TDebatte vor 2000 Menschen: Der Wolf mobilisiert die Massen

Der Bezirksverband des Hannoveraner Verbands hatte zu der Podiumsdiskussion in der Reithalle auf dem Dobrock in der Wingst eingeladen. Foto: Wisser
Die Halle war voll und das Podium prominent besetzt. Rund 2000 Menschen waren gekommen, um zu hören, wie Experten über den Umgang mit dem Wolf denken. Ein bekannter Politiker aus dem Kreis Stade fordert: auffällige Rudel komplett abschießen.
Wingst. Wer einen Sitzplatz haben wollte, der musste am Mittwochabend schon früh in die Wingst kommen. Bereits eine Stunde vor der Veranstaltung füllte sich die Reithalle mit Menschen aus ganz Nordniedersachsen.
Teilnehmer hatten stundenlange Fahrten auf sich genommen, um auf dem Dobrock dabei zu sein. Viele Pferdezüchter, Landwirte und Schäfer waren auf Einladung des Hannoveraner Warmblutzuchtverbands gekommen.
Auch die Politik war vertreten. Neben Landrat Kai Seefried waren aus dem Landkreis Stade die beiden Landtagsabgeordneten Corinna Lange (SPD) und Birgit Butter (CDU) dabei.
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Der Wolf wird über alle anderen Tierarten gestellt
Hätte es eine Bestätigung gebraucht, dass die Toleranzgrenze in Sachen Wolf mit jedem toten Nutztier und jeder Nahbegegnung weiter sinkt, in der Wingst konnte sie leicht gefunden werden. „Wir sind alle in Sorge. Viele lassen ihre Tiere nicht mehr auf die Weide“, fasste Hinni Lührs-Behnke, Präsident des Hannoveraner Verbands, die Stimmung zusammen. Der Wolf werde über alle anderen Tierarten gestellt. „Dafür haben wir kein Verständnis.“

Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (rechts) stellte sich bei der Podiumsdiskussion den kritischen Fragen des Journalisten Stefan Aust. Foto: Wisser
Die Podiumsdiskussion um die Zukunft der Weidetierhaltung war ein Beweis dafür, wie emotional und strittig das Thema ist. Für eine zielführende Diskussion gab es aber einschließlich des aus Brüssel zugeschalteten EU-Abgeordneten und ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister (CDU) zu viele Teilnehmer auf dem Podium.
Einige wie der Stader Wolfsberater Michael Ohlhoff oder Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Bündnis 90/Die Grünen) wurden ständig gefragt. Andere brachten es während der zweistündigen Veranstaltung auf zwei Sätze.
Der Journalist, Buchautor, ehemalige „Spiegel“-Chefredakteur und Pferdezüchter Stefan Aust moderierte die Runde und unternahm dabei gar nicht erst den Versuch, sich nicht eindeutig auf eine Seite zu schlagen.

Fast 2000 Menschen sind in die Reithalle auf dem Dobrock gekommen. Das Thema beschäftigt die Menschen in der Region. Foto: Wisser
„Die Situation ist nicht mehr tragbar“, sagte McAllister. Er forderte ein aktives Bestandsmanagement, schilderte aber auch das komplizierte Verfahren, das es braucht, um den Schutzstatus des Wolfs in der EU von streng geschützt auf geschützt zu ändern.
Es gebe in Europa Länder, die trotzdem auf nationaler Ebene agieren und Wölfe schießen: die skandinavischen Staaten, die baltischen Staaten oder Frankreich.
Ein Wolf kostet den Staat rund 160.000 Euro
Diese hätten sich aber entweder beim EU-Beitritt diese Rechte zusichern lassen oder ignorierten EU-Recht. „Ohne eine Änderung des Status ist es schwer, rechtssicher etwas zu unternehmen“, sagte Klaus Mack, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Baden-Württemberg.
Aber es müsse etwas geschehen: „Die Menschen sind unzufrieden.“ Seine Fraktion hat ausgerechnet, dass jeder Wolf in seiner Lebenszeit den Staat rund 160.000 Euro kostet.

Wolfsberater Michael Ohlhoff und Moderator Stefan Aust lieferten sich bei der Podiumsdiskussion spannende Diskussionen. Foto: Wisser
Wolfsberater Michael Ohlhoff versuchte es in der Diskussion mit einer differenzierten Analyse. Aus seiner Sicht helfen Herdenschutzzäune gegen Wolfsangriffe. „85 Prozent der Wolfsangriffe passieren dort, wo der Herdenschutz fehlt“, sagte er.
Er wies aber auch darauf hin, dass alle wichtigen deutschsprachigen Experten davon ausgehen, dass eine Jagd auf Wölfe notwendig ist.

Helmut Dammann-Tamke ist Präsident der niedersächsischen und deutschen Jäger. Foto: Wisser
Rudel von Problemwölfen komplett abschießen?
Wie die aussehen kann, schilderte Helmut Dammann-Tamke, Präsident der niedersächsischen und deutschen Jäger. „Wir haben auffällige Rudel, die immer wieder Nutztiere reißen“, so der frühere CDU-Landtagsabgeordnete aus Ohrensen.
Diese müsse man komplett abschießen und anschließend den Bestand in den anderen Rudeln durch gezielte Eingriffe in die Jugendklasse regulieren - wie bei jeder anderen Tierart auch. „So bekommen wir wieder Frieden auf dem Land“, so Dammann-Tamke.
Aktuell gibt es 400 bis 600 Wölfe in Niedersachsen. Ohne Regulation werden es in den nächsten Jahren um die 1200; dann sind alle Reviere besetzt.
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Morddrohungen und Rücktrittsforderungen
Laut Umweltminister Christian Meyer gibt es in Niedersachsen sechs auffällige Wolfsrudel und 55 insgesamt. Er ist der erste deutsche Minister, der das neue Schnellabschussverfahren nutzen will, um auffällige Tiere zu schießen.
Aktuell bremsen ihn die Gerichte aus. Ob ein Wolf in der Region Hannover geschossen werden darf, entscheidet sich in diesen Tagen.
„Wir haben einen Nord-Süd-Konflikt bei der Wolfsfrage“, sagte Meyer. Wolfsländer und Nicht-Wolfsländer hätten unterschiedliche Interessen.
Der Minister bekommt für seinen Kurs aus Kreisen radikaler Wolfsschützer Morddrohungen und Rücktrittsforderungen. Meyer will, dass seine Parteikollegin und Bundesumweltministerin Steffi Lemke der Absenkung des Wolfs-Schutzstatus auf EU-Ebene zustimmt. Das dürfte der Härtetest für die Frage werden, ob die Sorgen der Menschen ernstgenommen werden.

Der Bezirksverband des Hannoveraner Verbands hatte zu der Podiumsdiskussion in der Reithalle auf dem Dobrock in der Wingst eingeladen. Foto: Wisser