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„Enkeltrick“

TDie bittere Wahrheit hinter einem Konto mit 25.000 Euro

Kaum auf dem Konto, schon in bar abgehoben: Das Konto eines Hemmoorers wurde zum „Umschlagsplatz“ für dubiose Geschäfte.

Kaum auf dem Konto, schon in bar abgehoben: Das Konto eines Hemmoorers wurde zum „Umschlagsplatz“ für dubiose Geschäfte. Foto: Patrick Pleul/dpa

Ganz schön viel Geld für einen Arbeitslosen: Über das Konto eines Hemmoorer wurden Zahlungen von Enkeltrick-Opfer abgewickelt. Die Quittung folgte vor Gericht.

Von Egbert Schröder Samstag, 10.08.2024, 09:47 Uhr

Hemmoor. Über 25.000 Euro landeten so auf dem Konto des Familienvaters und wurden auch prompt - von wem auch immer - in bar abgehoben. Die Quittung für den arbeitslosen Hemmoorer: Er kassierte eine zehnmonatige Freiheitsstrafe (zur Bewährung ausgesetzt) und muss das Geld an die Opfer zurückerstatten. Bleibt nur die Frage: Wie? Er ist arbeitslos und es ist gerade ein Insolvenzverfahren angelaufen.

Die Betrugsmasche ist ebenso perfide wie weitverbreitet. Per Telefonanruf oder Chat-Nachricht geben sich hinterhältige Täter als angebliche Familienmitglieder aus, die angesichts einer Notlage dringend eine Finanzspritze benötigen. Häufig werden Unfälle vorgegaukelt, für deren Regelung man umgehend Geld benötige.

„Hallo Mama, hallo Papa“

Mittlerweile werden auch viele Messengerdienste - wie beispielsweise WhatsApp - dazu missbraucht, um Betrugsopfer zum Beispiel im Namen von Töchtern, Söhnen oder Enkeln zu Geldüberweisungen zu bewegen. Über Nachrichten wie „Hallo Mama, hallo Papa, mein Handy ist kaputt, das ist meine neue Handynummer …“ gelingt den Betrügern vielfach der Einstieg in eine Konversation, an deren Ende die Überweisung von Geldbeträgen auf ein bestimmtes Konto steht.

Unglaubwürdige Geschichte erzählt

Dabei verwenden die Täter natürlich nicht ihre eigenen Konten, sondern heuern Komplizen an, denen Geld versprochen wird, wenn sie ein Konto anlegen, auf das auch die Betrüger Zugriff haben. Für diese „Dienstleistung“ soll im Gegenzug Geld fließen.

Auch der mehrfache Vater aus Hemmoor wollte sich vor Gericht in die Reihe der Ahnungslosen stellen, die gar nicht gewusst hätten, dass sie zum Spielball von Kriminellen geworden sind. Pech für ihn, dass seine Version über seine Tatbeteiligung, die er Richterin Sabine Deutschmann und der Staatsanwaltschaft auftischte, völlig unglaubwürdig klang. Demnach sei er blauäugig an die Sache herangegangen und habe auch nicht nachgefragt, was es denn mit den Kontobewegungen auf seinem Konto auf sich habe.

Jederzeit „Zugriff und Kontrolle“

Doch im weiteren Verlauf des Gerichtsverfahrens zerpflückte der Staatsanwalt die Darstellung des Hemmoorers: „Dass das Geld nicht aus legalen Geschäften stammen konnte, lag ja wohl auf der Hand. Warum wickelt man sonst Zahlungen und Abhebungen nicht über sein eigenes Konto ab?“

Demnach habe der Hemmoorer nicht nur die PIN seines Kontos weitergeben, sondern auch den Verfügungsrahmen für das Konto schrittweise auf rund 25.000 Euro erhöht. Ausflüchte, dass dies der Angeklagte nicht persönlich veranlasst habe, seien gegenstandslos. Dies habe er nachweislich selbst im Online-Banking über sein Handy mit den entsprechenden Zugangsdaten gemacht. Er habe „die ganze Zeit Zugriff und Kontrolle auf das Konto gehabt und mehrfach den Rahmen heraufgesetzt“.

Dadurch sei es möglich gewesen, innerhalb von nur zwei Tagen im Dezember 2022 über ein Dutzend Menschen, die Geld auf das Konto eingezahlt hätten, um angeblich Kindern oder Enkelkindern zu helfen, zu betrügen. Dass er später bei der Polizei den vermeintlichen Diebstahl seiner EC-Karte gemeldet und vorgetäuscht hat, war wohl der zweifelhafte Versuch, den Verdacht von ihm abzulenken.

„Dafür müssen Sie den Kopf hinhalten“

Nach einem Gespräch mit seinem Anwalt in einer Sitzungsunterbrechung räumte der 37-Jährige die Tat dann weitgehend ein: „Ja, ich habe einer Person, die ich nicht kannte, mein Konto zur Verfügung gestellt. Aber ich wusste nichts über die Sache, in die ich da hereingeraten bin.“ Man habe ihm dafür Geld versprochen, das er aber nie erhalten habe. Sein Anwalt sprach von einer „gewissen Naivität“ seines Mandanten.

Kann sein, muss aber nicht. Und der Staatsanwalt sah gar keinen Grund, Naivität als Ausrede gelten zu lassen: „Sie hätten alles beenden können.“ Er forderte eine zehnmonatige Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden solle, die Rückzahlung der mehr als 25.000 Euro an die Geschädigten und 60 Stunden gemeinnützige Arbeit.

Diesem Strafmaß schloss sich auch Richterin Sabine Deutschmann an und ließ keine Zweifel daran, dass nicht zuletzt durch Mittäter wie den Hemmoorer der Betrug hilfsbereiter Menschen in großem Stil möglich sei: „Dafür werden jetzt auch Sie Ihren Kopf hinhalten.“ Solche Betrügereien seien nur möglich, weil Menschen wie der Angeklagte bereitwillig ihr Konto zur Verfügung stellen, obwohl sie genau wüssten, dass es um illegale Geldgeschäfte gehe.

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