TErkrankte 64-Jährige verzweifelt an Behörde - Sozialverband Stade hilft

Astrid von der Fecht (links) ist als Juristin hauptamtlich für den Sozialverband tätig, Uschi und Hilmar Reinke engagieren sich ehrenamtlich im SoVD. Foto: Stehr
Krankheit oder Pflegebedürftigkeit kann jeden treffen. Betroffene bekommen aber nicht immer die Unterstützung, die ihnen zusteht. Hier kommt der Sozialverband ins Spiel.
Stade. Doris Schröder ist mit 64 Jahren noch berufstätig und reist viel. Im Dänemarkurlaub mit ihrem Mann Kurt knicken ihr plötzlich die Beine weg und sie stürzt. Bald darauf kann sie nicht mehr eigenständig stehen oder gehen, ist auf Hilfe angewiesen. Sie leidet unter einer Erkrankung des Nervensystems, die für sie und ihren Mann aus heiterem Himmel kommt.
Sozialverband kümmert sich jährlich um bis zu 1000 Fälle
Damit Doris Schröder mit einem Liegendtransport zum Arzt gefahren werden und ihr Mann mit ihr auf Behindertenparkplätzen parken kann, braucht Doris Schröder das Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) im Schwerbehindertenausweis. Doch das Niedersächsische Sozialamt verweigert das Merkzeichen. Das Ehepaar ist verzweifelt, fühlt sich hilflos.
Jetzt kommt der Sozialverband Deutschland (SoVD) ins Spiel. Kurt Schröder ist Mitglied und wendet sich an das Sozialberatungszentrum in Stade. Drei Juristinnen und zwei Sozialberater kümmern sich hier jedes Jahr um bis zu 1000 Fälle wie den der Schröders und vertreten ihre Mandanten auch vor Gericht. Abgedeckt werden alle Themen rund um Rente, Pflege, Behinderung, Bürgergeld und Arbeitsunfähigkeit.
„Besorgniserregende Situation“
Unterstützung für jugendliche Pfleger gefordert
Menschen mit Behinderung
Schwerbehinderte sind Potenzial gegen Fachkräftemangel
„Wir sind wie eine Rechtsanwaltskanzlei für unsere Mitglieder“, sagt Astrid von der Fecht. Die Juristin leitet das Sozialberatungszentrum in Stade. Eine Mitgliedschaft kostet um die 100 Euro im Jahr, für eine Klage in erster Instanz werden 80 Euro fällig, für einen Widerspruch 50 Euro. Jedes Jahr erstreitet der Kreisverband Stade des SoVD etwa eine Million Euro vor Gericht für seine Mitglieder.
Zu den Betroffenen zählen alle Altersklassen. Vom Jugendlichen mit Beeinträchtigung, dem mit seinem 18. Geburtstag plötzlich ein wichtiges Merkzeichen im Behindertenausweis gestrichen wird, bis zum pflegebedürftigen älteren Menschen, der nicht die finanzielle Hilfe erhält, die ihm zusteht. „Mittlerweile vertreten wir auch immer mehr Postcovid-Patienten, die teilweise jünger als 30 Jahre alt sind“, sagt Astrid von der Fecht.
Kostenlose Beratungen rund um Rente und Pflegebedürftigkeit
Der SoVD berät und hilft auch beim Ausfüllen des Rentenantrags. Diese Ausgeburt an Bürokratie bringe viele an ihre Grenzen, so von der Fecht. Pro Woche werden zehn bis 20 Beratungen in Stade durchgeführt. Einen kostenlosen Beratungstermin vereinbaren kann jeder, egal, ob Mitglied oder nicht. Nach dem Gespräch wird gemeinsam entschieden, wie es weitergehen soll.
Beratungen, die keinen juristischen Hintergrund haben, bietet der Kreisverband auch auf ehrenamtlicher Ebene an. Insgesamt sind um die 140 Ehrenamtliche in 14 SoVD-Ortsverbänden im Landkreis Stade engagiert. Eine von ihnen ist Uschi Reinke, stellvertretende Kreisverbandsvorsitzende und Vorsitzende des Ortsverbands Buxtehude. Fünf bis sechs Anrufe bekomme sie im Schnitt pro Woche. „Viele kommen mit einem ganzen Wust an Problemen zu uns, sind finanziell in Not und mit der Pflege von Angehörigen überfordert“, berichtet sie. Denen werde erst einmal Mut gemacht.

Juristin Astrid von der Fecht (rechts) leitet das Sozialberatungszentrum in Stade. Hilmar und Uschi Reinke engagieren sich schon lange ehrenamtlich im Kreisvorstand des Sozialverbands. Foto: Stehr
Die meisten Menschen wüssten gar nicht, was ihnen zusteht oder trauten sich nicht, Unterstützung einzufordern. Auf Wunsch sind die Ehrenamtlichen vom SoVD auch beim Gespräch zur Einschätzung der Pflegebedürftigkeit durch den Medizinischen Dienst dabei, sagt Uschi Reinke. Als Vorbereitung dafür bietet der SoVD zudem ein Pflegetagebuch an.
„Es gibt immer mehr Menschen, die unter der Inflation leiden, die vereinsamen und hilflos sind“, sagt Uschi Reinke. In vielen Familien würden sich stille Dramen abspielen, es gebe viel verstecktes Elend. Darauf hinzuweisen und auch Einfluss auf die Politik für mehr soziale Gerechtigkeit zu nehmen, ist ein Hauptanliegen des SoVD.
Pflegeversicherung
Knapp 3.000 Euro für einen Heimplatz - Eigenanteile steigen
Behandlungsfehler
T Vom Arzt falsch behandelt? Was Sie jetzt unbedingt beachten müssen
So macht sich der Sozialverband in Niedersachsen unter anderem für eine Entlastung von Pflegeheimbewohnern stark. Wenn das Land wieder die Investitionskosten übernehme, würde das eine Entlastung von 516 Euro im Monat bedeuten. Derzeit müssten Bewohner in Pflegeheimen mehr als 2.600 Euro monatlich selbst dazu bezahlen. Das könne sich kaum jemand leisten.
Im Fall von Doris Schröder hatte der SoVD Erfolg. Der Frau wird rückwirkend die höchste Stufe der Schwerbehinderung inklusive der für sie wichtigen Merkzeichen anerkannt. Der Sachverhalt soll allerdings bald erneut überprüft werden. „Sollte es wieder Probleme geben, kämpfen wir weiter“, sagt Juristin Claudia Clostermann aus Stade.
Zwei Sozialverbände für Deutschland
Der SoVD hat bundesweit circa 600.000 Mitglieder. Deutschlands größter Sozialverband mit mehr als 2,3 Millionen Mitgliedern ist der Sozialverband VdK. Er hat in Niedersachsen und Bremen mehr als 110.000 Mitglieder, zum VdK-Kreisverband Stade gehören 5000 Menschen. Im Vergleich dazu ist der SoVD mit mehr als 280.000 Mitgliedern in Niedersachsen stärker aufgestellt. Der SoVD-Kreisverband Stade hat gut 5800 Mitglieder. Mitgliedsbeiträge und Leistungen beider Sozialverbände sind ähnlich.

Astrid von der Fecht (links) ist als Juristin hauptamtlich für den Sozialverband tätig, Uschi und Hilmar Reinke engagieren sich ehrenamtlich im SoVD. Foto: Stehr
Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.