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Dohrenwald

TGroßsteingräber: Lebensgefahr im Hain der Hünen in Bliedersdorf

Älter als die Pyramiden: Unter mächtigen Buchen und Stieleichen liegen die 5500 Jahre alten Großsteingräber im Dohren zwischen Bliedersdorf und Grundoldendorf.

Älter als die Pyramiden: Unter mächtigen Buchen und Stieleichen liegen die 5500 Jahre alten Großsteingräber im Dohren zwischen Bliedersdorf und Grundoldendorf. Foto: Vasel

Es ist ein imposanter Wald mit 5500 Jahre alten Steingräbern - aber der Dohrenwald bei Bliedersdorf darf nicht betreten werden. Das wollen Wanderer und Politiker jetzt ändern.

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Von Björn Vasel
Mittwoch, 04.09.2024, 05:00 Uhr

Bliedersdorf. „Achtung Lebensgefahr! Betreten des Waldes verboten“, steht in roter Schrift auf den Schildern an den Eingängen zum Dohrenwald. Aber: Immer wieder werden Rufe laut, die seit 2017 gesperrte rund 5500 Jahre alte Grabanlage öffentlich zugänglich zu machen.

Vereine wie die Ollanner Wanner- un Pilger-Lüüd machen sich für eine Öffnung stark. „Es ist bedauerlich, dass dieser Wald mit seinen imposanten Großsteingräbern nicht mehr für uns zugänglich ist“, sagt der Vorsitzende des Vereins für Wandern und Pilgern im Alten Land, Hans-Peter Urmersbach. Viele Auswärtige seien enttäuscht, wenn sie vor den Warnschildern und den Absperrungen stehen. In (alten) Wanderführern und Karten gibt es Hinweise auf den Rundweg.

Lebensgefahr: Warnschilder und Absperrungen stehen rings um den Buchenwald.

Lebensgefahr: Warnschilder und Absperrungen stehen rings um den Buchenwald. Foto: Vasel

Urmersbach hält eine Öffnung auch unter touristischen Aspekten für sinnvoll, denn Monumente wie Hünengraber seien allerorten beliebte Ziele. Sein Dachverband wird deutlicher. „Es ist eine Schande, dass ein so eindrucksvolles Wandergebiet den Erholungssuchenden vorenthalten wird“, schreibt der Landeswanderverband Niedersachsen.

Hünengräber älter als die Cheops-Pyramide und Stonehenge

Wer den Wald betritt, wird sofort in seinen Bann gezogen. Uralte, mehr als 250 Jahre alte Buchen ragen wie Säulen gotischer Kathedralen in den Himmel. Zu ihren Füßen liegen die vier Großsteingräber. Diese sind deutlich älter als die Pyramiden von Gizeh im Ägypten oder der Steinkreis von Stonehenge in England. „Es ist das imposanteste Grabensemble der Region“, sagt Kreisarchäologe Daniel Nösler. Es spiele in einer Liga mit der Oldendorfer Totenstatt in der Lüneburger Heide.

Blick auf den imposanten Buchenwald im Dohren zwischen Bliedersdorf und Grundoldendorf.

Blick auf den imposanten Buchenwald im Dohren zwischen Bliedersdorf und Grundoldendorf. Foto: Vasel

Während die Bauern ihre Schafe durch die angrenzende Heide trieben, blieben die Buchen auch im Mittelalter und in der Neuzeit stehen. Steine fanden hingegen bei Haus- und Straßenbau ihre Verwendung.

Bestattungen bis weit in die Bronzezeit

In den mächtigen Grabkammern bestatteten die vom Ackerbau lebenden Steinzeitmenschen der Trichterbecherkultur ihre Toten. Sie gaben ihnen zahlreiche Beigaben mit. Im Waldstück zwischen Bliedersdorf und Grundoldendorf entdeckten die Archäologen mit Fingernageleinstichen verzierte Keramikgefäße, aber auch Flintgeräte wie Beile, Pfeile oder Messer lagen in den Steinkammern.

Diese 29 bis 51 Meter langen und sechs bis acht Meter breiten niedrigen, rechteckigen Hügel waren mit großen Findlingen eingefasst. Die Hünenbetten sind heute noch sichtbar. Das erste Grab zählt 75 Findlinge.

