THarsefeld, Agathenburg, Gräpel: Wohin im Kreis Stade EU-Millionen fließen

Wohin fließt das Geld der EU? Unter anderem in Projekte an der Oste wie hier in Gräpel. Foto: Klempow
Der Behördenname fasst die große Aufgabe zusammen: Amt für regionale Landesentwicklung mit Sitz in Lüneburg. Das kümmert sich ums Land und um die Leute vom Land - und dabei spielt die EU eine große Rolle.
Landkreis. In Bremerhaven hat das Amt für regionale Landesentwicklung (ArL) eine Geschäftsstelle. Der Chef dieses Teildezernats heißt Lienhard Varoga. Er kennt die Region zwischen Elbe und Weser und damit auch den Landkreis Stade so gut wie kaum ein anderer. Über seinen Tisch und die Schreibtische seiner Kollegen gehen Förderanträge.
Heimatliebe und Gemeinschaftsgefühl stecken in den Projekten
Das klingt nach viel Papierkram und Formalitäten. Dennoch benutzt Varoga im Zusammenhang mit seinen Aufgaben bemerkenswert oft die Worte „Vergnügen“ und „fröhlich“. Denn hinter jedem Förderantrag stecken Menschen. Mit Ideen und Kreativität, Heimatliebe, Gemeinschaftsgefühl und dem Ehrgeiz, etwas zu bewegen. Varoga und seine Kollegen wissen das - und sie wissen das zu schätzen. „Wir sind wie ein Partner auf Zeit“, sagt Varoga.

Lienhard Varoga ist seit mehr als 25 Jahren für das heutige Amt für regionale Landesentwicklung in der Region Ansprechpartner für viele Menschen, die etwas bewegen wollen. Foto: Klempow
Beeindruckend ist die Zahl, die Lienhard Varoga nennt. „44 Millionen Euro“. So viel Geld ist seit 2014 aus dem ELER-Fonds der EU in den Landkreis Stade geflossen. Nur über Förderprogramme wie Leader, die Dorfentwicklung und an Einzelprojekte.
Landkreis Stade ist bei der Dorfentwicklung besonders rührig
In Varogas Büro hängt eine großformatige Karte der Elbe-Weser-Region. Bunt eingefärbt sind die Leader-Regionen. Einzeln markiert sind die Dorfentwicklungsprogramme. Davon gibt es entlang der Elbe auffallend viele, entlang der Weser auffallend gar keine. Varoga schmunzelt. „Der Landkreis Stade ist in diesem Punkt weit vorne.“ Sehr rührig ist zum Beispiel die Dorfregion Burweg-Hechthausen, die landkreisübergreifend Projekte dies- und jenseits der Oste anschiebt, beantragt und anpackt.
Blühwiesen, Rastbänke, ein neuer Weg an einem alten Deich, Schautafeln mit historischen Hinweisen, eine neue, barrierefreie Rad-Brücke über die Horsterbeck und demnächst die Heimatstube sind Beispiele aus Burweg. Der Dorfplatz kommt auch bald dazu. Alles zusammen fördert den Zusammenhalt, verbessert die Infrastruktur und trägt zu mehr Lebensqualität auf dem Land bei - ein erklärtes Ziel der Dorfentwicklung.
Fokus liegt auf einem lebendigen Landleben
Im Gegensatz zur früheren Dorferneuerung liegt der Fokus beim Dorfentwicklungsprogramm auf einem lebendigen Landleben, das Zukunftsperspektiven bietet. „Wir wollen dazu beitragen, dass die Dörfer lebensfähig bleiben, damit die Menschen gerne dort leben und nicht nur schlafen“, so Varoga. Inzwischen werden auch Co-Working-Spaces finanziell unterstützt oder Basisdienstleistungen wie Dorfläden oder Grundversorgungszentren mit Ärzten und Apothekern.

Zwischen den Aktendeckeln mit dem Niedersachsen-Wappen ist ein Ausdruck der aktuellen Förderrichtlinien immer griffbereit. Foto: Klempow
Die geltenden Förderrichtlinien werden laufend an den Bedarf angepasst. Weil die Mitarbeiter des ArL einen guten Austausch vor Ort, mit Samtgemeindebürgermeisterinnen oder Bürgermeistern pflegen, können sie auch nach oben durchgeben, was auf dem Land gebraucht wird, damit entsprechende Programme aufgelegt werden. „Wir hören ja auch, wo der Schuh drückt“, sagt Varoga.
Elbkliff-Wanderweg und Oste-Terrassen zwei besondere Beispiele
Beispiel Elbkliff-Wanderweg: Der jüngst in Agathenburg eingeweihte, ausgebaute Wanderweg wurde aus dem ELER-Fonds der EU gefördert, mit 70.000 Euro. Das Land Niedersachsen hatte dafür ein Programm bei der EU zur Genehmigung vorgelegt. Das Programm war die Grundlage dafür, dass Agathenburg Geld aus der Fördermaßnahme „Ländlicher Tourismus“ bekam.
Dabei ist Varoga eines wichtig: „In der heutigen Zeit wird gerne auf die Politik und die Europäische Union geschimpft, dass alles zu kompliziert sei, dass nichts für die Menschen vor Ort getan wird, dass die Mitglieder der EU Krisen nicht gemeinsam bewältigen können und eine kleinliche Vielstaatlichkeit zurückwirkt.“ Aber auch das Beispiel Elbkliff-Weg zeige doch, „dass etwas für die Menschen vor Ort gemacht wird“.

