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Buxtehude steht auf

TDiese Menschen und Momente bewegten bei der Demonstration in Buxtehude

Mit kohlegeschwärztem Gesicht, Plakat und T-Shirts des „Zentrums für politische Schönheit" sind Emily, Antonio und Milo Morais gekommen.

Mit kohlegeschwärztem Gesicht, Plakat und T-Shirts des „Zentrums für politische Schönheit" sind Emily, Antonio und Milo Morais gekommen. Foto: Anping Richter

„Nazis essen heimlich Döner“ steht auf einem selbst gemalten Plakat. Lustig oder nachdenklich: Um etwas zu bewegen, persönlich und politisch, haben sich viele Buxtehuder Demonstranten ins Zeug gelegt. Hier geben einige Auskunft, was dahinter steckt.

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Von Anping Richter
Samstag, 20.01.2024, 19:20 Uhr

Buxtehude. Buxtehude steht auf. Für Demokratie und Menschenrechte, seit fast zwei Stunden in eisiger Kälte. Die 86-jährige Antje Ghosh muss sich jetzt mal hinsetzen. Sie ist eine der Omas gegen Rechts, die hier großen Einsatz zeigen. Ihre Mitstreiterin Dörte Schnell hat vorhin am Mikrofon über die Gefahr gesprochen, die droht, wenn die deutsche Geschichte vergessen wird. Auch Antje Ghosh erinnert daran.

„Björn Höcke ist ein großes Redetalent und hat in der AfD viel Einfluss, so wie Joseph Goebbels bei den Nazis“, erklärt sie. Sie setzt sich dafür ein, dass Höcke sein Beamtenstatus als Lehrer aberkannt und ihm das Recht entzogen wird, sich zur Wahl zu stellen. Dafür hat sie eine Online-Petition unterschrieben: „Die hat inzwischen schon 1,5 Millionen Unterschriften.“

Antje Ghosh von den Omas gegen Rechts will Björn Höcke das Handwerk legen.

Antje Ghosh von den Omas gegen Rechts will Björn Höcke das Handwerk legen. Foto: Anping Richter

Oma gegen Rechts hat Höcke im Visier

Dass Höcke gerichtsfest als Faschist bezeichnet werden darf, hat der Buxtehuder Amtsgerichtsdirektor a. D. Norbert Aping kurz zuvor in seiner Rede bestätigt. Seine Anmerkung, dass die AfD 2020 behauptete, sie habe den rechten Höcke-Flügel aufgelöst, hat die Zuhörerschar mit bitterem Auflachen kommentiert.

Populismus und die Macht der Sprache: Das ist für Antonio Morais aus Nindorf mit Blick auf rechtsextremistische Tendenzen wichtig. Das Narrativ verschiebe sich gerade. „Achtet auf die Worte“ ist für ihn der wichtigste Rat des Tages. Er kommt von Barbara Erhard-Gessenharter, die für die BI Menschenwürde ans Mikrofon tritt. Sie warnt vor irreführenden Begriffen wie dem der „illegalen Migration“, der von vielen deutschen Politikern benutzt und in den Medien oft gedankenlos kolportiert werde.

Wie eine „Remigration“ in Auschwitz endete

llegal - das klinge gefährlich. Doch für die meisten Menschen in Not gäbe es gar keine Möglichkeit, legal einzureisen. Dieser Begriff diskreditiere Geflüchtete. Auch der Begriff „Remigration“ ist irreführend. Was er wirklich bedeutet, nämlich Deportation, erklärt der Musiker Harald Winter aus seiner persönlichen Familiengeschichte: „Die Remigration meiner Großtante Flora Neumann ging in Auschwitz zu Ende.“

Sorgen macht dieser Begriff auch der 71-jährigen Oksoon Leverkühne. Sie kam 1972 aus Korea nach Deutschland und hat bis zu ihrer Rente als Hebamme im Buxtehuder Krankenhaus einigen Tausend Kindern auf die Welt geholfen. Sonst gehe sie nicht demonstrieren, sagt sie: „Aber als ich von diesem Geheimtreffen und den Deportationsplänen gelesen habe, liefen mir die Tränen herunter. Welche Zukunft erwartet meine Kinder hier in Deutschland?“

