TEntführung der „Landshut“: Ehemaliger Co-Pilot aus der Region hält Erinnerung wach

Dieses Foto, bei dem Co-Pilot Jürgen Vietor der am Bein verletzten Stewardess Gabi Dillmann am 18. Oktober 1977 in Frankfurt bei der Rückkehr der befreiten Geiseln aus dem Flugzeug half, ging um die Welt. Foto: Heinz Wieseler
Das Entführungsdrama um die „Landshut“ hat den Co-Piloten Jürgen Vietor weltweit bekannt gemacht. Mit an Bord waren im Jahr 1977 auch drei Menschen auf dem Kreis Stade.
Landkreis Cuxhaven. Er hat die entführte Lufthansa-Maschine „Landshut“ auf der letzten Etappe des Irrflugs alleine nach Mogadischu gesteuert. Hinten im Flugzeug wusste Pilot Jürgen Vietor die Leiche seines Flugkapitäns Jürgen Schumann, erschossen vor aller Augen im Gang der Boeing 737.
Mehrfach war er zuvor selbst mit dem Tod bedroht worden. Hat ihm in dieser Ausnahmesituation die militärische und fliegerische Erfahrung aus seiner Zeit beim MFG 3 in Nordholz geholfen? Das haben wir den heute 81-Jährigen gefragt.
Pilotenkarriere von Jürgen Vietor begann beim MFG3 in Nordholz
Von 1968 bis 1973 flog Jürgen Vietor in Nordholz die Breguet Atlantic. „Sie war damals ein tolles Flugzeug“, erzählt er. Die darin verbauten Analog-Computer seien schon „eine Besonderheit“ gewesen, die Navigation hingegen habe die Crew reichlich beschäftigt. „Die Fliegerei mit der Breguet Atlantic war sehr herausfordernd.“
Dabei hatte Vietors Offizierslaufbahn eigentlich auf See begonnen. Er wäre als Elektromechaniker wohl eines Tages auf einem Schiff beschäftigt gewesen. Wenn da nicht der Schnuppertag beim MFG 1 mit einem Flug in einer Do 27 gewesen wäre: „Ich war so begeistert, dass ich direkt ein Gesuch zur Übernahme in die Fliegerei geschrieben habe.“
Die fliegerische Grundausbildung absolvierte er 1966 im militärischen Zweig der Verkehrsfliegerschule der Lufthansa in Bremen. 1968 kam er zum Marinefliegergeschwader 3 in Nordholz, wo er bis 1973 blieb. Dann stellte sich für ihn die Frage: Fliegen oder Fortsetzung der militärischen Karriere?

Jürgen Vietor als Lufthansa-Kapitän. Foto: Privat
Leidenschaft fürs Fliegen zieht Vietor zur Lufthansa
„Ich war ein guter Soldat, die Marine hätte mich gern behalten“, sinniert Jürgen Vietor. Aber das hätte eine drastische Einschränkung der Fliegerei bedeutet. So zog er nach bestandener Prüfung und dem Umschulungslehrgang bei der Lufthansa nach Hessen und stieg ab 1974 regelmäßig ins Cockpit seiner geliebten Boeing 737: „Während die Breguet Atlantic bis zu 20 Stunden in der Luft bleiben konnte, konnte ich in acht Stunden auf der Kurzstrecke fünfmal landen und starten“, verrät er verschmitzt.
Urlaubsflug von Mallorca nach Frankfurt wird zum Martyrium
Ein unbeschwerter Urlaubsflug war auch zu erwarten, als am 13. Oktober 1977 in Palma de Mallorca 86 Passagiere und fünf Besatzungsmitglieder die Lufthansa-Maschine „Landshut“ betraten.
Doch statt des Hüpfers nach Frankfurt kam es zu einer fünftägigen Odyssee, die erst am 18. Oktober 1977 mit der Stürmung der Maschine durch die GSG 9 in Mogadischu endete. Das Foto, auf dem Jürgen Vietor bei der Rückkehr seiner verletzten Kollegin, Stewardess Gabriele Dillmann, die Treppe herunterhalf, ging um die Welt.
An Bord als Passagiere dabei: Der mittlerweile verstorbene Rhett Waida (29), sein dreijähriger Sohn Steffen und der Altländer Pädagoge Hartwig Faby (27).
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Psychische und körperliche Qualen erlitten
Oft hat er später von den unfassbaren psychischen und körperlichen Qualen dieses Irrflugs berichtet und immer wieder die Frage gehört: „Meinen Sie, das hätte ein anderer auch geschafft?“ Seine Ansicht dazu: „Menschen wachsen an ihren Aufgaben.“
Die Frage nach der militärischen und fliegerischen Vorgeschichte in Nordholz macht ihn trotzdem nachdenklich: „Meine Erfahrungen waren sicherlich sehr hilfreich. Er verweist auf das Wappen des Geschwaders: „Treue, Mut, Bereitschaft, Zuverlässigkeit und Ausdauer“ steht dort. Für Vietor waren das keine leeren Worte, auch nicht, als er die „Landshut“ über unbekanntes Terrain steuerte, neben sich den brüllenden und mit Waffen herumfuchtelnden Anführer der Terroristen, der unbedingt „Captain“ genannt werden wollte.

Als 2010 die Breguet Atlantic außer Dienst gestellt wurde,nahm auch Jürgen Vietor an den Feierlichkeiten des MFG3 in Nordholz teil. Foto: Privat
Vietor fliegt auch nach der Entführung wieder die „Landshut“
Nur Wochen später, nach einigen Flügen mit einem Ausbildungs- und Checkkapitän, ist er am 29. Dezember 1977 wieder als Co-Pilot eingestiegen – direkt die rund-überholte „Landshut“. „Das war kein Zufall, sondern die letzte Prüfung“, ist er sich sicher. Bis zu seiner Pensionierung 1999 hat er rund 12.000 Flugstunden erflogen. Bei der Beförderung zum Flugkapitän gab es keine Extrawurst: 1991 ging er ins Kapitänstraining. Ab 1993 flog er ab Hamburg und wohnt bis heute im nahen Quickborn.