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Verkehr

TElbfähre Wischhafen-Glückstadt: Schlechte Nachrichten aus Hannover

Die Elbfähre kämpft sich durch den Schlick.

Die Elbfähre kämpft sich durch den Schlick. Foto: FRS

Die Verkehrssituation vor dem Fähranleger in Wischhafen ist mitunter unzumutbar. Damit die Abwicklung schneller geht, hat der Betreiber einen Plan - und erleidet einen Rückschlag.

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Von Susanne Helfferich
Freitag, 06.12.2024, 15:00 Uhr

Wischhafen. Die Stader Landtagsabgeordnete Melanie Reinecke (CDU) hatte Mitte Oktober an die Niedersächsische Staatskanzlei eine Kleine Anfrage zur Zukunft der Elbfähre Glückstadt-Wischhafen gestellt. Nun erhielt sie aus dem Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung eine Antwort, die die Menschen vor Ort in Aufregung versetzt.

Im April dieses Jahres sei bei einer Videokonferenz mit der Geschäftsführung mit der in Flensburg beheimateten Reederei FRS (Förde Reederei Seetouristik), die die Linien betreibt, festgehalten worden, dass eine Verlegung des Fähranlegers für das Land weder rechtlich umsetzbar noch wirtschaftlich vertretbar ist, heißt es in der Antwort aus dem Wirtschaftsministerium. Dem Elbtunnel bei Drochtersen werde höchste Priorität eingeräumt.

Fährbetreiber: Für uns war das keine Absage

Das sorgt bei der FRS für Verwunderung: Deren Geschäftsführer Tim Kunstmann hatte mit seinem Rechtsbeistand an besagter Videokonferenz teilgenommen. Beide haben eine ganz andere Erinnerung. Lies habe durchaus Interesse an den Plänen der Fähre gezeigt, aber die Herausforderung bei der Realisierung gesehen.

„Uns war nicht klar ersichtlich, dass das eine Absage und die Beendigung der Gespräche war“, so Kunstmann, „wir hatten angenommen, dass die Pläne nun intensiver auf einer Arbeitsebene gemeinsam mit dem Kieler Wirtschaftsministerium geprüft würden.“

Gerade im Sommer ist die Fähre sehr beliebt. Für Trecker und Gefahrguttransporte ist sie die einzige Möglichkeit, nach Schleswig-Holstein zu kommen.

Gerade im Sommer ist die Fähre sehr beliebt. Für Trecker und Gefahrguttransporte ist sie die einzige Möglichkeit, nach Schleswig-Holstein zu kommen. Foto: Susanne Helfferich

Die Reederei hätte erwartet, dass die Landesregierung sie bei den Plänen aktiv unterstützt, indem sie die Planung vorantreibe und Geld in die Hand nehme. Seitens der Reederei sei vorgeschlagen worden, dass die Niedersachsen Ports (NPorts) - eine Gesellschaft des Landes Niedersachsen - die Verlegung des Anlegers realisiert, das Land sie finanziert und FRS den Anleger nutzt und dafür Nutzungsgebühren zahlt. Auch sei eine Bürgschaft als finanzielle Absicherung der Fähren im Gespräch gewesen. Das ist die wirtschaftliche Seite.

Ohne Planungssicherheit wird nicht investiert

Warum das Projekt rechtlich nicht umsetzbar sein soll, ist aus der Antwort der Landesregierung nicht ersichtlich. Kunstmann geht davon aus, dass der naturschutzrechtliche Aspekt gemeint ist. Aber da habe er keine Bedenken. FRS habe ein professionelles Wasserbauunternehmen beauftragt, um diesen Punkt zu überprüfen. Danach ließen sich die Pläne im Einklang mit der Natur realisieren. Auch vom BUND seien positive Signale gekommen; ebenso aus dem schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministerium, so Kunstmann.

