TFür Nottensdorferin war schon immer klar: „Ich will Ärztin werden“

Anna von Düring (Mitte) arbeitet während ihrer Weiterbildungsassistenz mit ihren Eltern Christopher von Düring (links) und Ina von Düring (rechts) zusammen in der Familienpraxis. Foto: Buchmann
Als Fünfjährige durfte Anna von Düring die Arzttasche ihres Vaters tragen und bekam bei Hausbesuchen ein „Schokolädchen“ geschenkt. Seit letztem Jahr arbeitet sie als Ärztin in der Familienpraxis - und sorgte für eine skurrile Patientenwanderung.
Nottensdorf. Der Ärztemangel hat den Landkreis fest im Griff. Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen warnt, dass sich die Mittelgebiete Stade und Buxtehude immer weiter einer medizinischen Unterversorgung nähern. Alteingesessene Arztpraxen schließen, weil sie keine Nachfolger finden. Doch die Praxis von Allgemeinmediziner Christopher von Düring trotzt diesem Negativtrend: Seine Tochter Anna von Düring arbeitet seit vergangenem Jahr als Weiterbildungsassistentin in der Familienpraxis.
Schon als fünfjähriges Mädchen ist Anna von Düring mit ihrem Vater auf Hausbesuche gefahren. „Mir hat das immer Spaß gemacht, mit der Arzttasche die Patienten zu besuchen“, sagt sie. Ein Hausbesuch habe sich auch immer für sie gelohnt. „Es gab oft ein Schokolädchen für mich“, sagt Anna von Düring und lacht. Sie sei in einer ganz klassischen Landarzt-Familie aufgewachsen, ihr Großvater Ernst August von Düring hatte 1960 mit der eigenen Arztpraxis in Nottensdorf den Grundstein gelegt.
Kurzes Intermezzo als Sportreporterin
Für Anna von Düring war als Kind lange klar, dass sie auch mal Ärztin wird. Doch gab es nie Überlegungen, einen anderen Weg einzuschlagen? „Mit 14 fand ich die Idee spannend, Sportreporterin zu werden“, sagt die heute 30-Jährige. Die Idee ist naheliegend: Anna von Düring spielte viele Jahre erfolgreich Golf, zudem ist ihre Mutter Ina von Düring Diplom-Sportlehrerin. Anna von Düring konnte durch ein Schnupperpraktikum in der ZEIT-Redaktion erste Erfahrungen sammeln. Doch die Ernüchterung kam schnell. „Ich habe bald gemerkt, dass mir die Arbeit als Reporterin nicht liegt“, sagt sie. Sie wollte lieber direkt mit den Menschen arbeiten. „Außerdem hatte ich immer das Gefühl, dass Papa glücklich von der Arbeit nach Hause kommt“, sagt Anna von Düring. „Das wollte ich auch gerne erleben.“
Überlastete Notaufnahmen
T Anrufe bei ärztlichen Notfällen: Das soll sich ändern
Nach dem Abitur bewarb sie sich an der Universität Rostock, wo sie sieben Jahre lang ihr medizinisches Grundstudium absolvierte. Das Studium sei ihr nicht schwer gefallen. „Wenn ich mal zwölf Stunden in der Bibliothek gesessen habe, war das kein Problem für mich“, sagt Anna von Düring. Jedoch sei sie auch keine Muster-Studentin gewesen, sondern habe in ihrer Studienzeit auch Partys besucht und „gelebt“. Ihre Familie verlor sie dabei nie aus dem Blickfeld, ihre drei Jahre jüngere Schwester Lotta studierte dort ebenfalls Medizin. „Wir sind nicht bloß Schwestern, sondern auch beste Freundinnen“, sagt Anna von Düring strahlend.
Sondergenehmigung für Familienpraxis
Während die Nottensdorferin sich im Studium das notwendige Fachwissen aneignete, lernte sie in den nachfolgenden zweieinhalb Jahren am Marienkrankenhaus Hamburg den harten Klinik-Alltag kennen. „In der Klinik läuft es ganz anders ab als in einer Landarztpraxis, auch mit Kollegen und Patienten“, sagt Anna von Düring. Fachlich interessierte sie neben der Allgemeinmedizin auch die Chirurgie. „Ich habe dort mit einer Chefärztin zusammengearbeitet, die selbst Mutter von zwei Kindern war“, sagt sie. „Sie hat mir abgeraten, in die Chirurgie zu gehen, wenn ich später Zeit für eine eigene Familie haben will“, sagt Anna von Düring weiter.
Seit Mai 2023 ist Anna von Düring nun wieder in der Heimat und arbeitet als Weiterbildungsassistentin in der Familienpraxis. Ihr Vater Christopher von Düring, der 1984 die Praxis in Nottensdorf übernahm, zeigt sich stolz über die Zusammenarbeit mit seiner Tochter. „Anna ist ein äußerst empathischer Mensch. Sie passt daher ideal zu unserer Praxis-Philosophie“, sagt der 72-Jährige.
Ehemalige Mitschüler wechselten Hausarzt
Ihre Schwester Lotta hatte vergangenes Jahr auch für vier Monate als Weiterbildungsassistentin in Nottensdorf gearbeitet, ist im Oktober dann an das Berliner Sana-Klinikum weitergezogen. „Ich musste eine Sondergenehmigung bei der Ärztekammer beantragen, damit beide hier arbeiten können“, sagt Christopher von Düring. Das war etwas Besonderes und machte schnell die Runde. „Ehemalige Lehrer und Mitschüler von der Halepaghen-Schule sind zu uns in die Praxis gewechselt, um Anna und Lotta bei der Arbeit zu besuchen“, erinnert sich Mutter Ina von Düring.
Doch Ende April zieht es Anna von Düring erst mal nach München zu ihrem Freund, wo sie ihre Facharztausbildung zur Allgemeinmedizinerin abschließen will. Und danach? „Langfristig kann ich mir schon vorstellen, die Praxis hier in Nottensdorf zu übernehmen“, sagt Anna von Düring. Sie sei sich aber auch der immensen Verantwortung bewusst, als Frau allein eine Praxis zu führen. „Ich will erst mal schauen, was die nächsten Jahre so bringen. Deshalb kann ich es noch nicht garantieren.“