Elbe Kliniken testen Vier-Tage-Woche und Zehn-Stunden-Schichten - So läuft es

Ann-Kathrin Tepaß (links) und Beatrix Ahlf gehören zu denjenigen, die seit September im Zehn-Stunden-Schicht-Modell arbeiten. Foto: Elbe Klinken
Im Werben um Fachkräfte gilt auch die Arbeitszeit als ausschlaggebendes Argument. An den Elbe Kliniken in Stade und Buxtehude läuft seit mehreren Monaten ein Pilotprojekt mit Zehn-Stunden-Schichten und Drei- bis Vier-Tage-Wochen. Zeit für ein erstes Fazit.
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Landkreis. Flexible Arbeitszeitmodelle in der Pflege seien kein neues Phänomen, schreiben die Elbe Kliniken in einer Pressemitteilung. „Tatsächlich sind sie bereits seit vielen Jahren fester Bestandteil an den Elbe Kliniken Stade-Buxtehude“, betont Kliniksprecherin Kati Meyer-Thiedig. Seit dem 1. September 2023 läuft in der Klinik für Neurologie in Stade zusätzlich ein Pilotprojekt: Das Pflegepersonal kann bis Ende des ersten Quartals 2024 die Arbeit in Zehn-Stunden-Schichten testen, die sich je nach Wochenarbeitszeit auf drei bis vier Tage pro Woche aufteilen.
„Wir wissen, dass nicht alle Mitarbeitenden in der Lage sind, die üblichen Früh-, Spät- und Nachtdienste zu leisten. Das klassische Beispiel sind alleinerziehende Eltern,“ sagt Bernd Lambrecht, Pflegedirektor der Elbe Kliniken Stade-Buxtehude. Aus diesem Grund wurde bereits vor Jahren nach Lösungen gesucht, um flexible Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen und gleichzeitig die Patientenversorgung jederzeit sicherzustellen. „Wir versuchen, die Wünsche der Mitarbeitenden so umzusetzen, dass sie Familie und Beruf optimal vereinbaren können. Aus Einschränkungen machen wir Chancen“, so Lambrecht weiter.
So kommt es, dass Mitarbeiter in der Pflege in ganz unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen tätig sind: Von ausschließlich Früh-, Spät- oder Nachtdienst über späten Spätdienst bis hin zu halben Diensten oder reinem Wochenenddienst. Einer von ihnen ist Mathias Hedwig. Er ist als Obernachtwache im Elbe Klinikum Stade tätig, arbeitet Vollzeit und ausschließlich im Nachtdienst. „Dieses Modell hat für mich nur Vorteile: Die Kinderbetreuung ist gewährleistet und es ist viel einfacher, Termine mit Behörden oder Handwerkern zu vereinbaren. Meine Arbeit ist sehr abwechslungsreich, da ich in verschiedenen Fachbereichen tätig bin und ich schätze die ruhigere Arbeitsatmosphäre in der Nacht,“ erklärt Hedwig.
Betriebsrat: „Müssen uns bei Arbeitszeitmodellen bewegen“
Die Klinik für Neurologie testet nun „auf freiwilliger Basis die Arbeit in Zehn-Stunden-Schichten mit entsprechendem Freizeitausgleich“. Das Pilotprojekt sei laut Elbe Kliniken gut angelaufen: In der allgemeinen Neurologie beteiligt sich demnach etwa ein Drittel der Pflegefachkräfte, aus der sogenannten „Stroke Unit“, also der Schlaganfall-Einheit, sogar die Hälfte.
Beatrix Ahlf und Ann-Kathrin Tepaß gehören zu denjenigen, die seit September im Zehn-Stunden-Schicht-Modell arbeiten. „Beide sind begeistert“, heißt es in der Pressemitteilung. Beatrix Ahlf schätze vor allem das „Mehr an Freizeitausgleich und die Tatsache, dass der direkte Wechsel vom Spät- in den Frühdienst entfällt“. Ann-Kathrin Tepaß betont, dass insgesamt eine entspanntere Grundstimmung im Team herrsche, da „Überlappungszeiten länger seien und sich die Kolleginnen so untereinander in stressigen Phasen besser gegenseitig unterstützen können“.