Einweihung der Oste-Terrassen mit dem neuen Steg in Gräpel. Das Projekt wurde mit 400.000 Euro von der EU gefördert. Foto: Klempow
Oder das Beispiel Hafen in Gräpel, wo die neuen Terrassen zum Verweilen an der Oste einladen. 400.000 Euro für das ehrgeizige Projekt kamen von der EU. „Das ist doch ein Kleinod geworden“, sagt Varoga.
Die aktuelle Ausgabe der Förderrichtlinien steckt bei Varoga immer griffbereit zwischen den Deckeln einer festen Aktenmappe mit Niedersachsen-Wappen. Gleich elf Dorfentwicklungsverfahren laufen zurzeit im Landkreis Stade, die von der EU profitieren können. „600 Projekte haben wir allein in den Dorfentwicklungsverfahren schon gefördert“, sagt Varoga mit dem Blick auf den Landkreis Stade. „Und es geht ja noch weiter.“
Viele Einzelprojekte im Kreis Stade wurden gefördert
Die große Anzahl von Projekten hat einen guten Grund: Die 44 Millionen Euro teilen sich eben nicht nur auf die großen Pläne auf. Auch bescheidenere Ideen können ab einer Fördersumme von 2500 Euro bedacht werden.
Passen sie auf die Förderrichtlinie, können auch Einzelprojekte mit EU-Geld vorangebracht werden. Reetdacherneuerungen am Baudenkmal sind ein Beispiel, aber auch
- derWaldlehrpfad in Harsefeld,
- das Küstenmotorschiff Iris-Jörg in Wischhafen,
- das Dorfgemeinschaftshaus Hammah,
- das neue Gemeindehaus in Himmelpforten
sind mit finanzieller EU-Hilfe gebaut oder aufgemöbelt worden. Projekte, die dem ländlichen Tourismus oder der Grundversorgung dienen, kommen für einen Zuschuss der EU in Betracht. Auch eine Kleinstunternehmen-Förderung ist grundsätzlich möglich.
Lienhard Varoga hat als Leiter des Teilderzernats, das ist er offiziell seit neun Jahren, viele Projekte begleitet. Er hat ein Herz fürs Land und ein Händchen für den Umgang mit Menschen - sein Job macht ihm Vergnügen, wie er selbst sagt.
„Angefangen hat das Elend mit Edgar Goedecke“
Seit 1998 ist er in seinem Dienstbezirk unterwegs, der von Cuxhaven bis Osterholz und von Loxstedt bis Jork reicht. „Ein Glück“, so landschaftlich reizvoll und abwechslungsreich wie die Region ist. „Angefangen hat das Elend mit Edgar Goedecke in Nordkehdingen“, sagt er und lacht. So hat er das auch bei der Verabschiedung des ehemaligen Samtgemeindebürgermeisters gesagt: „Mir sind alle gleich lieb, aber Edgar Goedecke war besonders teuer.“ Keiner habe mehr Fördermittel in seine Kommune geholt als er.
Richtlinien gewähren Spielraum
Ein bisschen Spielraum gewähren auch die Förderrichtlinien. Die gelten zwar, trotzdem heißt es für die ArL-Mitarbeiter sensibel hinzuhorchen. Hat das Projekt Substanz? Hat es Menschen, die dafür stehen, die sich einsetzen? „Ein gutes Projekt hat immer noch Fördermittel gefunden, auch wenn es im ersten Anlauf vielleicht nicht klappt“, sagt Varoga.
Manchmal fehlen die Co-Finanzierer. Manchmal scheitert eine Förderung, weil das Projekt begonnen wird, obwohl es noch keinen schriftlichen Förderbescheid gibt. Das ist nun mal die Regel: Erst muss der zugestellt sein, dann kann begonnen werden.
Ansonsten sieht Varoga sich und seine sieben Sachbearbeiter, die über Fördermittel entscheiden, vor allem in einer Rolle: „Wir versuchen dazu beizutragen, dass etwas umgesetzt werden kann und nicht etwas zu verhindern oder zu sparen.“ Also darf ein Programm auch mal in die Verlängerung gehen, wenn es Sinn macht.
Varoga selbst will nicht der vom Amt sein, sondern auf Augenhöhe mit allen Beteiligten reden. „Ich will was bewegen. Es ist immer wieder schön zu sehen, wie sich Menschen neu auf den Weg machen.“

Wohin fließt das Geld der EU? Unter anderem in Projekte an der Oste wie hier in Gräpel. Foto: Klempow