Zähl Pixel
Verkehr

TWie sicher ist Stades Hansebrücke? Diese Ingenieurin hat sie abgeklopft

Die aus Buxtehude stammende Bauingenieurin Dr. Katrin Runtemund ist auf die Untersuchung von Spannbetonbrücken wie die Stader Hansebrücke spezialisiert.

Die aus Buxtehude stammende Bauingenieurin Dr. Katrin Runtemund ist auf die Untersuchung von Spannbetonbrücken wie die Stader Hansebrücke spezialisiert. Foto: Weselmann

In Magdeburg wurde gerade eine marode Brücke von heute auf morgen gesperrt. Wie es zu solchen Entscheidungen kommt, zeigt die Bauwerksprüfung einer Buxtehuder Expertin in Stade.

author
Von Fenna Weselmann
Montag, 21.04.2025, 18:50 Uhr

Buxtehude. Die Buxtehuder Bauingenieurin Dr. Katrin Runtemund kennt sich mit Brücken bestens aus. Sie ist spezialisiert auf die Untersuchung von Spannbetonbrücken und hat schon manchem Bauwerk auf den Stein gefühlt.

Die Wahl ihres Fachgebiets kommt nicht von ungefähr. „Brücken sind einfach die schönsten und interessantesten Bauwerke“, begeistert sich die 43-Jährige für ihr Metier im Ingenieurwesen. Ihren Ritterschlag in Sachen Brücken-Untersuchung absolvierte sie tatsächlich auf einem bekannten Wahrzeichen.

Die Buxtehuderin prüfte schon Hamburgs Wahrzeichen

Damals durfte Katrin Runtemund die Hamburger Köhlbrandbrücke genauer unter die Lupe nehmen. „Das war richtig cool“, erinnert sie sich an das Großprojekt. In schwindelerregender Höhe ging es hier auf Wartungsgittern unterhalb der Fahrbahn entlang, um Sensoren für ein einjähriges Monitoring anzubringen.

Lesen Sie auch:

Die Buxtehuder Ingenieurin hat viele Jahre in München gelebt und arbeitet für die dort ansässige Firma Matrics Engineering. Ihr Fachwissen ist nicht nur vor Ort gefragt. „Ich bin so eine Tüftlerin und arbeite gern an herausfordernden Fragestellungen - zum Beispiel, wie wir mit passenden Messkonzepten oder wissenschaftlichen Ansätzen den Bauwerkszustand noch genauer bewerten können“, so Runtemund. Mittlerweile ist sie in die alte Heimat zurückgekehrt, wohnt mit der Familie in Bliedersdorf und leitet ein Büro in Buxtehude als Zweigstelle für Projekte im Norden. Dazu gehören die jüngsten Prüfaufträge in Stade.

Brücken von imposanter Höhe gibt es hier zwar nicht, die Aufträge waren aber in anderer Hinsicht spannungsgeladen. Bei der Hansebrücke und der Brücke an der Bremervörder Straße standen Hauptprüfungen an. Dabei wird das gesamte Bauwerk im wahrsten Sinne des Wortes auf Schäden abgeklopft.

Brückeneinstürze haben die Menschen sensibilisiert

„Der Hammer ist hier wirklich das wichtigste Handwerkszeug“, erklärt die auf Spannbetonbrücken spezialisierte Expertin. Wie ein Specht klopft sie sich im Wechsel mit ihrem Kollegen Florian Keil von einem Quadratmeter Beton zum nächsten. „Das ist echte Sisyphusarbeit“, betont Matthias Vogt, der die Maßnahme als städtischer Mitarbeiter begleitet.

Bei der handnahen Bauwerksprüfung ist der Hammer das wichtigstes Werkzeug von Bauingenieurin Katrin Runtemund.

