TFreche Sprüche zur Frikadelle: Dieser Stader Imbiss hat Kultstatus
Gaby Hinck (links) und Gaby Richters betreiben seit fünf Jahren den Imbiss am See am Schwingedeich. Foto: Stehr
Für ihre Kodderschnauze ist Gaby vom Imbiss am See bei ihren Gästen bekannt. Die kleine Wohlfühl-Oase am Schwingedeich hat noch mehr zu bieten. Ein Besuch zur besten Mittagszeit.
Stade. 12 Uhr an einem Sommertag. Gaby Richters bereitet sich aufs Mittagsgeschäft vor. Auf der Bank vor ihrem Imbiss raucht sie mit Blick auf den Schwingedeich noch schnell eine Zigarette und begrüßt den Postboten: „Na mein Freund. Heute haben wir Türkeiwetter oder was meinst du, Achmet?“
Gaby ist bekannt für ihre Kodderschnauze, sagt ihre Freundin und Geschäftspartnerin Gaby Hinck. Zusammen betreibt das Duo seit fünf Jahren den Imbiss am See. Die Chill-Out- und Schlemmer-Adresse ist ein Geheimtipp für alle, die bei Hausmannskost und Imbissklassikern dem Trubel der Stadt entfliehen wollen.
Einmalige Imbiss-Idylle am Regenrückhaltebecken
Direkt am Schwingedeich, gegenüber vom Stader Schützenverein, liegt das idyllische Imbissgelände neben einem eingezäunten See, der eigentlich ein Regenrückhaltebecken ist. Auf dem Rasen sind in lockerem Abstand Holztische, Stühle und Bänke aufgestellt. Auf einem kleinen Sandhügel stehen Strandliegen unter Bast-Sonnenschirmen, im hinteren Bereich können Gäste in rustikalen Holzhütten Platz nehmen.

Der Imbiss am See am Schwingedeich ist immer noch ein Geheimtipp. Foto: Stehr
Außerdem gibt es ein Zelt mit Kamin-Attrappe, großem Hirschkopf und Fellen auf den Bänken für kalte Tage. Alles ist liebevoll mit Blumen und Nippes dekoriert, überall hängen Schilder mit lustigen Sprüchen („Läuft bei mir, zwar bergab, aber läuft“ oder „Hackfleisch kneten ist wie Tiere streicheln, nur später“). Neben Pommes-Pieksern und Besteck stehen Schnäpse, Lollys und Äpfel auf dem Tresen.
Stammgäste schätzen den Mittagstisch
„Ich weiß schon, heiraten willst du mich nicht, du willst nur meine Pommes“, sagt Kodderschnauzen-Gaby kurz nach 12 Uhr zu einem Stammgast, der sein Essen mitnehmen will. Im Hintergrund tönen Oldies aus dem Radio. Ein anderer Gast möchte Nudelsalat. „Wo steht das denn? Das hab‘ ich heute nicht. Nur Kartoffelsalat“, sagt Gaby. Der Gast entscheidet sich für Pommes. Vier Euro kostet die üppige und gut gewürzte Portion.

Lieben Gabys Herzlichkeit und kommen regelmäßig in der Mittagspause her: Tobias Saßnick (von links), Michael Hollander und Jessica Höch. Foto: Stehr
Andere Gäste haben inzwischen in den Hütten und an den Tischen Platz genommen. Als Gast der ersten Stunde bezeichnet sich Michael Hollander. Er arbeitet um die Ecke und kommt - so wie heute mit Kollegen - mindestens einmal in der Woche zum täglich wechselnden Mittagstisch. Den gibt‘s für 8,50 Euro inklusive Nachtisch. „Das Essen schmeckt super, und wir lieben alle Gabys Art und Herzlichkeit“, sagt Michael Hollander. Er isst heute Frikadellen mit Milchbohnen und Salzkartoffeln.
Am See gibt es deftige Hausmannskost
Manchmal kocht Gaby Richters auch Birnen, Bohnen und Speck, Königsberger Klopse oder brät Grützwurst oder Leber mit Apfelmus. Gerichte, die es in den meisten anderen Imbissen oder Restaurants nicht auf die Speisekarte schaffen. Das Schaschlik ist selbst gesteckt und wird in der großen Pfanne zubereitet, statt in der Fritteuse.
24-Stunden-Reportage
T Morgens um acht beim Bierbrauen in Sauensiek - 20 Sorten im Angebot
24-Stunden-Reportage
T Hier kommt nicht jeder rein: Nachtschicht an der Disco-Tür
24-Stunden-Reportage
T Gemüse, Obst und Wurst: Wenn Buxtehudes Altstadt zur kulinarischen Meile wird
Fischgerichte, Salate, Veggie-Burger, Eis, selbst gemachte Kuchen und Klassiker wie Currywurst-Pommes gehen hier über den Imbiss-Tresen. Die Lebensmittel stammen überwiegend von Zulieferern und Landwirten aus der Region.