Das Leitungsteam, bestehend aus Michaela Hühnke, Alexandra Martienß und Patrick Royeck. Foto: Elbe Kliniken
„Wir wollen signalisieren, dass wir die Bedürfnisse unserer Kollegen ernst nehmen“, sagt Patrick Royeck, stellvertretender Stationsleiter, über den Ursprung des Projekts. Das Leitungsteam - neben Royeck gehören Michaela Hühnke und Alexandra Martienß dazu - fragte zunächst im Team ab, ob grundsätzliches Interesse bestehe. Anschließend stellten sie die Idee der Pflegedienstleitung vor, banden die Personalabteilung sowie den Betriebsrat ein. Betriebsratsvorsitzender Kai Holm begrüße das Projekt, vor allem, da die Initiative aus der Belegschaft kam. „Wir müssen uns bei Arbeitszeitmodellen bewegen“, sagt er.
Weitere Station an Zehn-Stunden-Schichten interessiert
Nach Klinikangabe können alle Mitarbeiter in der Neurologie frei entscheiden, ob er oder sie das neue Schichtsystem ausprobieren möchte. „Wir können und wollen niemanden zwingen, denn Zehn-Stunden-Schichten sind eine Herausforderung“, sagt Holm. Doch die positiven Effekte – mehr freie Tage, längere Erholungszeiträume – sieht er als große Chance für die Pflege. Ein genereller Generationenunterschied sei dabei nicht feststellbar. „Nicht nur jüngere Kollegen schätzen den Freizeitausgleich sehr, sondern auch ältere können den längeren Regenerationsphasen viel abgewinnen“, beobachtet Michaela Hühnke.
Chef will Jahresplan
Muss ich alle Urlaubstage jetzt schon eintragen?
Der Ausgang des Projekts sei noch offen. Nach Ablauf der Pilotphase im März werde evaluiert, ob die Vor- oder Nachteile überwiegen. „Es zeichnet sich jedoch ab, dass wir das Angebot der Zehn-Stunden-Schichten dauerhaft in unsere Arbeitszeitmodelle aufnehmen werden“, sagt Pflegedirektor Bernd Lambrecht. Eine weitere Station habe bereits Interesse bekundet.
Elbe Klinken wollen „Flexi-Pool“ einrichten
„Unser Ziel ist es, darüber hinaus einen Flexi-Pool einzurichten, in dem sich Mitarbeitende befinden, die nur bestimmte Dienstzeiten abdecken können“, sagt Lambrecht. „Sie erklären sich im Gegenzug bereit, flexibel in unterschiedlichen Bereichen zu arbeiten.“
Das bedeute konkret, dass eine Pflegekraft angibt, welche Dienstzeiten sie abdecken kann - und soll entsprechend flexibel eingesetzt werden. Sie könnte daraufhin zum Beispiel eine Woche lang auf der Station für Orthopädie und eine Woche lang auf der Urologischen Station arbeiten. „Diese Einsätze richten sich jeweils nach dem Bedarf im Rahmen des Ausfallmanagements“, so Lambrecht. Voraussetzung sei hierfür die entsprechende erforderliche Qualifikation.
Vier-Tage-Woche im Test: 50 Unternehmen dabei
Seit Februar testen über 50 Unternehmen in Deutschland eine verkürzte Arbeitswoche. Vier-Tage-Woche ist ein breiter Begriff, unter dem verschiedene Arbeitszeitmodelle zusammengefasst werden. Zum Beispiel: die Vier-Tage-Woche mit kürzerer Arbeitszeit und weniger Gehalt, die Vier-Tage-Woche mit kürzerer Arbeitszeit und gleichbleibendem Gehalt oder eine Vier-Tage-Woche mit gleichbleibender Arbeitszeit und gleichbleibendem Gehalt. Sie haben jeweils verschiedene Vor- und Nachteile.
Das Pilotprojekt läuft zunächst für ein halbes Jahr. Mit dabei ist der IT-Dienstleister Nacura aus Paderborn. „Für uns gab es vor allem zwei große Argumente: Zum einen die Work-Life-Balance, und der zweite Punkt ist die Mitarbeiter-Bindung und Akquirierung“, sagt Markus Nölker aus der Geschäftsführung. Von den 23 Mitarbeitern blieben nur zwei bei der bisherigen Arbeitszeit. Die Entscheidung habe jeder Mitarbeiter freiwillig treffen können. (st/bat/dpa)

Obernachtwache Mathias Hedwig. Foto: Elbe Kliniken