv verändert. Aber auch Hagen, Haddorf und Wiepenkathen oder Schölisch, Campe und Barge seien nicht mehr vergleichbar mit den alten Dörfern.

In Bützfleth wiege dieser Verlust zum Teil schwerer. Es liege weiter entfernt von der Stadt, sei schlechter angebunden, historisch anders verortet und emotional in Stade nie ganz angekommen.

Auch Bützfleth profitiert vom neuen Wohlstand

Die Bützflether zahlten einen hohen Preis für die Nähe zur Industrie. Gleichzeitig hätten auch die Menschen in Bützfleth vom Wohlstand profitiert, den die Industrieansiedlungen gebracht haben.

Manches Familienheim hätte nicht gebaut werden können ohne die Gehälter aus der Industrie; und auch so mancher Bützflether gehe sicher gerne ins Stadeum.

Koeser verweist als Vorsitzender der SPD Stade und Ratsmitglied, dass in den letzten Jahren hohe Summen aus Stadt, Land und Bund nach Bützfleth geflossen seien. Mit der Ortskernsanierung seien viele Verbesserungen erreicht worden.

Eine Schließung des Freibades sei für ihn und seine Partei „bisher keine Option“. Veränderte Fakten durch womöglich explodierende Kosten könnten die Debatte vielleicht noch verändern. Diese sei dann aber mit großer Offenheit und Transparenz vor allem mit den Menschen in Bützfleth zu führen. Koeser ist dabei durchaus realistisch.

„Angesichts der aktuellen städtischen Haushaltslage wird uns in unmittelbarerer Zukunft die eine oder andere unangenehme Verzichtsdebatte nicht erspart bleiben.“ Das sei völlig unabhängig von den guten Zukunftsperspektiven Stades als Industriestandort und Energiedrehscheibe.

Der hohe Investitionsbedarf im Bützflether Freibad stehe symptomatisch für ein allgemeines Problem in Deutschland: „Wir haben zu wenig in den Erhalt unserer Infrastruktur investiert.“ Das gelte nicht nur für Bützfleth. Das gelte nicht nur für Stade. Das zeige zum Beispiel die Unzuverlässigkeit der Bahn während der Fußball-EM in Deutschland.

Schwimmbäder eine „finanzielle Katastrophe“

Schwimmbäder, so Koeser, seien für Kommunen immer eine finanzielle Katastrophe, ein dauerhaftes Zusatzgeschäft. Trotzdem gebe es gute Gründe, ein Freibad zu betreiben.

Es fördere Gesundheit und Fitness, diene als sozialer Treffpunkt, erhöhe Lebensqualität und sei Erholungsraum, Kinder und Jugendliche hätten dort einen Ort der Entwicklung. Und: Schwimmunterricht ist lebenswichtig.

Koeser will Verlässlichkeit in unsicheren Zeiten. Neben den positiven Effekten für die Bevölkerung, Tourismus und auch für die lokale Wirtschaft spreche ein ganz wichtiges Argument für den Erhalt des Bützflether Freibades: die Vertragstreue der Hansestadt Stade.

„Wir müssen uns als Hansestadt - in der Tradition des ehrbaren Kaufmannes - als verlässliche Partnerin erweisen“, schreibt der SPD-Politiker. Da helfe es nicht, sich darauf zu berufen, die vertragliche Vereinbarung rund um die Eingemeindung stünde nicht unter Ewigkeitsgarantie.

Koeser definiert die Zukunft des Freibades als „unsere Aufgabe“. Auftrag der Kommunalpolitik sei jetzt, nach Wegen für eine Zukunft des Bützflether Freibades zu suchen. Es sei denn, aus der Ortschaft kämen andere Signale.

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