TGemüse, Obst und Wurst: Wenn Buxtehudes Altstadt zur kulinarischen Meile wird

Aus Bardowick nach Buxtehude: Sabine Prigge und ihr Sohn gehören zu den Ersten, die ihren Stand aufbauen. Foto: Felsch
Um 6 Uhr ist der Petri-Platz in Buxtehude fast wie ausgestorben. Aber eben nur fast. Die ersten Wochenmarkthändler bauen ihre Stände auf - und haben Interessantes zu berichten.
Buxtehude. Die drängendste Frage zuerst: Wie schafft man es, so früh aufzustehen und dabei so gut drauf zu sein? „Gewöhnung“, sagt Sabine Prigge und lacht. Sie ist so etwas wie eine Institution auf dem Buxtehuder Wochenmarkt.
Seit 40 Jahren steht Prigge mit ihrem Stand in der Altstadt. „Ich bin seit dem ersten Markt auf dem Petri-Platz dabei“, sagt die Frau, die immer mittwochs und samstags aus Bardowick bei Lüneburg anreist und auf dem Wochenmarkt ihre Waren verkauft.
Eine Stunde Anfahrt plus eine Stunde Aufbau seien nicht wenig, aber der Job mache ihr großen Spaß, betont Prigge. Wenn sie Tipps geben oder nur mit den Kunden plaudern kann, ist sie in ihrem Element.
Das Präsentieren der Ware ist wichtig
Mit ihrem Sohn Christian und einem Mitarbeiter hat sie den relativ großen Stand an diesem Morgen schnell aufgebaut und verteilt jetzt sorgfältig das Obst und Gemüse. „Die Kunden wissen es zu schätzen, wenn wir uns Mühe mit dem Präsentieren geben“, weiß Prigge.
Einiges stammt aus eigenem Anbau, der Rest vom Großmarkt in Hamburg. Dorthin fahren sie immer einen Tag vorher, genauer gesagt in der Nacht. Also noch früher aus den Federn oder gar nicht erst rein? „Ne, ne, schlafen ist schon wichtig. Aber wenn man zu früh ins Bett geht, bringt das auch nichts“, rät der Juniorchef.
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„Den Schlaf verteilen, dann geht das“, ergänzt sein langjähriger Mitarbeiter Hermann und schüttet gut gelaunt die Erbsen aus deutschen Landen in einen Korb. Um 6.15 Uhr ist der erste Kunde da, reicht ohne große Worte einen Fünf-Euro-Schein rüber und zieht mit einem großen Sack Möhren wieder von dannen.

Thomas Cohrs aus Immenbeck beginnt kurz nach 6 Uhr mit dem Entladen. Foto: Felsch
Gegenüber ist Thomas Cohrs dabei, seinen Wagen zu entladen. Um 4 Uhr ist er aufgestanden, kurz nach 5 Uhr ist er losgefahren. Wenn sich die Abfahrt ein bisschen verzögert, kein Problem: Von Immenbeck sind es nur zehn Minuten bis zum Petri-Platz.
Trotzdem ist Cohrs gern rechtzeitig vor Ort, um in aller Ruhe auszupacken. Um 7 Uhr ist ein junger Mann als Helfer bestellt, und auch die ersten Kunden seien dann da, obwohl der Markt offiziell erst um 8 Uhr öffnet.
Behördliche Auflagen bei Hühnerhaltung zu hoch
Gefragt ist alles, auch Südfrüchte, und vor allem Kartoffeln, die Cohrs selbst anbaut. Eigene Hühner halten sie nicht mehr, da seien die behördlichen Auflagen mittlerweile zu hoch, erzählt der Händler.
Cohrs ist gern auf dem Buxtehuder Wochenmarkt. „Die Gemeinschaft ist klasse, hier hilft jeder jedem. Das ist nicht auf jedem Markt so“, sagt der 63-Jährige, während er Bünde mit weißem und grünem Spargel in der Auslage drapiert.
„Bald ist die Saison vorbei, und leider ist der Spargel teurer geworden. Aber beschwert hat sich noch keiner.“ Überhaupt meckere niemand über die Preise. „Die Kunden wissen, dass sie hier einwandfreie Ware bekommen, unbegrabbelt und frisch.“

