Hausfriedensbruch: Bauern-Aufmarsch vor Haus von Ministerin Staudte

Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne). Foto: Sina Schuldt/dpa
30 Landwirte mit Traktoren bauen eine Drohkulisse auf, zeitweise sind es 100 Fahrzeuge. Nachbarn werden beschimpft. Die Grünen-Ministerin schaltet den Staatsschutz ein. Die Hintergründe.
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Lüchow-Dannenberg. Demonstrierende Landwirte haben sich am Donnerstag mit ihren Traktoren kurzzeitig vor dem Privathaus von Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) versammelt. Nachbarn hätten ihr berichtet, dass etwa 30 Trecker am Abend vor das Haus gefahren seien und für etwa 15 Minuten gehupt hätten, sagte Staudte am Freitag in Hannover. „Das ist natürlich eine Aktion vor einem Privathaus, die ich überhaupt nicht akzeptieren kann.“ Zu dem Zeitpunkt seien nur ihre Kinder im Teenager-Alter zu Hause gewesen.
Die Polizei bestätigte, dass es am Donnerstagabend zu einer spontanen Versammlung mehrerer Landwirte in dem Landkreis gekommen sei. Zwischenzeitlich seien es bis zu 100 Fahrzeugen gewesen. Zunächst wurden einem Polizeisprecher zufolge drei Kreisverkehre und eine Brücke blockiert. Anschließend fuhr eine „kleine zweistellige Anzahl Teilnehmer“ zum Haus der Ministerin und machte hupend auf sich aufmerksam, wie der Polizeisprecher sagte. Beamte seien vor Ort gewesen, um die Sicherheit zu gewährleisten und ein mögliches Betreten des Grundstücks zu verhindern.
Landwirte protestierten gegen Agrardiesel-Aus
Ihr zufolge ging es um Kritik an Kürzungen bei Agrardieselsubventionen und Streichung der KfZ-Steuer. Beide Pläne sind Teil des Haushalts-Kompromisses der Bundesregierung. „Das habe ich am Nachmittag auch kritisch bewertet“ sagte Staudte und bezeichnete die Aktion daher als „doppelt fragwürdig“.
Nachfragende Nachbarn seien beschimpft worden, so die Ministerin. „Ich werde auf jeden Fall Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstatten, der Staatsschutz ist eingeschaltet, weil ich das auf keinen Fall auf sich beruhen lassen werde.“
Selbstverständlich sei es legitim zu demonstrieren, auch mit Treckern, sagte Staudte. Aber: „Es ist nicht legitim, vor Privathäusern zu demonstrieren, weil man das definitiv auch als ein Versuch der Einschüchterung bewerten muss“.
Trecker-Konvoi blockiert Bundesstraße am Freitagmorgen
Am Freitagmorgen kam es im Landkreis Uelzen zu ähnlichen Versammlungslagen. Dabei waren über 50 landwirtschaftliche Zugmaschinen auf der Bundesstraße 4 präsent und behinderten den Verkehr. Dabei hielten sie sich kurzzeitig vor den Zufahrten zur Bundesstraße auf und setzten ihre Fahrt anschließend fort. Es kam zu erheblichen Verkehrsbehinderungen in und um Uelzen.
Die Polizei war vor Ort präsent. Ein Verantwortlicher gab sich auch hier nicht zu erkennen. Die Ermittlungen zu versammlungsrechtlichen Verstößen dauerten an.
Landwirte protestieren bei A1
Landwirte aus dem Landkreis Vechta haben am Freitagabend an Anschlussstellen der Autobahn 1 protestiert. Die Protestaktion dauerte von 17 bis 19 Uhr an, wie die Polizei am Abend mitteilte.

Ein Traktor verlangsamt den Verkehr bei einer Protestaktion die Auffahrt auf die A1 bei Neuenkirchen-Vörden im Landkreis Vechta. Foto: NWM-TV/dpa
Demnach bewegten sich an den Anschlussstellen Vechta, Lohne, Holdorf und Neuenkirchen-Vörden der A1 jeweils etwa 20 landwirtschaftliche Fahrzeuge mit Schrittgeschwindigkeit mehrmals über die Überführungen, wodurch es auch auf der Autobahn zu erheblichen Verkehrsbehinderungen kam. Zu der Protestaktion hatte laut Polizei der Landvolkverband Niedersachsen aufgerufen.
Bauernverband ruft zu Kundgebung in Berlin auf
Der Deutsche Bauernverband ruft für Montag zu einer Kundgebung in Berlin auf. Unter dem Motto „Zu viel ist zu viel“ soll damit Empörung über ein Aus für Regelungen zum Agrardiesel und für die Kfz-Steuerbefreiung für die Land- und Forstwirtschaft deutlich gemacht werden. „Wenn diese Pläne nicht zurückgenommen werden, wird es heftigen Widerstand geben“, so Bauernpräsident Joachim Rukwied.
Die Kundgebung soll am Montag um 11 Uhr am Brandenburger Tor stattfinden. Zu dem Protest wird demnach auch eine große Zahl an Traktoren in Berlin erwartet. Nach Verbandsangaben würden der Branche mit den Vorschlägen fast eine Milliarde Euro entzogen.
Hintergrund ist eine Verständigung der Koalitionsspitzen über Einsparungen im Haushalt 2024. Bisher können sich Landwirtschaftsbetriebe die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen. (dpa/tip)