Der FRS-Geschäftsführer sagt, er habe bis heute von der Landesregierung keine Absage erhalten. „Ohne Planungssicherheit kann ich nicht investieren, da sind mir die Hände gebunden.“ Die älteste Fähre ist 65, die jüngste 35 Jahre alt. Kunstmann sagt: „Wir werden sanieren und reparieren, so gut es geht, und so lange wie möglich weiterfahren.“

Lange (SPD): Absage von Lies war klar formuliert worden

Die SPD-Landtagsabgeordnete Corinna Lange hat ebenfalls an besagter Videokonferenz im April teilgenommen. Für sie sei die Absage ihres Parteifreundes Wirtschaftsminister Olaf Lies klar formuliert worden. Grundsätzlich könne über eine Bürgschaft nachgedacht werden, aber da sei das schleswig-holsteinische Wirtschaftsministerium für die Fähre Ansprechpartner, da der Geschäftssitz der Reederei in Flensburg und damit in Schleswig-Holstein liege. Außerdem sei wegen des Naturschutzgebietes mit Klagen zu rechnen. Zu den kilometerlangen Staus vor der Fähre sagt sie: „Die Probleme vor Ort zeigen doch, wie dringend wir eine feste Elbquerung benötigen.“

Zur Bürgschaft sagt der Rechtsanwalt der FRS, eine Landesbürgschaft erfordere ein Landesinteresse - hier der Fährverkehr zwischen Niedersachsen und Schleswig-Holstein - und eine Betriebsstätte im Land. Diese Bedingungen erfüllt die Reederei.

Nicht nur mit Schlick, sondern auch mit Hochwasser hat die Fähre zu kämpfen. So auch Weihnachten 2023.

Nicht nur mit Schlick, sondern auch mit Hochwasser hat die Fähre zu kämpfen. So auch Weihnachten 2023. Foto: Thomas Sulzyc

Bürgermeisterin Hatecke ist über Absage fassungslos

Die Nordkehdinger Samtgemeindebürgermeisterin und Wischhafener Gemeindedirektorin Erika Hatecke ist fassungslos ob dieser Neuigkeiten: „Wir müssen die Verkehrssituation in Wischhafen lösen. Dort staut sich der Verkehr bis in den Ort hinein. Das ist unzumutbar.“ Mit Verlegung des Anlegers von der Süderelbe direkt an die Elbe könnten laut FRS die Kapazitäten um 600 Prozent gesteigert werden, was die Situation in Wischhafen deutlich entspannen würde.

Über die Priorisierung des A-20-Tunnels kann Hatecke, die selbst lange an dem Tunnel festgehalten hatte, nur lachen. Sie spricht aus, was viele in Nordkehdingen denken: „Seien wir doch mal realistisch: Der Tunnel wird nicht mehr kommen. Wir setzen auf die Fähre.“

Aber selbst wenn es einen Tunnel im Zuge der A20 gäbe: Viele Landwirte aus Nordkehdingen haben Ländereien auf der anderen Seite. Für sie wäre ein Autobahntunnel gesperrt, ebenso für Gefahrguttransporte. „Es muss eine Lösung für die Fähre gefunden werden“, fordert Hatecke. Hinter diesen deutlichen Worten steht womöglich auch die Furcht, dass sich die FRS aus dem Fährbetrieb zurückziehen könnte.

Reinecke wundert sich: „Das ist bemerkenswert: Im April wurde festgestellt, dass die Verlegung des Fähranlegers nicht umsetzbar ist, aber keiner weiß davon. Da hätten doch zumindest der Betreiber und die betroffene Kommune vor Ort informiert werden müssen.“

Die Landtagsabgeordnete geht - auch aufgrund des TAGEBLATT-Berichts zur A20 von Mittwoch - davon aus, dass sich beim A-20-Tunnel vorerst nichts tun wird. Für sie habe nie zur Debatte gestanden, entweder Fähre oder Tunnel. „Ich will die A20, unbedingt“, sagt Reinecke, „aber sie wird in den nächsten 15 bis 20 Jahren nicht fertiggestellt.“ Auch dann werde die Fähre benötigt. „Wenn hier stundenlang Trecker und Lkw stillstehen, ist das ein enormer Wirtschaftsverlust.“

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