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Welt-Alzheimertag

TDem Vergessen begegnen: Eine Demenz-Geschichte aus dem Alten Land

Laden zum Tag der offenen Tür der Alzheimer Gesellschaft ein: Vorsitzender und Gründungsmitglied Dr. Volker von der Damerau mit Beisitzerin Claudia Timm (links) und Mandy Landgraf (2. Vorsitzende).

Laden zum Tag der offenen Tür der Alzheimer Gesellschaft ein: Vorsitzender und Gründungsmitglied Dr. Volker von der Damerau mit Beisitzerin Claudia Timm (links) und Mandy Landgraf (2. Vorsitzende). Foto: Stehr

Drei Schwestern erzählen von der Krankheit ihrer Mutter. Sie wollen damit anderen Betroffenen Mut machen und dazu aufrufen, Hilfe anzunehmen. Die gibt es nämlich vor Ort.

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Von Lena Stehr
Donnerstag, 19.09.2024, 19:20 Uhr

Stade. Das Gedächtnis lässt zunehmend nach, die Orientierung ist gestört, alltägliche Abläufe sind plötzlich schwerer zu bewältigen - so beginnt die Alzheimer-Krankheit, erstmals beschrieben 1902 von Alois Alzheimer am Beispiel von Auguste D. Alzheimer. Sie ist mit 70 Prozent die häufigste Form von Demenz. Etwa 1,8 Millionen Demenz-Erkrankte leben in Deutschland, Tendenz steigend.

„Wir müssen mit der Krankheit umgehen lernen, sie akzeptieren und nicht ignorieren“, sagt Claudia Timm von der Alzheimer Gesellschaft Stade. Doch das erfordert viel Mut. Denn die Betroffenen sind mit fortschreitender Krankheit häufig aggressiv und distanzlos.

Eine Demenz-Geschichte aus dem Alten Land

Dass niemand den vielen Herausforderungen, die eine Demenz-Erkrankung mit sich bringt, allein begegnen muss, daran erinnert der Welt-Alzheimertag am Samstag, 21. September. Unter dem Motto „Demenz - Gemeinsam. Mutig. Leben.“ soll auch darauf hingewiesen werden, was Angehörige täglich leisten müssen.

Menschen wie Andrea und Catrin Anderer sowie Claudia Armbrust zum Beispiel. Die drei Schwestern haben sich knapp vier Jahre lang um ihre an Demenz erkrankte Mutter Dietrun Anderer gekümmert, die im vergangenen Jahr mit 84 Jahren verstorben ist.

Die Seemannswitwe und gelernte Krankenschwester aus Steinkirchen sei immer taff, weltoffen und lebensfroh gewesen. Bis sie krank wurde, sei sie auch immer noch viel und weit gereist, zuletzt vor acht Jahren mit einer Enkelin ins afrikanische Malawi.

Die Demenz lange vertuscht

„Sie war unser Fels in der Brandung“, sagt Andrea Anderer und spricht damit für die gesamte Familie. Und pfiffig war die Mutter auch. So gelang es ihr lange, die fortschreitende Demenz zu vertuschen. Gegen erste Gedächtnislücken halfen viele kleine Notizzettel. Diagnostiziert wurde die Krankheit nach einem Schlaganfall 2018. Als dann noch ihr Bruder verstarb, verschlimmerte sich Dietrun Anderers Zustand schlagartig. Sie kam in die Tagespflege. Zudem war Tochter Andrea täglich vor Ort.

Ehrenamtliche entlasten Angehörige

Entlastet wurde die Familie auch von den „Spaziergehfrauen“, die regelmäßig vorbeikamen. Die ehrenamtlichen Helferinnen der Alzheimer Gesellschaft Stade nahmen Dietrun buchstäblich an die Hand, packten Sitzkissen und Thermoskanne ein, gingen mit der bewegungsfreudigen Frau an die frische Luft und machten mit ihr Gedächtnistraining.

„Was diese Helferinnen leisten, ist unbezahlbar“, sagt Andrea Anderer. Als Angehöriger fühle man sich erst einmal hilflos, sei komplett überfordert und habe viele Fragen. Wie gehe ich damit um, dass sich meine Mutter verändert? Was antworte ich, wenn sie komische Fragen stellt? Was mache ich, wenn sie aggressiv reagiert?

Wertschätzende Kommunikation

Auf alle diese Fragen haben die geschulten Helferinnen Antworten und geben praktische Tipps für den Alltag. Nur ein Beispiel: Wenn ein Demenz-Patient sein Glas austrinken soll, sollte man nicht sagen: „Trink jetzt endlich dein Glas aus“, sondern besser: „Ich möchte den Geschirrspüler gleich anmachen, kannst du eben schnell noch dein Glas austrinken?“ Wertschätzende Kommunikation nennt sich das.

Die ehrenamtlichen Helferinnen der Alzheimer Gesellschaft Stade (auf dem Bild fehlen einige) unterstützen Betroffene und Angehörige.

Die ehrenamtlichen Helferinnen der Alzheimer Gesellschaft Stade (auf dem Bild fehlen einige) unterstützen Betroffene und Angehörige. Foto: Alzheimergesellschaft Stade

Als Dietrun Anderer zunehmend dementer wurde und sich auch mal ein Taxi rief, um zur Arbeit zu fahren, kam sie in eine Wohneinrichtung für Menschen mit Demenz. Am Ende lebte sie fast nur noch in ihrer eigenen Welt, erkannte aber bis zuletzt ihre Familie.

„Wir haben Mama auch so lange es ging mit zu Feiern oder in die Kirche genommen“, sagt Andrea Anderer. Sie will auch andere ermutigen, Betroffene nicht aus Scham zu isolieren und Hilfe anzunehmen. „Das Leben mit einem Menschen mit Demenz kostet viel Kraft, aber niemand muss allein dadurch“, sagt sie.

Angebote der Alzheimer Gesellschaft

  • Alzheimer-Beratungstelefon für erste Auskünfte immer montags von 17 bis 19 Uhr unter der Nummer 04141/ 800220
  • Stundenweise Betreuung durch kompetente Ehrenamtliche der Helfergruppe Auguste (die Kosten werden komplett von der Pflegekasse übernommen). Nähere Informationen gibt es unter 04141/ 600774
  • Angehörigengruppe. Anmeldung unter 04162/ 911988
  • Demenzlotsen im Krankenhaus

Tag der offenen Tür am 21. September in Stade

Über die Angebote der Alzheimer Gesellschaft Stade können sich Interessierte am Samstag, 21. September, beim Tag der offenen Tür von 10 bis 16 Uhr in der Bungenstraße 8 in Stade (Nähe Fischmarkt) informieren. Es gibt Getränke, Waffeln und ein Glücksrad.

https://www.alzheimergesellschaft-stade.de/

https://www.deutsche-alzheimer.de

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