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Mehrwertsteuererhöhung

TEin Jahr 19 Prozent: Wie geht es den Gastronomen aus dem Kreis Stade?

Grünkohl gehört zu den Klassikern im Winter. Hauptgerichte sind in den Restaurants der Region deutlich teurer geworden.

Grünkohl gehört zu den Klassikern im Winter. Hauptgerichte sind in den Restaurants der Region deutlich teurer geworden. Foto: Sina Schuldt/dpa/Symbolbild

Höhere Energie- und Personalkosten, dazu seit gut einem Jahr wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen: Das sind die Auswirkungen auf die Gastronomie im Landkreis Stade.

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Von Lena Stehr
Sonntag, 02.03.2025, 05:50 Uhr

Stade. Essen gehen wird immer teurer. Laut dem Statistischen Bundesamt sind die Preise in der Gastrobranche seit 2020 um durchschnittlich 30 Prozent angestiegen. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Speisen von sieben auf 19 Prozent Anfang 2024 machte sich ebenfalls im Geldbeutel von Restaurantbesuchern bemerkbar. Essen gehen kostete im Februar 2024 noch einmal fast 3,5 Prozent mehr als noch im Dezember 2023.

„Viele Gastwirte in der Region fahren auf Kante“

Die Branche prophezeite anlässlich der Mehrwertsteuererhöhung ein großes Gastro-Sterben. Tatsächlich haben laut dem Niedersächsischen Landesamt für Statistik von Januar bis November 2024 insgesamt 148 Unternehmen aus dem Gastgewerbe Insolvenz angemeldet - ein Plus von 38,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Der Landkreis Stade war davon bisher aber nicht betroffen, sagt Lutz Feldtmann, Vorsitzender des Dehoga-Kreisverbandes Stade und Inhaber vom Hotel und Restaurant Vier Linden in Stade. Dennoch sei die Lage schwierig.

„Aus dem Corona-Tal sind wir immer noch nicht wieder raus, viele von uns fahren auf Kante“, sagt Feldtmann. Unterm Strich bleibe meist nicht viel übrig. Die Reduzierung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent habe vielen Gastronomen seinerzeit die Luft zum Atmen gegeben, die sie dringend brauchten. Nur dadurch sei es gelungen, die explodierenden Kosten bei Energie, Lebensmitteln und Personal zumindest teilweise aufzufangen.

Mehr Wertschätzung für die Gastronomie gefordert

„Wenn die öffentlichen Wohnzimmer der Republik nicht verschwinden sollen, muss die Mehrwertsteuer wieder gesenkt werden, und zwar dauerhaft“, ergänzt Nathalie Rübsteck, Geschäftsführerin des Dehoga Bezirksverbands Stade. Sie und Feldtmann wünschen sich mehr Wertschätzung für das Gastrogewerbe.

In aktuell 23 EU-Staaten werde steuerlich kein Unterschied gemacht zwischen dem Essen aus dem Supermarkt, der Lieferung von Essen, dem Essen im Gehen, im Stehen und dem Essen im Restaurant. Das sollte auch in Deutschland so sein.

Die Mehrwertsteuer muss wieder gesenkt werden, fordern Lutz Feldtmann, Vorsitzender des Dehoga Kreisverbands Stade, und Nathalie Rübsteck, Geschäftsführerin des Dehoga Bezirksverbands Stade.

Die Mehrwertsteuer muss wieder gesenkt werden, fordern Lutz Feldtmann, Vorsitzender des Dehoga Kreisverbands Stade, und Nathalie Rübsteck, Geschäftsführerin des Dehoga Bezirksverbands Stade. Foto: Stehr

Als Reaktion auf die Mehrwertsteuererhöhung hätten viele Restaurants in der Region mehr Ruhetage eingeführt und ihre Preise nochmal angehoben. Die Preiserhöhung eins zu eins an die Kunden weiterzugeben, hätten sich aber die meisten gar nicht getraut - aus Angst, Gäste zu verlieren.

Auch llka Stüben von Hartlef´s Gasthof in Bützflethermoor hat im vergangenen Jahr die Preise erhöht, für 2025 sei eine weitere Erhöhung geplant. Das günstigste Menü kostet derzeit knapp 30 Euro. Die Gäste kämen unverändert gern zum Feiern auf den Saal, im vergangenen Jahr fanden etwa 200 Veranstaltungen im Haus statt - von der Taufe bis zur Trauerfeier. Dazu kämen noch Catering-Aufträge.

Die Auftragslage sei nicht das Problem. „Unser Hauptproblem ist, dass wir zu wenig Personal haben und kein neues bekommen, vor allem für die Küche“, beklagt Ilka Stüben. Viele Bewerber seien abgeschreckt, weil es keinen regulären Restaurantbetrieb gebe und sich die Arbeitszeiten deshalb schlecht planen lassen. Niemand wolle gern am Wochenende oder auch bis spät abends arbeiten. Es komme vor, dass sie potenziellen Kunden deshalb absagen müsse.

Fortbestehen von Viebrocks Gasthaus gesichert

Gastronom Klaus Cohrs von Viebrocks Gasthaus in Rutenbeck beschreibt ein zunächst verhaltenes Umsatzverhalten der Gäste, welches sich rückblickend relativiert habe. Die Umsätze seien nicht zurückgegangen. Die Preise auf Speisen habe er im Zuge der Mehrwertsteuererhöhung um sieben bis zehn Prozent erhöht. Fleischgerichte kosten hier im Schnitt um die 20 Euro.

Martina und Klaus Cohrs von Viebrocks Gasthaus.