Andrew Jesse steht mit seinem Wagen „Schnerverdinger Wurstspezialitäten“ gegenüber vom Rathaus. Foto: Felsch
Das sieht Andrew Jesse ähnlich, der gerade mit seinem Wagen „Schneverdinger Wurstspezialitäten“ gegenüber dem Rathaus Station bezieht. Sein Vater fing einst mit der fahrenden Fleischerei an, die der Sohn vor 25 Jahren übernahm.
„Obwohl ich Groß- und Außenhandelskaufmann gelernt habe und zwischenzeitlich bei der Bundeswehr war, bin ich letztendlich wieder bei diesem Geschäft gelandet“, so Jesse. Er habe es nicht bereut.
Antibiotikafreies Fleisch von Höfen aus dem Hamburger Umland
„Die Buxtehuder sind wirklich geduldig und warten, bis sie an der Reihe sind, selbst wenn es mal länger dauert“, weiß Jesse. Die Kunden wüssten zu schätzen, dass sie antibiotikafreies Fleisch von Tieren aus artgerechter Haltung von Höfen aus dem Hamburger Umland erhalten, ist sich Jesse sicher.
Heute ist seine Tochter mit dabei, drei weitere Mitarbeiter sind auf dem Weg. „Vier Personen für die Bedienung braucht man am Samstag, ohne die brauche ich gar nicht erst zu öffnen“, sagt er.
Um 6.30 Uhr ist von dem Ansturm noch nichts zu spüren. Die meisten Kunden kämen erst am Vormittag, aber dann hätten sie alle Hand voll zu tun, berichtet Jesse.

Kurz vor sieben auf dem Petri-Platz: Die Stände stehen, doch noch ist es leer auf den Straßen in der Buxtehuder Altstadt. Foto: Felsch
Langsam füllen sich die Lange Straße und die Breite Straße mit weiteren Verkaufsständen. Käse und andere kulinarische Köstlichkeiten warten auf Käufer.
Der Blumenhändler bezieht gerade vor der Kirche Position, als ein kleines Müllfahrzeug um die Ecke brummt, auf der Suche nach Mülltonnen. „Hier auf dem Petri-Platz bestimmt nicht. Hier ist seit Jahrzehnten Markt am Sonnabend“, bescheinigen die Händler dem verdutzten Fahrer. „So was muss man einem doch sagen“, mault der und dreht wieder ab. Nicht ohne eine stinkende Duftwolke zu hinterlassen.
Tütchen für Kunden ohne Tasche
Den unangenehmen Geruch versuchen nicht nur die Marktbeschicker mit den Händen wegzuwedeln. Auch eine Kundin, die noch schnell vor Arbeitsbeginn fürs Wochenende einkaufen will, rümpft die Nase. Vorbildlich mit einem Korb ausgerüstet, in dem die Äpfel, Erdbeeren und Trauben verschwinden.
Wer keine Tasche dabei hat, für den gibt es eine dünne Plastiktüte. Auch für diejenigen, die angesichts der appetitlich aussehenden Waren mehr kaufen, als eigentlich auf dem Zettel steht. Die wenigen, die so früh kommen, sind bestens ausgerüstet und schnell wieder weg. Sie gehören auch zu denen, denen das frühe Aufstehen offenbar keine Probleme bereitet.

Letzte Handgriffe, bevor Kim Ebersteins Kunden kommen. Foto: Felsch
So wie Jannik. Der 15-Jährige, der bei der Obst- und Gemüsehändlerin Kim Eberstein sein Taschengeld aufbessert, grinst breit auf die Frage, ob er am Wochenende nicht lieber ausschlafen möchte. „Wenn man Geld verdienen will, dann gehört das dazu“, antwortet Kim Eberstein für den Schüler und lächelt vielsagend.
Bis 13 Uhr muss Jannik noch durchhalten. Dann ist der Markt zu Ende, alles wird wieder auf die Anhänger oder in die Wagen verstaut, dann ab nach Hause und entladen. „Wir gönnen uns eine kurze Kaffeepause und danach geht es ab nach draußen zum Gießen der Pflanzen“, sagt Sabine Prigge zum Abschied. Sie strahlt dabei.
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