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Kriminalität

THäusliche Gewalt: Hier können Opfer im Kreis Stade die Beweise sichern lassen

Eine Frau versucht sich in Berlin vor der Gewalt eines Mannes zu schützen (Symbolbild).

Eine Frau versucht sich in Berlin vor der Gewalt eines Mannes zu schützen (Symbolbild). Foto: picture alliance / dpa

Scham und Schock: Alle drei Minuten erlebt eine Frau oder ein Mädchen häusliche Gewalt, so die Statistiken. Hier gibt es Hilfe für die Opfer.

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Von Karsten Wisser
Donnerstag, 14.08.2025, 05:50 Uhr

Landkreis. Oftmals ist nach der Tat die Scham der Opfer zu groß, sich sofort Hilfe zu holen oder den Täter anzuzeigen. Dennoch ist es wichtig, Beweise zu sichern - für den Fall, dass zu einem späteren Zeitpunkt eine Anzeige in Betracht gezogen wird. Genau das bietet das Netzwerk ProBeweis. Die Rechtsmedizinerin Sarah Stockhausen stellte das Netzwerk gegen Häusliche Gewalt im Kreishaus vor.

Verletzungen und Spuren dokumentieren

Die Elbe Kliniken Stade und Buxtehude gehören dem Netzwerk ProBeweis seit 2014 an. Betroffene von häuslicher oder sexueller Gewalt können sich an die Kliniken wenden, um dort gerichtsverwertbare Verletzungen zu dokumentieren und Spuren zu sichern. Das gilt auch für minderjährige Opfer.

Partnerkliniken von ProBeweis erhalten Boxen, um eine gerichtsverwertbare Dokumentation von Verletzungen und die Spurensicherung durchführen zu können.

Partnerkliniken von ProBeweis erhalten Boxen, um eine gerichtsverwertbare Dokumentation von Verletzungen und die Spurensicherung durchführen zu können. Foto: Landkreis Stade / Nina Dede

Voraussetzung ist, dass die Betroffenen eine Einwilligungserklärung abgeben.

Die Untersuchung geschieht kostenlos und unter Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht, sagt Sarah Stockhausen von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH): „Die Beweissicherung ist vollkommen vertraulich und geschieht bereits vor der Entscheidung, ob eine Strafanzeige gestellt wird.“

K.-o.-Tropfen nur sehr begrenzt nachweisbar

Weil Kleidung gewechselt wird und DNA-Spuren abgewaschen werden, weil Verletzungen abheilen und beispielsweise K.-o.-Tropfen nur in einem sehr begrenzten Zeitraum nachweisbar sind, steht die zeitnahe Beweissicherung nach der Tat im Vordergrund. Danach haben Opfer ausreichend Zeit, über eine Anzeige bei der Polizei zu entscheiden.

Die Dokumentation und die Beweismittel werden im Institut für Rechtsmedizin in Hannover aufbewahrt. Asservate verbleiben dort mindestens drei Jahre, Dokumente sogar 30 Jahre. Neben der Untersuchung, der Dokumentation von Verletzungen und der Spurensicherung ist auch die Beratung ein wichtiger Aspekt.

Geschultes Personal hilft den Mädchen und Frauen

Die Ärztinnen und Ärzte informieren über Unterstützungseinrichtungen, wie etwa über die AWO-Beratungsstelle bei häuslicher Gewalt (BISS) in Stade.

Das Netzwerk ProBeweis wurde 2012 an der MHH gegründet - es nahm eine bundesweite Vorreiterrolle ein. Heute arbeitet das Netzwerk mit 39 Partnerkliniken zusammen: Neben den Elbe Kliniken Stade und Buxtehude gehören auch die Krankenhäuser in Cuxhaven, Rotenburg und Buchholz dazu. An all diesen Kliniken arbeitet besonders geschultes Personal.

Gewaltopfer: Erschreckende neue Zahlen

ProBeweis bildet die Medizinerinnen und Mediziner fortlaufend aus und fort. „Wir verringern mit der standardisierten, professionellen und gerichtsverwertbaren Dokumentation die Beweisnot, die Opfer sonst häufig erlebt haben. ProBeweis verschafft Gewaltbetroffenen Zeit und gibt Unterstützung“, so die Rechtsmedizinerin.

Insgesamt 35 Mitglieder des Netzwerkes gegen Häusliche Gewalt im Landkreis Stade kamen ins Kreishaus, um mehr über die Arbeit von ProBeweis zu erfahren.

Insgesamt 35 Mitglieder des Netzwerkes gegen Häusliche Gewalt im Landkreis Stade kamen ins Kreishaus, um mehr über die Arbeit von ProBeweis zu erfahren. Foto: Landkreis Stade / Nina Dede

Wie wichtig das Angebot ist, zeigen erschreckende Zahlen: Knapp 150 Gewaltopfer ließen sich 2024 untersuchen, in diesem Jahr sind es schon mehr als 100 Personen. Das zeigt: ProBeweis trägt dazu bei, dass die Dunkelziffer von häuslicher und sexueller Gewalt verringert wird.

Sexualdelikte auf einem neuen Höchststand

Das passt zu den bundesweiten Zahlen. 2024 wurden so viele Menschen wie noch nie Opfer von körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt durch Verwandte oder Partner beziehungsweise Ex-Partner.

Auch die Zahl der Sexualdelikte wie Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexueller Missbrauch steigt seit Jahren an und erreichte 2024 einen neuen Höchststand von fast 128.000 Fällen. Als möglichen Grund für diesen Anstieg nennt das Bundeskriminalamt (BKA) auch eine größere Sensibilität und Anzeigebereitschaft, wobei weiter von einem hohen Dunkelfeld nicht bekannt gewordener Fälle ausgegangen wird. Denn häufig sind die Opfer zu traumatisiert oder eingeschüchtert, um eine entsprechende Tat zu melden, oder fürchten sogar Schuldvorwürfe.

So funktioniert die Hilfe für die Opfer

Gewaltopfer wenden sich direkt an die Zentrale Notaufnahme der Elbe Kliniken Stade und Buxtehude, die täglich rund um die Uhr besetzt ist.

Dort wird die Überstellung in die Kliniken für Gynäkologie und Chirurgie veranlasst - streng vertraulich und kostenfrei. Die Bedeutung von ProBeweis kennen auch die Mitglieder des Netzwerkes gegen Häusliche Gewalt im Landkreis Stade.

Die Rechtsmedizinerin Sarah Stockhausen und Dr. Thorsten Kokott informieren über ProBeweis gegen Häusliche Gewalt. Eingeladen haben Gleichstellungsbeauftragte Elena Knoop, Gaby Siedentopf von der Beratungsstelle BISS und Hanne Rathjens vom Frauenhaus.

Die Rechtsmedizinerin Sarah Stockhausen und Dr. Thorsten Kokott informieren über ProBeweis gegen Häusliche Gewalt. Eingeladen haben Gleichstellungsbeauftragte Elena Knoop, Gaby Siedentopf von der Beratungsstelle BISS und Hanne Rathjens vom Frauenhaus. Foto: Landkreis Stade / Nina Dede

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