THelmster Sandkrug: Hier lebt die Dorfkneipe von einst weiter

Fast wie früher: Christine Klintworth und Reiner Klintworth, die nicht verheiratet oder verwandt sind, am Tresen der einstigen Helmster Gaststätte Sandkrug. Foto: Laudien
Früher tobte auf den Dörfern noch das Leben - etwa im legendären Sandkrug in Helmste. Auf der Geest lebt die gute alte Zeit wieder auf - mit echten Raritäten.
Helmste. „Ich freue mich jedes Mal, wenn ich zur Heimatstube komme“, sagt Christine Klintworth. Grund dafür sind die vielen Erinnerungen - auch an die eigene Familiengeschichte. Gleich am Eingang hängt das Schild vom Helmster Sandkrug, der ihrer Familie gehörte.
„Die Gaststätte war früher bekannt für seine Buchweizentorte“, schwärmt Klintworth, die Mitglied im Helmster Heimatverein ist. Legendär sei auch der Original Sandkrög zur Begrüßung: ein Korn mit einer Scheibe Mettwurst und einem Klecks Senf. Die Kneipe ist inzwischen Geschichte - das Inventar mit Tresen, Barhocker und Gläsern lebt in der Heimatstube weiter.

Christine Klintworth am Eingang der Heimatstube mit Erinnerungen an den Sandkrug. Foto: Laudien
Aus der Musikbox Marke Rock-Ola von 1962 erklingen fröhliche Schlager von Freddy Quinn bis zum Baby-Sitter-Blues von Ralf Bendix. Einer der ersten Fernseher aus den 1950er-Jahren, der früher in der Gaststätte Cordes stand, wurde ebenfalls gerettet.
„Bei Tante Elfriede durfte ich immer Fury gucken“, erinnert sich Reiner Klintworth, der nicht verheiratet oder verwandt mit Christine Klintworth ist, an seine Kindheit.

Retro-Charme: Spitzendeckchen, Aschenbecher und ein Telefon mit Wählscheibe. Foto: Laudien
Retro-Charme gleich daneben: ein grünes Wählscheibentelefon aus den 1970er-Jahren. Alte Stühle aus dem Helmster Eichenhof erinnern an vergangene Feste. „Fast 100 Jahre standen sie dort“, erzählt Reiner Klinworth. „Leider haben wir von der Helmster Vossklause keine Erinnerungsstücke, der Tresen war fest eingemauert“, bedauert der Helmster.

Erinnerungen an die Kneipenkultur: Christine Klintworth und Reiner Klintworth wählen an der Musikbox ihre früheren Lieblingshits. Foto: Laudien
Lebendiger Treffpunkt für Begegnungen
Klönen, Kartenspielen, Musikhören und in Erinnerungen schwelgen - in der Heimatstube lebt die Vergangenheit wieder auf. „Wir wollen unsere Heimatstube im Dörpshus nicht nur als Museum sehen, sondern als Treffpunkt der Begegnungen“, sagt Reiner Klintworth. Er ist seit 2003 Vorsitzender des Helmster Heimatvereins, der 2001 gegründet wurde, um alte Dinge aus dem Dorf zu sammeln. Vergangenes Jahr hatte er die Idee, im Dachgeschoss des sanierten Dorfgemeinschaftshauses in der Schulstraße 5 eine Heimatstube einzurichten. In zwei Jahren feiert der Verein sein 25-jähriges Bestehen.
An jedem dritten Sonntag im Monat können sich Bürgerinnen und Bürger sowie Gruppen von 14 bis 17 Uhr in der Heimatstube zum geselligen Nachmittag treffen. Nächste Gelegenheiten sind am 17. November und 15. Dezember. Reiner Klintworth gibt dann Erklärungen zu den vielen Erinnerungsstücken.

In der Heimatstube wird die Vergangenheit wieder lebendig. Foto: Laudien
Typischer Tante-Emma-Laden
Der Helmster hat eine ausgeprägte Sammelleidenschaft und als ehemaliger Einzelhändler schlägt sein Herz auch für die kleinen Lebensmittelläden, die es früher in Helmste gab. „Oma hatte einen Hökerladen mit Gemüse und Lebensmitteln, daraus wurde später Edeka. Damals gab es noch einen Spar-Laden und Meibohm.“
Reiner Klintworth hat einst bei Edeka gelernt. Später habe er in Stade das Hertie-Haus mit eingerichtet und nach 33 Jahren wieder abgeschlossen. Darüber hinaus arbeitete er an der Helmster Dorfchronik mit und ist als Experte der heimischen Musik-Szene der 1960er-Jahre gefragt.

Ein Tante-Emma-Laden wie es ihn früher oft gab. Foto: Laudien
In der Heimatstube wurde ein typischer Tante-Emma-Laden komplett eingerichtet. Von der Eistafel mit Eiswaffeln für 20 Pfennig über Waschmittel - sogar mit Original DDR-Plagiat - bis hin zu Keksdosen von Feinkost Wolters aus Stade, Kaugummi, Kaffee, Hygieneartikeln und vielen anderen Produkten aus der guten alten Zeit reicht das nostalgische Sortiment.

Das waren noch Zeiten, als das Eis nur wenige Pfennige kostete. Foto: Laudien
Über hundert Jahre alter Kühlschrank
Auch eine originalgetreu eingerichtete gute Stube bietet bei einem Rundgang durch das lebendige Museum ganz besondere Errungenschaften wie etwa einen Kühlschrank, der vor über hundert Jahren ohne Strom betrieben wurde. Die Kühlung erfolgte durch Eisblöcke. Das Laufgitter, der Kinderwagen von 1896 von Reiner Klintworths Uropa, eine Waschkommode statt Badezimmer und ein Aussteuerschrank geben Einblicke in das Familienleben in früheren Zeiten. Auch ein Klassenzimmer wurde in der Heimatstube eingerichtet. Schiefertafel und Schulbank wurden aus der alten Helmster Dorfschule gerettet.

Schiefertafel und Schulbank wurden aus der alten Helmster Dorfschule gerettet. Foto: Laudien
„Die Suche nach historischen Schätzen macht uns Spaß, um sie für die Nachwelt zu erhalten“, sagt Christine Klintworth. Dazu zählen unter anderem auch so erstaunliche Raritäten wie das Kästchen einer homöopathischen Hausapotheke von 1890, das die Helmsterin bei einem Nachlass ihrer Familie entdeckte. Manchmal seien echte Offenbarungen unter den Fundstücken, sagt sie. Dazu zählt auch der enorme Fundus mit Postkarten, Fotos und Briefen eines Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Feldbriefe mit dramatischen Schilderungen des Soldaten, der letztlich an der Front gefallen ist, gingen Klintworth besonders zu Herzen. „Es gibt eine völlig andere Sicht auf die Kriegsgeschehnisse und die vielen Opfer.“
In einem Lagerraum schlummern noch viele weitere historische Fundsachen, auch zur NS-Zeit, die zur lebendigen Geschichte für spätere Generationen beitragen können.

Reiner Klintworth zeigt das West- und das Ost-Waschmittel (rechts), das auch im DDR-Museum in Berlin zu finden ist. Foto: Laudien