Demonstranten singen zum Aufwärmen „Bella Ciao“

Zwischen den Redebeiträgen sorgt Harald Winter, unterstützt vom Internationalen Chor, dafür, dass den Demonstranten, die bei Minusgraden ausharren, warm wird. Warm ums Herz beim Mitsingen alter Partisanenlieder wie „Bella Ciao“ oder umgedichteter Volkslieder „gegen den braunen Sumpf“. Und warm an den Füßen beim Hüpfen und Stampfen.

Viele Demonstranten drücken ihre Haltung mit selbst gemachten Schildern aus.

Viele Demonstranten drücken ihre Haltung mit selbst gemachten Schildern aus. Foto: IsoluxX Fotografie

Viele verleihen ihrer Haltung mit lustigen und nachdenklichen Plakaten Ausdruck, meist Marke Eigenbau: „Menschenrechte statt rechte Menschen“, „Biete Nachhilfe in Geschichte“ oder „Hass ist krass, Liebe ist krasser“ ist darauf zu lesen. „Es kommt auf jeden Einzelnen an. Wir sollten uns nicht einfach auf die Politik, auf Vereine oder Verbände verlassen“, sagt Michael Brinkmann.

Der Buxtehuder, der dazu auf dem Podium eine flammende Rede hielt, ist Berufsschullehrer in Hamburg. Viele seiner Schüler hätten einen Migrationshintergund. Das präge seine Perspektive: „Ich habe da unfassbar liebenswerte Menschen vor Augen. Die Verallgemeinerung bei diesem Thema nervt mich extrem.“

Berufsschullehrer Michael Brinkmann am Mikrofon.

Berufsschullehrer Michael Brinkmann am Mikrofon. Foto: IsoluxX Fotografie

In der eigens eingerichteten, abgesperrten Familienzone neben dem Podium können Eltern mit kleinen Kindern entspannt an der Demo teilnehmen. Doch zwischen Geesttor und Fußgängerzone stehen die Menschen so dicht an dicht, dass kein Durchkommen ist.

Happy End für Demonstranten und Polizei

Antonio Morais, seine 17-jährige Tochter Emily und der 15-jährige Milo finden das großartig. Als die Demo dem Ende zugeht, strahlen die drei unter den Kohlestrichen, die sie sich ins Gesicht gemalt haben. „Ein Erkennungszeichen des Zentrums für politische Schönheit“, erklären sie.

Morais gehört zu den Unterstützern des ZPS, wie auch ihre T-Shirts zeigen. Im Wahlkampf 2021 erschlich sich das ZPS mit dem fiktiven „Flyerservice Hahn“ bei der AfD den Auftrag, fünf Millionen Flugblätter zu verteilen, ließ sie aber stattdessen schreddern. „Tolle Aktion“, sagt Antonio Morais.

Zufrieden zeigt sich am Ende auch Robert Schlimm von der Buxtehuder Polizei. Die größte Demo, die er bisher in Buxtehude erlebt habe, sei friedlich verlaufen: „Alles gut. Es waren ja auch keine Gruppen dabei, von denen eine Störung zu erwarten gewesen wäre.“

„Frauen sind schon immer aufgestanden, wenn es um Ungerechtigkeiten ging", sagt die Buxtehuder Gleichstellungsbeauftragte Gabi Schnackenberg (rechts), hier mit ihren Kolleginnen Hiltrud Gold und Elena Knoop.

„Frauen sind schon immer aufgestanden, wenn es um Ungerechtigkeiten ging", sagt die Buxtehuder Gleichstellungsbeauftragte Gabi Schnackenberg (rechts), hier mit ihren Kolleginnen Hiltrud Gold und Elena Knoop. Foto: Anping Richter

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