Blick auf die Findlinge, die das Grab einfassten.

Blick auf die Findlinge, die das Grab einfassten. Foto: Vasel

Die Toten lagen in den Steinkammern auf einer mit Lehm abgedichteten Steinschicht. Unter dem Boden lag eine Brandschicht. Die Gräber wurden immer wieder benutzt. Skelettreste wurden Jahre später entfernt und im Umkreis deponiert. So schafften die Menschen Platz für frisch Verstorbene aus ihrer Sippe. Bis weit in die Bronzezeit diente Im Dohren als Begräbnisplatz.

Während an der Cheops-Pyramide fast 20 Jahre lang gebaut wurde, sind die Bauwerke im Dohren innerhalb weniger Wochen entstanden. Auf hölzernen Schlitten und Rollen wurden die tonnenschweren Steine herangeschleppt.

Naturschutz hat bislang Vorrang für den Kreis

Der Landkreis Stade sei sich der Bedeutung der Megalithgräber bewusst. „Das Betreten des Waldes ist allerdings lebensgefährlich“, warnt Kreissprecher Daniel Beneke. Unter anderem setzen Pilze den Bäumen zu. Viele Buchen seien am Ende ihrer Lebenszeit. Jederzeit könnten diese umkippen oder Äste auch bei Windstille hinabstürzen. Die Untere Naturschutzbehörde und Landesforsten hätten eine Verkehrssicherungspflicht. Überall liegen umgekippte Stämme.

Überall liegen umgekippte Bäume.

Überall liegen umgekippte Bäume. Foto: Vasel

Deshalb hat der Kreis Stade im Jahr 2017 die Warnschilder montiert und einige der Wege in den Wald, zugänglich vom asphaltierten Wirtschaftsweg, mit Holzzäunen abgesperrt. Außerdem wurde das Infoschild zu den Gräbern abgebaut. Die Besucher suchten sich neue Wege durch den Wald. Der liegt in einem 50 Hektar großem Landschaftsschutzgebiet. ist seit 1939 geschützt. Der 6,5 Hektar große Wald sei in seiner Größe selten und mit dem Totholz ein wertvolles Biotop.

Beneke verweist auf Fledermäuse, die in Hohlräumen der Buchen hausen. Pflanzen, wie der gefährdete Scheidige Gelbstern, lieben nährstoffreiche bodenfeuchte Buchenwälder. Größere Abholzaktion würden Natur und Bodendenkmäler gefährden. Die Instabilität der übrigen Bäume würde bei Starkwind steigen.

Bliedersdorfer Bürgermeister fordert Kompromisslösung

Gräber drohen unter dichtem Bewuchs zu verschwinden. Bliedersdorfs Bürgermeister und Kreistagsabgeordneter Tobias Terne (CDU) will sich auf der Kreisebene für einen Kompromiss stark machen und mahnt die Teilzugänglichkeit mindestens eines Grabes an.

Die Natur ist auf dem Vormarsch: Die Steinkammern versinken im Dornröschenschlaf.

Die Natur ist auf dem Vormarsch: Die Steinkammern versinken im Dornröschenschlaf. Foto: Vasel

Das Betretungsverbot könnte nach Forstarbeiten teils aufgehoben werden. Im Zuge der Dorfregion NoBlie wollen sie den Wald touristisch inwertsetzen. Er mahnt: Naturschützer, Forstwirte und Archäologen müssten an einen Tisch geholt werden.

Fast wie im Urwald: Blick in den Buchenwald im Dohren.

Fast wie im Urwald: Blick in den Buchenwald im Dohren. Foto: Vasel

Das Totholz bietet Lebensraum für viele Tiere und Pilze.

Das Totholz bietet Lebensraum für viele Tiere und Pilze. Foto: Vasel

Blick auf eine der Steinkammern im Dohren.

Blick auf eine der Steinkammern im Dohren. Foto: Vasel

Älter als die Pyramiden: Unter mächtigen Buchen und Stieleichen liegen die 5500 Jahre alten Großsteingräber im Dohren zwischen Bliedersdorf und Grundoldendorf.

Älter als die Pyramiden: Unter mächtigen Buchen und Stieleichen liegen die 5500 Jahre alten Großsteingräber im Dohren zwischen Bliedersdorf und Grundoldendorf. Foto: Vasel

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