Martina und Klaus Cohrs von Viebrocks Gasthaus. Foto: Cohrs

„Seit dem Ende der Corona-Pandemie haben wir unsere Preise kontinuierlich erhöht, so wie alle anderen Gastronomen auch“, sagt Cohrs. Es sei ja kein Geheimnis, dass die Preise in der Gastronomie im Vergleich zu 2019 um 25 bis 35 Prozent (je nach Standort und Ausrichtung) gestiegen seien. In die Zukunft blickt Cohrs positiv: Er habe treue Gäste, ein tolles Team und zudem mit Sohn Lukas einen Nachfolger in der Familie gefunden, der das Gasthaus in vierter Generation weiterführen möchte.

„Können Kosten nicht eins zu eins weitergeben“

Mojtaba Abadi, Geschäftsführer vom Restaurant Amadeus in Buxtehude, beklagt dagegen einen Umsatzrückgang von 25 bis 30 Prozent in 2024. „So langsam bricht uns die Lage das Genick, wir sind nur am Arbeiten und der Staat kassiert, es macht keinen Spaß mehr“, sagt er. Die Preise habe er minimal erhöht. Eine mittelgroße Pizza kostet hier um die 13 Euro, Fleischgerichte im Schnitt circa 18 Euro. Es falle zudem auf, dass oft nicht mehr alle Tische besetzt sind, vor allem mittags kämen deutlich weniger Senioren zum Essen, sagt Abadi.

Mojtaba Abadi vom Amadeus in Buxtehude.

Mojtaba Abadi vom Amadeus in Buxtehude. Foto: Richter

Mo Karami betreibt seit gut drei Jahren das Restaurant Memories in Stade und beklagt wie alle seine Kollegen die gestiegenen Energie- und Personalkosten sowie die Lebensmittelpreise. „Als ob das nicht genug wäre, kommt auch noch die Mehrwertsteuererhöhung hinzu“, sagt er.

Es sei nahezu unmöglich, gute Qualität zu bieten und gleichzeitig günstige Preise zu halten. Bisher habe er seine Preise aber nur einmal - Mitte 2024 - minimal erhöht und sei dankbar für das Verständnis der Gäste.

„Wir können die zusätzlichen Kosten aber nicht eins zu eins an die Gäste weitergeben, da sonst die Gefahr besteht, dass weniger Menschen uns besuchen. Wir sind gezwungen, einen Teil der Kosten selbst zu tragen“, sagt Karami. Burger mit Beilage kosten im Memories um die 17 Euro, Pizzen durchschnittlich 14 Euro. Der Gastronom hofft, dass die Mehrwertsteuer auf Speisen wieder gesenkt wird. Sollte das nicht passieren, prophezeit Karami eine Fortsetzung des Restaurantsterbens.

Robert Seir vom Hollerner Hof im Alten Land hat Mitte 2024 seine Preise um zwölf Prozent angehoben. Hauptgerichte kosten bei ihm zwischen 9,50 (Currywurst) und 29,50 Euro (Rumpsteak). Wie viele seiner Kollegen sieht er das Problem nicht nur bei der Mehrwertsteuer.

Robert Seir vom Hollerner Hof.

Robert Seir vom Hollerner Hof. Foto: Richter

Abgesehen von den zu hohen Nebenkosten könne jeder Ungelernte in Deutschland ein Restaurant eröffnen, das gehe in seinem Heimatland Österreich zum Beispiel nicht so einfach. Insgesamt blickt er optimistisch in die Zukunft, geht aber auch davon aus, dass in 2025 noch mehr Menschen ihr Geld lieber für andere Dinge ausgeben, als für einen Restaurantbesuch.

Anhebung der Mehrwertsteuer „eine Katastrophe“

Für Christian Kutz-Kromnow vom Abthaus in Buxtehude sei die Anhebung der Mehrwertsteuer eine Katastrophe gewesen. Obwohl der gelernte Koch, der sein Restaurant seit fast 20 Jahren betreibt, seinen Job liebe, habe er ans Aufhören gedacht.

„Bis Juni habe ich nur etwa 1.000 Euro brutto im Monat verdient. Weil ich die Kosten nicht an meine Gäste weitergegeben hatte, das ging auf Dauer so natürlich nicht weiter“, sagt der Gastronom. Laut seiner Rechnung hätte er seine Gerichte um 25 Prozent teurer machen müssen, um auch die gestiegenen Lebensmittelpreise sowie die Energie- und Personalkosten aufzufangen. Weil er das nicht wollte, habe er seinen Betrieb umgestellt.

„Ich habe statt fünf nur noch vier Tage die Woche auf, die Speisekarte etwas ausgedünnt und Personal entlassen, unter anderem meinen Koch“, sagt Kutz-Kromnow, der nun allein hinterm Herd steht. Außerdem habe er seine Preise um etwa zehn Prozent erhöht, Hauptgerichte kosten bei ihm im Schnitt um die 30 Euro.

Christian Kutz-Kromnow vom Abthaus in Buxtehude.

Christian Kutz-Kromnow vom Abthaus in Buxtehude. Foto: Battmer

Die Zahl der Gäste sei insgesamt zwar nicht zurückgegangen. Dafür kämen viele nicht mehr so häufig wie vorher. Andere bestellen statt eines kompletten Menüs und einer Flasche Wein oft weniger Essen und trinken nur noch ein Glas Wein, sagt Kutz-Kromnow. Wirklich optimistisch blicke er nicht in die Zukunft. „Ich bin enttäuscht von der Regierung und hoffe, dass die Mehrwertsteuer wieder sinkt, und auch die bürokratischen Vorgaben abgebaut werden“, sagt er.

Seit gut einem Jahr gilt wieder eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf Speisen.

Seit gut einem Jahr gilt wieder eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf Speisen. Foto: Sina Schuldt/dpa

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