TFestgeklebt: Darum protestiert ein Klimakleber aus Zeven mit der Letzten Generation

Polizisten sprechen mit dem festgeklebten Aktivist Fabian B. aus Zeven. Foto: Bodo Marks
Menschen, die sich fürs Klima einsetzen, ecken an. Aktivisten der sogenannten Letzten Generation werden als Klimakleber oder auch Klimaterroristen beschimpft. Ein Zevener erzählt, warum er Straßen blockiert, sich festklebt und sogar einbetoniert.
Zeven. Fabian B. zögert. Soll er sich als Unterstützer der Letzten Generation zu erkennen geben? Oder aus Angst vor Anfeindungen eher nicht? Aktionen der Gruppe wie das Besprühen des Brandenburger Tores und vieler Weihnachtsbäume, die Flughafen-Blockade in Hamburg oder das Beschmieren von Gebäuden kommen in der Bevölkerung nicht gut an.
Dennoch entscheidet er sich für unser Gespräch und ist sich bösen Blicken bewusst, auch wenn er selbst an diesen Taten nicht beteiligt war. „Dafür fehlt mir der Mut“, erklärt der Zevener.
„Zuschauer bei einem Autounfall“
Er möchte Menschen zum Umdenken bewegen. „Eltern sollten sich für den Klimaschutz interessieren, damit ihre Kinder eine lebenswerte Zukunft haben.“ Fabian B. ist eher zufällig zur Letzten Generation gekommen. Bei einem Vortrag in Rotenburg kam der Kontakt zustande.
Aktiv mochte er sich zunächst nicht an Protesten beteiligen, er unterstützte als Fotograf - wollte sich einfach nur einbringen. „Aber irgendwann konnte ich das so nicht mehr. Das war, als wäre ich Zuschauer bei einem Autounfall.“
Stück für Stück aus dem Beton befreit
Also blockierte er im Frühjahr 2023 den Deister-Kreisel in Hannover mit Gleichgesinnten - und klebte sich auf der Straße fest. Ob das wehtut? „Nein.“ Sobald die Polizei mit dem Lösen der Haut anfängt, fließt der Verkehr nach etwa 30 bis 40 Minuten wieder, erklärt er. Mit dieser Art von Blockade entsteht bei ihm ein Gefühl der Selbstwirksamkeit, „also dass man etwas bewirken kann“.
Proteste der Letzten Generation
Der Zevener betont, dass bei solchen Aktionen keine Rettungsgassen blockiert werden, wie den Aktivisten manchmal vorgeworfen wird. Die Mitte klebt laut B. nicht auf dem Asphalt und kann im Notfall Platz machen.
Nicht das Festkleben, aber das Einbetonieren des Körpers sei schmerzhaft oder unangenehm. Viermal habe er diese Form des Protests in Berlin mitgemacht und sich schließlich Stück für Stück mit Werkzeug aus dem Beton befreit. Warum das alles?
Deswegen seien Menschen sauer
Groß sind seine Sorgen um die Zukunft der Natur und des Klimas - und infolgedessen um sein zweijähriges Kind. „Ich möchte meinem Sohn sagen, dass die Politik das im Griff hat und sich für den Klimaschutz einsetzt.“ Der Kleine ist der Antrieb für die Protestaktionen mit der Letzten Generation, die in der Bevölkerung umstritten sind.
Dessen ist er sich bewusst. „Die Menschen sind sauer, weil wir sie an etwas erinnern, das sie gerne verdrängen.“ Niemand spreche gerne über Hochwasser, Hitze oder Tennisball große Hagelkörner.
Zevener ist gerne in der Natur
Kurz vor Weihnachten hat Fabian B. vor dem Amtsgericht in Oldenburg auf sich aufmerksam gemacht. Das Gericht brummte ihm eine Geldstrafe in Höhe von 600 Euro auf. Er hatte im Sommer mit anderen Protestierenden den Verkehr auf der Heiligengeiststraße in Oldenburg blockiert, um auf das „Versagen der Bundesregierung beim Klimaschutz“ aufmerksam zu machen.
Direkt nach der Verhandlung griff er zur Spraydose und schrieb die Worte „Verantwortung aus Liebe - Klimaschutz jetzt!“ auf die Straße. Die Folge: Die nächste Ordnungswidrigkeit, deren Konsequenzen bisher nicht feststehen.

Fabian sprühte die Worte „Verantwortung aus Liebe - Klimaschutz jetzt!“ auf die Straße. Foto: Letzte Generation
Opfer von Gewalt
Der Zevener ist kein aggressiver Typ, eher ruhig und unauffällig. In seiner Freizeit ist er gerne mit dem Fahrrad in der Natur unterwegs. Der 25-Jährige setzt gemeinsam mit der Letzten Generation auf friedlichen Protest in Richtung Politik. Gewaltandrohungen oder das Auflauern von Politikern lehnt er ab.
Ihm selbst, wie auch anderen Klimaschützern, ist bei den Aktionen bereits Gewalt widerfahren. Wütende Verkehrsteilnehmer packten ihn an den Klamotten und zogen ihn von der Fahrbahn. Davon existieren auch Videos. Auch Wasser wurde ihm über den Kopf gegossen.
Politik muss Menschen mitnehmen
Das lässt er aber über sich ergehen und wird sich weiter an Protestaktionen beteiligen, um auf den Klimaschutz aufmerksam zu machen. „Ich habe immer gedacht, dass die Politik die Klimakrise im Griff hat und sozialverträglich gestaltet - hat sie aber leider nicht.“
Man dürfe die Menschen mit Gesetzen und Verboten nicht vor den Kopf stoßen. „Sie müssen hinter den Maßnahmen stehen können, auch finanziell. Es bringt nichts, wenn Robert Habeck mit dem Heizungsgesetz kommt und keiner kann‘s bezahlen. Deshalb sind die Leute sauer, das verstehen wir.“