Bei der handnahen Bauwerksprüfung ist der Hammer das wichtigstes Werkzeug von Bauingenieurin Katrin Runtemund. Foto: Weselmann

Das Hämmern bleibt nicht unbemerkt. Seit dem Einstürzen der Morandi-Brücke in Genua und der Carolabrücke in Dresden sind die Menschen sensibilisiert. „Wenn wir an Brücken arbeiten, kommen immer Leute und fragen, was los ist - und die Presse ist auch sofort zur Stelle“, erzählt Runtemund.

Mehr als 30 Stader Brücken werden handnah geprüft

Ingenieur Matthias Vogt kann beruhigen: „Wir haben ein gut etabliertes Prüfsystem in Deutschland und jede Brücke wird regelmäßig hinsichtlich ihres Risikos bewertet.“ Alle sechs Jahre ist eine Hauptprüfung durch speziell ausgebildete Bauwerksprüfingenieure vorgeschrieben. Dazwischen stehen jährliche Inspektionen und noch eine erweiterte Sichtprüfung auf dem Plan.

Die Stadt Stade hat 75 Straßen- und Fußgängerbrücken als Baulastträger unter ihrer Aufsicht, wobei die 1979 fertiggestellte Hansebrücke die größte darstellt. Während die Büttelsbrücke in der Rosenstraße bereits 1880 stand, wurden die meisten Brücken der Stadt zwischen 1950 und 1970 gebaut. Bei mehr als 30 steht 2025 die Hauptprüfung an. Für die Bauwerksunterhaltung und -prüfung sind für dieses Jahr städtische Haushaltsmittel in Höhe von 260.000 Euro eingeplant.

Bei der Hansebrücke ist ein Nachteinsatz nötig

Geprüft wird nach Möglichkeit im laufenden Betrieb. Während der stundenlangen Hämmerei fließt der Autoverkehr auf der 221 Meter langen Hansebrücke ungehindert weiter. Bei der „handnahen Prüfung“ werden auch schwer zugängliche Bereiche abgeklopft. Zu erreichen sind diese nur mit einem speziellen Brückenuntersichtgerät, dessen langer Arm die Ingenieure unter das Bauwerk bringt.

Bei der Hauptprüfung werden auch schwer zugängliche Bereiche auf Schäden abgeklopft. Zu erreichen sind diese nur mit einem speziellen Brückenuntersichtgerät.

Bei der Hauptprüfung werden auch schwer zugängliche Bereiche auf Schäden abgeklopft. Zu erreichen sind diese nur mit einem speziellen Brückenuntersichtgerät. Foto: Weselmann

Im Fall der Hansebrücke geht das nicht ohne mehrere Stunden Nachteinsatz. Denn das trompetenförmig zum Salztorwall aufgeweitete Bauwerk überspannt nicht nur den Burggraben, sondern ebenso die in den Bahnhof mündenden Gleise. Nach dem Einfahren der letzten Bahn werden diese komplett gesperrt und deren Oberleitungen vom Strom genommen. Der Fahrer des Untersichtgeräts muss den Arbeitskorb zwischen Brücke, Oberleitung und Bahnsteigdach hindurchzirkeln.

Über dem Bahnsteig bröckelt der Beton

Über Bahnsteig 1 wird Katrin Runtemund fündig. An einer Stelle bröckelt der Beton. In den Abplatzungen wird die Bewehrung aus Stahl sichtbar. Das Metallgeflecht inspizieren die Ingenieure auf Korrosion. Denn hier könnten Anzeichen für tiefer greifende Veränderungen durch Feuchtigkeit sein.

Über Bahnsteig 1 entdeckt Katrin Runtemund einen kleinen Schaden: Dort bröckelt der Beton.

Über Bahnsteig 1 entdeckt Katrin Runtemund einen kleinen Schaden: Dort bröckelt der Beton. Foto: Weselmann

Eindringendes Wasser und Streusalz können der Bausubstanz ordentlich zusetzen, gerade an Verbindungsstellen zwischen einzelnen Bauteilen. Der Schaden ist aber nur gering. Trotzdem dokumentiert die Buxtehuder Bauingenieurin die entdeckte Hohlstelle in ihrem Notizbuch.

