TErfindung aus Buxtehude: Klimaschutz unter den Füßen

Gracewood-Inhaber Matthias Gogolin an der Maschine, die Holzklötzchen zu einem Parkett zusammenfügt. Foto: Sulzyc
Das Unternehmen Gracewood hat kleine CO2-Speicher aus Holz entwickelt. Daraus produziert es in Buxtehude Parkettböden und Fliesen. Wie die nachhaltige Erfindung die Holzwirtschaft revolutionieren könnte - und wie die Buxtehuder einen Weltrekord aufstellen wollen.
Buxtehude. Gemessen daran, dass das Unternehmen Gracewood nicht weniger als eine Revolution in der Holzwirtschaft lostreten möchte, sieht es für den Laien in der 600 Quadratmeter großen Produktionshalle erstaunlich unscheinbar aus. Doch Holzklötzchen, die es in Sachen Nachhaltigkeit in sich haben, bergen das Potenzial zu kleinen Klimarettern in sich.
In einem Gewerbegebiet in Buxtehude will der Firmenchef und Maschinenbauingenieur Matthias Gogolin (43) zwei Probleme zu einer Lösung vereinen: Er will heimisches Holz, das Holzverarbeiter bisher aussortieren, zu einem Baustoff für kohlendioxidspeichernden Parkettboden verarbeiten.
„Wir verarbeiten Holz, das keiner verarbeitet“
Der dicke Ast eines Birnenbaums. Für die Holzindustrie wäre er bestenfalls Brennholz. Matthias Gogolin dagegen fertigt daraus einen Baustoff, aus dem Parkettböden oder Fliesen entstehen. „Wir verarbeiten Holz, das keiner verarbeiten kann“, sagt er. Dazu haben er und seine zwei Mitarbeiter, beide Maschinenbauingenieure, teilweise eigene Maschinen wie zum Beispiel eine Spezialsäge entwickelt.
Der Trick dabei: Gracewood produziert aus dünnen Stämmen oder Ästen, aus krummen oder mit Astlöchern versehenen Hölzern kleine exakt normierte Holzklötze: jeweils zwei Zentimeter lang und breit, fünf Millimeter dick. Auf eine Trägerplatte geleimt, entstehen daraus Parkett, Holzwandpaneele für die Küche oder auch Fliesen. Nach einer bestimmten Methode zusammengefügt, bildeten die Normklötze ein Parkett, das ein Leben lang hält, behauptet Matthias Gogolin. Die Holzplättchen würden zu einem Boden gehäkelt.
Holzwirtschaft lässt 60 Prozent eines Baumes übrig
Die Idee der winzigen Baustoffe sei der Holzwirtschaft bisher fremd. Stattdessen schneide die Industrie Filetstücke aus Baumstämmen. „60 Prozent eines Baumes bleiben übrig. Gracewood nimmt diese Reste“, sagt Matthias Gogolin. Nur jeder zehnte Baum sei gerade gewachsen, so dass die Holzwirtschaft ihn verwenden kann. Das mache einen Masseneinschlag in den Wäldern notwendig. Diese Verschwendung des kostbaren Holzes ärgert ihn.
Nachhaltiges Wirtschaften treibt Matthias Gogolin an. Der 43-Jährige stammt aus Cuxhaven, lebt in Hamburg-Hausbruch, ist verheiratet, hat drei Kinder, 5, 11 und 14. Er sei ein naturverbundener Mensch, sagt er. Bereits im Alter von elf Jahren habe er gewusst, dass er Maschinenbauer werden möchte. Nach seinem Studium an der Technischen Universität in Hamburg-Harburg entwickelte Matthias Gogolin die Klimatechnik auf Kreuzfahrtschiffen. „Mein Ziel war, Kreuzfahrtschiffe energiefreundlicher fahren zu lassen.“
Die Parkettbauteile speichern Kohlendioxid
Als Unternehmensgründer will Matthias Gogolin die Holzwirtschaft verändern. Mit Parkett lasse sich Klimaschutz unter den Füßen betreiben. Jedes von Gracewood produzierte Holzplättchen speichere 2,5 Gramm klimaschädliches Kohlendioxid. Pro Quadratmeter seien das 6,25 Kilo. 18 Prozent der Fußbodengestaltung auf dem deutschen Markt seien Parkett, sagt der Unternehmer. Da käme eine Menge gespeichertes Treibhausgas zusammen.

Jedes genormte Klötzchen aus der Parkettproduktion speichert jeweils 2,5 Gramm Kohlendioxid. Foto: Sulzyc
Seit Februar 2021 hat Gracewood in Buxtehude die Produktionsstätte bezogen. Noch hat die Herstellung den Charakter einer Manufaktur. Monatlich stellt das Unternehmen 200 Quadratmeter Parkett her. Bislang ist Gracewood also ein Pilotprojekt, das beweisen will, dass Baustoffe aus Holz nachhaltiger produziert werden können als bisher.
Diesen Beweis sieht Matthias Gogolin mittlerweile als erbracht an. In der Klötzchenfertigung sei es gelungen, trotz der kurzen Werkstücke die nötige Präzision zu erzielen. „Seit April können wir kalkulierbare Mengen in reproduzierbarer Qualität herstellen“, sagt der Firmenchef.
Gracewood plant Weltrekordversuch
Um die Öffentlichkeit auf seine Kohlendioxidspeicher aus Holz aufmerksam zu machen, plant Matthias Gogolin einen spektakulären Weltrekordversuch: Aus seinen normierten Holzplättchen soll ein 112 Meter langes und 3,6 Meter breites Bild entstehen. Exakt 1.008.000 Plättchen werden darin zusammengefügt.
Die Idee ist, das gewaltige Mosaikbild über eine Crowdfunding-Kampagne (Gruppenfinanzierung im Internet durch viele Geldgeber) zu finanzieren. Unterstützer würden pro Plättchen einen Euro zahlen - und damit dem Start-up Gracewood zu Kapital verhelfen.