TFemizid in Horneburg: Staatsanwaltschaft spricht von Mord

Am Stader Landgericht wurde der dritte Prozesstag um den Femizid von Horneburg verhandelt. Foto: Oliver Berg/dpa (Symbolbild)
Im Prozess um den Femizid von Horneburg geht es jetzt sogar um Mord. Welche Haftstrafe Staatsanwaltschaft und Nebenklage fordern und wie der psychiatrische Gutachter den Angeklagten einschätzt.
Stade/Horneburg. Zu Beginn des dritten Prozesstages ließ der Vorsitzende Richter Marc Sebastian Hase einen rechtlichen Hinweis verteilen. Demnach sei vor dem Stader Landgericht inzwischen auch eine Verurteilung wegen Mordes denkbar. In der Anklageschrift war bislang von Totschlag die Rede. Hintergrund: Der 43-jährige Angeklagte könnte heimtückisch gehandelt haben, falls er seine Frau überraschend auf dem Sofa angegriffen haben sollte. Ein Moment, in dem sie womöglich nicht um ihr Leben fürchtete.
„Exzessive Alkoholprobleme“ nach Wehrdienst
Am 19. September 2023 war es in der Moorstraße in Horneburg zu den tödlichen Messerstichen gekommen. Der psychiatrische Gutachter, Dr. Harald Schmidt, schilderte am Dienstag vor Gericht seine Eindrücke vom Angeklagten und von dessen Zustand. Das Geständnis decke sich zudem weitestgehend mit den Ausführungen ihm gegenüber, sagte der Gutachter.

Nachbarn entzündeten vor der Wohnung in Horneburg zwei Kerzen für die Tote. Foto: Vasel (Archiv)
Nach dem Wehrdienst in Polen begannen demnach „exzessive Alkoholprobleme“, die unter anderem dafür sorgten, dass seine erste Ehe in die Brüche ging. Mehrere Versuche einer Therapie seien erfolglos geblieben.
2017 heiratete er seine zweite Frau, das spätere Opfer. Der Ehemann habe seine Frau dominiert und kontrolliert, so Gutachter Schmidt. Der Mann bestand darauf, dass sie beim gleichen Arbeitgeber in der gleichen Schicht arbeiteten. Zudem verfügte er über ihr Geld.
Frau verlässt ihren Mann, als dieser in Polen ist
Es gab immer wieder Streit um die Finanzen - und seinen Alkoholkonsum. Ende August 2023 trennte sich die Frau schließlich von ihrem Mann, als dieser in seiner Heimat Polen war. „Völlig überrascht“ sei er davon gewesen.
Am Morgen des Tattages holte die Frau in der Wohnung eine Krankschreibung ab. Danach trank der Angeklagte zwei bis drei Flaschen Wodka, angeblich unwissend, dass seine Noch-Ehefrau gegen Mittag zurückkehren würde.
Es sei zum Streit mit gegenseitigem Schubsen und Schlägen gekommen, erklärte der Angeklagte dem Gutachter. Die Frau soll ihren Mann als Alkoholiker bezeichnet haben. Der sei daraufhin durchgedreht, habe ein Messer aus der Küche geholt und auf seine Frau eingestochen. Sie ist laut Rechtsmedizin binnen weniger Minuten verblutet.
Staatsanwältin: „Sie hatte keine Chance“
Der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt sturzbetrunken. Die Tat sei aber nicht auf den Hang zum Alkohol zurückzuführen. Schließlich trinke der Angeklagte schon seit Jahren und sei nie straffällig geworden. Stattdessen sei es ein „Partnerschaftskonflikt, der auf Alkohol zurückgeht“ gewesen. Schmidt sprach von einer Impulstat, aber nicht unbedingt von einer Tat im Affekt.
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So sah der Gutachter auch keine Hinweise auf eine Einsichts- oder Steuerungsunfähigkeit, auch wenn die motorischen Fähigkeiten des Angeklagten eingeschränkt gewesen waren. Es gab „sehr dilettantische Versuche, die Tat zu verschleiern“. So versteckte er die Leiche unter dem früheren Ehebett, zog die Vorhänge zu und versuchte, die Blutspuren zu beseitigen.
In ihren Plädoyers warfen Staatsanwaltschaft und Nebenkläger dem Angeklagten Mord vor. „Sie hatte keine Chance, war wehrlos“, sagte Staatsanwältin Bales. Das Fehlen von Abwehrverletzungen sei ein weiteres Indiz dafür, dass sie „blindlings von dem Angriff überrascht“ wurde. Zugunsten des Angeklagten nannte sie unter anderem dessen Geständnis und sein straffreies Vorleben. Bales forderte eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren.
Angeklagter entschuldigt sich für die Tat
Der Anwalt der Nebenklage, Sebastian von Laer, forderte lebenslange Haft. Er glaube der Schilderung des Angeklagten nicht. Den handfesten Streit zu unterbrechen, ein Messer aus der Küche zu holen, während die Frau auf der Couch wartete, „das halte ich für sehr unwahrscheinlich“, so der Anwalt. Auch er führte die fehlenden Abwehrverletzungen an. Die Frau sei arg- und wehrlos gewesen - ein Mordmerkmal wäre erfüllt.
Trotz der verminderten Schuldfähigkeit (Gutachter) will der Nebenklage-Anwalt nicht vom eigentlichen Strafrahmen abrücken. Schließlich habe der Angeklagte noch versucht, seine Spuren mit „vielen Versuchen“ zu verwischen. Außerdem sei es ihm gelungen, mehrere Dinge - unter anderem Alkoholflaschen und zum Teil die Kleidung des Opfers - aus der Wohnung zu entfernen. „So dilettantisch kann er also nicht vorgegangen sein.“
Die Verhandlung wird am Dienstag, 26. März, 9 Uhr, fortgesetzt. An diesem Tag wird die Verteidigung ihr Plädoyer halten und die Kammer voraussichtlich das Urteil sprechen. Die aktuelle Verhandlung endete mit einer Aussage des Angeklagten. „Entschuldigung für das, was ich getan habe“, sagte er - und sorgte für Trauer, Wut und Tränen unter den Angehörigen und Freunden des Opfers.