Steigendes Alter und wachsende Verkehrsbelastungen sorgen bei Brückenbauwerken für zunehmenden Sanierungsbedarf. Für Bund, Länder und Gemeinden ist die Ertüchtigung maroder Infrastruktur eine große finanzielle Herausforderung. Doch ab wann besteht eigentlich Handlungsbedarf?

Bei der Standsicherheit ist die Hansebrücke tipptopp

Im Zuge der Hauptprüfungen vergibt der Prüfer Bewertungen für die Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit. Diese Ergebnisse werden in einer Zustandsnote von 1 (sehr guter Zustand) bis 4 (ungenügender Zustand) zusammengefasst. Die Zustandsnoten bilden die Grundlage für die Erhaltungsplanung. „Meistens betrifft es nur die Dauerhaftigkeit, in diesem Fall ist auch die Verkehrssicherheit betroffen“, betont Runtemund. So wie im Fall der gefundenen Stelle im Beton über dem Bahnsteig.

Unter dem abbröckelnden Beton wird die Bewehrung aus Stahl sichtbar. Das Metallgeflecht inspizieren die Ingenieure auf Korrosion.

Unter dem abbröckelnden Beton wird die Bewehrung aus Stahl sichtbar. Das Metallgeflecht inspizieren die Ingenieure auf Korrosion. Foto: Weselmann

Auf die Standsicherheit hat ein solcher Schaden keine Auswirkung. „Da ist die Hansebrücke tipptopp“, sagt sie. Der aktuelle Bericht ist zwar noch nicht vorgelegt, aufgrund vorangegangener Prüfungen steht allerdings schon die Erneuerung der Lager und Fahrbahnübergänge auf dem Plan.

Brückenprüfer tragen große Verantwortung

Bei der Brücke in Magdeburg sieht die Lage offensichtlich anders aus. Eine sofortige Sperrung für den gesamten Verkehr ist das drastischste Mittel aus einer Reihe von Handlungsmöglichkeiten. Als Sofortmaßnahmen kommen alternativ Geschwindigkeitsbegrenzungen, Teilsperrungen oder Abstandsregelungen für Schwerlastverkehr zum Einsatz. Zu den mittelfristigen Lösungen zählen beispielsweise Notverstärkungen bis zur Fertigstellung eines Ersatzbaus oder Dauerüberwachung über Monitoring.

Kleinste Schäden wie dieses Loch im Geländer der gleich mit geprüften Fußgängerbrücke unterhalb der Hansebrücke werden dokumentiert.

Kleinste Schäden wie dieses Loch im Geländer der gleich mit geprüften Fußgängerbrücke unterhalb der Hansebrücke werden dokumentiert. Foto: Weselmann

„Hundert Prozent Sicherheit gibt es nicht, aber Zustand, Alter und Bauweise der Brücke liefern Hinweise auf mögliche konstruktive Defizite. Solche Schwachstellen werden natürlich besonders genau unter die Lupe genommen und auch kleinste Risse dokumentiert“, erklärt Runtemund. Ihre Verantwortung ist groß, denn eine Fehleinschätzung kann schlimme Folgen haben. „Unsere Aufgabe als Prüfer ist es, Schäden auszumachen und den Baulastträger darauf hinzuweisen. Die eingestürzten Brücken zeigen, wie wichtig es ist, Defizite nicht kleinzureden und Gutachten ernst zu nehmen.“

Der Fahrer des Untersichtgeräts muss den Arbeitskorb zwischen Brücke, Oberleitung und Bahnsteigdach hindurchzirkeln.

Der Fahrer des Untersichtgeräts muss den Arbeitskorb zwischen Brücke, Oberleitung und Bahnsteigdach hindurchzirkeln. Foto: Weselmann

Weitere Artikel