Gaby serviert außer Currywurst mit Pommes täglich wechselnden Mittagstisch. Foto: Stehr
Versicherungsmakler Christopher Wicht kommt regelmäßig her, weil er sich bei Gaby „wie zu Hause fühlt“ und Sachen aufgetischt bekommt, die er sich selbst nicht zubereiten würde. „Wie bei Mutti oder Oma“, sagt er. „Euer Brathering ist fertig“, schreit Gaby derweil aus dem Imbisswagen. Gesiezt wird hier niemand. Dafür gibt‘s viele freche Sprüche gratis. „Du hast ein bisschen zugelegt oder?“, Gaby ist nicht zimperlich.
Die Gabys stehen täglich im Imbiss
Dass der Imbiss am etwas abgelegenen Schwingedeich so gut laufen würde, hätte sie anfangs nicht geglaubt. „Du bist doch bekloppt, hier kommt keiner her“, hat sie zu mir gesagt, erinnert sich Gaby Hinck. Inzwischen wissen die Gabys, dass sie das Richtige getan haben.

Gaby mit Stammgast Christopher Wicht. Der Versicherungsmakler isst hier Gerichte, die er sich selbst nicht kochen würde und fühlt sich bei Gaby wie zu Hause. Foto: Stehr
Beide wohnen direkt neben dem Imbiss in einem Haus zusammen, die eine oben, die andere unten. „Eigentlich können wir nie richtig abschalten, aber der Job macht ja auch viel Spaß“, sagt Gaby Richters. Sie stammt aus der bekannten Schausteller-Familie Brockelmann aus Wischhafen, Gaby Hinck hat in der Vergangenheit unter anderem das Apropos in der Stader Altstadt betrieben.
24-Stunden-Reportage
T Von der Reeperbahn nach Stade: Mit Nachtschwärmern in der S-Bahn
24-Stunden-Reportage
T Nachtschicht bei der Dow: Wo die Lichter nie ausgehen
Seit fünf Jahren stehen die beiden sieben Tage in der Woche hinter der Fritteuse und an der Pfanne. Nur von kurz vor Weihnachten bis Anfang Februar ist Ruhezeit. Ansonsten ist der Imbiss am See täglich von 11 bis 20 Uhr geöffnet. Wenn das Wetter stimmt und viel los ist, werden auch mal bis 23 Uhr Cocktails, Aperol und Co. ausgeschenkt. Das Areal kann für kleine Firmenfeiern oder Geburtstage gemietet werden. Sogar Hochzeiten wurden hier schon gefeiert. Gaby und Gaby bieten zudem Catering außer Haus an.

Urlaubsfeeling: Im Imbiss am See können Gäste für einen Moment dem Alltag entfliehen. Foto: Stehr
Weil die Arbeit teilweise zu zweit gar nicht zu schaffen ist, helfen am Wochenende oder zu Stoßzeiten Freunde aus. Zu denen zählen inzwischen viele Stammgäste und Urlauber, die regelmäßig wieder zu den beiden Gabys kommen und die persönliche Atmosphäre, die frische Luft und die Ruhe lieben.
Das schönste Dixi-Klo weit und breit
Apropos Ruhe: Einen Besuch wert ist sogar das stille Örtchen vom Imbiss am See. Das dunkelgrüne Dixi-Klo auf dem Parkplatz gegenüber ist mit etlichen Bildern an den Wänden und dekoriert mit künstlichen Grünpflanzen wohl das schönste seiner Art weit und breit. Es gibt sogar einen Spender mit Handreinigungsgel und immer genug Klopapier. Benutzen dürfen die mobile Toilette eigentlich nur Imbiss-Gäste. Am Vatertag sind die Gabys aber auch mal gnädig, nehmen das Vorhängeschloss ab und lassen alle rein.

Liebevoll eingerichtet: Der Imbiss am See hat das unbestritten schönste Dixi-Klo im ganzen Landkreis Stade. Foto: Stehr
Einmal im Jahr lädt das dynamische Damen-Duo die Bewohner des benachbarten Pflegeheims zu Kaffee und Kuchen mit den Stader Hafensängern ein. „Darüber freuen sich die Senioren. Viele kommen uns sowieso regelmäßig besuchen, weil das Essen hier so gut schmeckt“, sagt Gaby.
Zwei Gäste wollen bezahlen. Gaby bekommt Trinkgeld. „Ihr dürft gerne wiederkommen“, ruft sie den beiden nach, bevor die nächste Bestellung rein kommt - zwei Mal Mittagstisch. „Legt euch schonmal hin“, sagt Gaby. Es ist kurz vor 13 Uhr. Joni Mitchells Woodstock-Hymne - gesungen von Crosby, Stills, Nash & Young - schallt übers Gelände. „I have come here to lose the smog“ heißt es in einer Textzeile. Frei übersetzt: Ich bin hergekommen, um durchzuatmen. Genau das machen die Gäste hier, aber auch Gaby lässt sich nicht stressen. Für einen Plausch ist immer Zeit am Schwingedeich.
Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.