Polizisten tragen Fabian B. aus dem Deisterkreisel in Hannover. Foto: Julian Stratenschulte
Ziele seien noch zu erreichen
Bürger finanziell entlasten, Geld woanders hernehmen, so die Wunschvorstellung der Klimaschützer. „Die Superreichen hinterlassen den größten Co2-Abdruck und sollten deshalb zur Kasse gebeten werden. Auch das Dienstwagenprivileg sollte gestrichen werden.“
Es gehe nicht darum, den Flug in den Urlaub oder Autofahren zu verbieten. „Es geht um den Antrieb, den Treibstoff.“ Hauptforderung der Letzten Generation ist, die fossilen Brennstoffe bis 2030 anderweitig zu ersetzen. „Das ist schwierig, aber machbar“, so Fabian B. und führt Windenergie, Wasserstoff und Solar auf. Er wünscht sich, dass mehr Geld in die Forschung von umweltverträglichen Treibstoffen fließt.
Nicht nur Gegenwind für die Aktivisten
Der Protest der Letzten Generation sei auch für die Bauern wichtig. „Landwirte haben auch ein Interesse daran, dass der Ertrag auf den Feldern hoch ist, Flächen gut bewirtschaftet werden können. Auch Imker möchten kein Insektensterben.“
Dennoch sei die Anerkennung der protestierenden Gruppen in seinen Augen ungerecht: „Die Bauern werden beklatscht und wir verhaftet.“ Aber es gibt auch positives Feedback aus der Bevölkerung: „Eine Passantin hat vor mir eine Sonnenblume abgelegt und sich dafür bedankt, dass wir das machen.“
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Politiker antworten per Standardbrief
Bereits als Jugendlicher hat sich der Zevener im Tierschutz engagiert, heute ist er Landespolitischer Sprecher der Klimaliste Niedersachsen und erfährt in dieser Funktion viel Frustration. „Wenn ich an Politiker schreibe, kommt ein Standardbrief zurück und es wird nichts in die Wege geleitet, um den Klimaschutz zu verbessern“, erzählt er. „Es ist alles insgesamt sehr frustrierend. Man sieht beim Klimaschutz keine großen Veränderungen.“
Oder ist das Ganze für die Menschen nicht greifbar, zu abstrakt? „Wie sollen die Leute das Problem auch verstehen, wenn die Politik es ihnen nicht erklärt? Bei Corona war das anders.“ Es gebe immer mehr Extremwetterlagen und Tier- und Pflanzenarten, die aussterben. Die Politik müsse den Menschen anschaulich verdeutlichen, was das bedeutet.
Sorge um seinen Ausbildungsplatz
Das Engagement für die Letzte Generation ist zeitaufwendig und auch mit der Sorge um seinen Ausbildungsplatz als Verkäufer verbunden. Die Lehre macht ihm Spaß, später möchte er Solaranlagen oder Balkonkraftwerke verkaufen. Im Zuge der Proteste geraten Aktivisten allerdings oft unter Druck. „Es ist brenzlig, wenn wir zur Arbeit müssen und in einer Gefangenensammelstelle festsitzen.“
All das nimmt er auf sich, weil er seinem Sohn später nicht sagen möchte, dass „wir auf dem sinkenden Schiff sitzen, Sekt trinken und das Leid der anderen ignorieren“. Aufhören ist für ihn keine Option. „Wir müssten das nicht machen, wenn die Politik uns hören würde.“
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Tierwohlcent: Wird Fleisch im Supermarkt bald teurer?
Im privaten Umfeld kam es auch schon zu unschönen Momenten, Leute haben sich von ihm aufgrund seiner Haltung distanziert. „Im Freundeskreis oder der Schule wurde ich nicht mehr zu Geburtstagen eingeladen. Aber das wandelt sich gerade wieder. Ich argumentiere sachlich und friedlich, warum ich das Ganze tue. Schwierig wird es nur, wenn Menschen den Klimawandel komplett leugnen, aber das kommt selten vor.“
600 Euro aus eigener Tasche gezahlt
Es berührt ihn, dass er mit seinen Argumenten schon Leute erreicht hat, die der Letzten Generation zuvor kritisch gegenüberstanden. Kraft für Protest und Alltag geben ihm andere Unterstützer der Letzten Generation. Im Gegensatz zu den Landwirten müssen Klimaaktivisten, die sich auch Kämpfer für den Erhalt der Lebensgrundlagen nennen, mit Repressalien für ihr Vorgehen rechnen, erklärt der junge Vater.
Sorge, sich die Zukunft mit Protestaktionen zu verbauen, hat der 25-Jährige nicht. „Die Politik verbaut mir die Zukunft, wenn sie nicht bald handelt.“ Angst hat er allerdings vor einer richtigen Haftstrafe. „Das beschäftigt mich.“ Die 600 Euro für die Aktion in Oldenburg zahlt B. von seinem Ersparten.
Sein nächster Auftritt mit der Letzten Generation folgt bei der Wir-haben-es-satt-Demo in Berlin. Dort werden auch Landwirte erwartet.