THeute Multimillionär: Er hat Xing gegründet

Hamburger Jung mit Erfolg in der großen weiten Welt des Internets: Lars Hinrichs. Foto: Jonathan Lichtenberg/FrankandEva
Lars Hinrichs ist einer der wenigen deutschen Internetpioniere. Sein Portal Xing für berufliche Kontakte brachte ihm internationale Bekanntschaft und viel Geld. Wer ist der Mann?
TAGEBLATT: Herr Hinrichs, haben Sie eine Unternehmer-DNA?
Lars Hinrichs: Ich glaube, ich sehe immer mehr Chancen als Risiken. Wenn man dann etwas sieht, macht man es einfach.
Ihr Urgroßvater hat die Stadtbäckerei am Gänsemarkt gegründet. Haben Sie je daran gedacht, Bäcker zu lernen?
Nein, ich wollte immer lieber digitale Brötchen backen (lacht). Ich bin de facto ungelernt …
... im Ernst?
Ja. Ich habe nur einen Tag studiert.
Warum?
Ich wollte BWL und VWL an der Uni Witten/Herdecke studieren. Am ersten Tag habe ich mich sehr lange mit dem Dekan darüber unterhalten, warum ich studieren will. Ich sagte, ich möchte Mikro- und Makro-Ökonomie verstehen, um eine Bilanz erstellen zu können, wenn ich eine eigene Firma habe. Er sagte, so etwas kann man kaufen, man muss nicht alles selbst können. Das war eine sehr große Lektion.
Woher kommt Ihre Faszination für Computer und fürs Internet?
Ich glaube, aus der Möglichkeit heraus, Menschen über Computer zu verbinden. Heute verbinde ich mit meiner Firma Cinco Capital Unternehmen miteinander, bis vor kurzem war ich Aufsichtsrat der Telekom. Und nun schaffe ich mit dem UBS Digital Art Museum einen Ort für echte menschliche Verbindungen – und die Verbindung zwischen Kunst und Betrachtern. Mehr Verbindung geht eigentlich nicht.
Sie sind Pionier der sozialen Netzwerke, haben 2003 Xing gegründet und 2006 als weltweit erste Web-2.0-Plattform an die Börse gebracht. War das einfach der richtige Riecher?
Ein Bauchgefühl zu haben, ist wichtig, und das mit einem gewissen Grundwissen zu verknüpfen, wie Dinge funktionieren. Es gehört ganz viel Glück dazu, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, mit den richtigen Mitarbeitern. Und dann gilt es, mehr richtige als falsche Entscheidungen zu treffen. Keine Sorge, ich habe auch viele falsche getroffen (lacht).
Ist es Ihnen schwergefallen, sich von Ihrem Baby Xing zu trennen?
Überhaupt nicht. Es hing Herzblut daran, ohne geht es nicht. Aber ich hatte das Gefühl, wieder etwas Neues machen zu wollen – ohne zu wissen, was es sein würde. Ich hatte bislang 16 Firmen, von denen sind acht pleitegegangen, und jede einzelne hat mir persönlich wehgetan. Aber von den acht verbliebenen sind vier verkauft worden, eine für knapp 100 Millionen.
Sie sind Multimillionär. Was bedeutet Ihnen Geld?
Geld ist für mich ein Nebenprodukt aus erfolgreicher Arbeit. Mir geht es darum, Probleme zu lösen, gemeinsam mit anderen. Daraus entsteht dann ein gesellschaftlicher Mehrwert.
Welche Fähigkeit macht Sie erfolgreich?
Ich glaube, ich kann Leute ganz gut begeistern für Dinge, die ich tue. Ich bin eher wie ein Dirigent. Der kann die erste Geige vielleicht auch nicht gut spielen, sich aber sehr gut in die Musiker hineinversetzen. Ich kann vieles ein bisschen und vor allem das große Ganze gut zusammenhalten.
Was treibt Sie an?
Ich bin immer fasziniert von Neuem. Von Dingen, die andere vielleicht noch nicht sehen.
Apropos. Ihre neueste Idee ist ein Museum für digitale Kunst in Hamburg. Warum macht Lars Hinrichs jetzt Kultur?
Ich war 2016 in Südfrankreich im Künstlerort Saint-Paul-de-Vence, wo Picasso, Monet und andere ihre Zimmer mit Bildern und Werken bezahlt haben. Dort habe ich das Kunstwerk „Cold Life“ von teamLab gesehen, von dem ich völlig fasziniert war und das jetzt in meinem Büro hängt. Als ich hörte, dass das Kunstkollektiv ein eigenes Museum in Tokio hat, habe ich mir das angeschaut und gesehen, dass dort etwas völlig Neues entsteht. Jeder Besucher ist mit einem Lächeln rausgegangen, weil er so überwältigt war. Ich hatte das Gefühl: Da ist etwas, das größer ist.
Warum Kunst in digitaler Form?
Ich bin überzeugt: Alles, was digital sein kann, wird digital werden. Und für mich war klar, dass auch Kunst digital werden kann.
Ein Gemälde – sagen wir von Picasso – ruft beim Betrachten auch Emotionen hervor, ist aber einmalig und nicht kopierbar. Für digitale Werke gilt das nicht…
Auch die Kunst teamLabs ist nicht einfach kopierbar. Und digitale Kunst hat andere Besonderheiten: Sie entwickelt sich immer weiter. Es wird in unserem Museum immer etwas Neues zu sehen geben. Auf diesem Weg können wir noch breitere Zielgruppen für Kunst begeistern.
Sie versprechen, die Besucher können die Exponate mitgestalten und verändern. Wie soll das gehen?
Die Kunstwerke sind nicht nur visuell erfahrbar, sondern auch haptisch greifbar. Sie sehen das Kunstwerk, Sie können es berühren, damit interagieren durch Bewegungen, Anfassen, Tasten. teamLab baut die Grenzen zwischen Kunstwerk und Betrachter ab, auch deshalb heißt die Ausstellung „teamLab Borderless“. Und: Das Ausstellungserlebnis ist multisensual, es spricht alle Sinne an. Sound ist Teil fast aller Kunstwerke und teilweise auch subtile Düfte.
Sie sind vom Erfolg überzeugt?
In Tokio wollen die Besucher gar nicht mehr gehen. Manche reisen extra für die Ausstellung nach Tokio. In den Museen von teamLab in Asien liegt die durchschnittliche Verweildauer bei zweieinhalb Stunden – und allein die Museen in Tokio verzeichnen rund vier Millionen Besucher im Jahr. Ich glaube, dass wir für Hamburg, für Deutschland, für Europa wirklich etwas Großes bauen.
Klingt uneigennützig. Sie wollen mit dem Museum auch Geld verdienen?
Letztendlich geht es mir darum, Hamburg etwas zurückzugeben. Ich habe der Stadt viel zu verdanken, habe fast alle meine Firmen hier gegründet und nun die Möglichkeit, etwas zu bauen, von dem ich hoffe, dass ich zumindest kein Geld verliere (lacht). Es wird sich zeigen, ob die Hamburger das Museum genauso mögen wie ich. Sicherlich ist es auch ein Wagnis.
Wie teuer wird der Eintritt sein?
Es wird verschiedene Eintrittspreise geben: Kinder in Schulklassen kommen für 1 Euro pro Person rein. Das ist mir ganz wichtig, weil junge Menschen sehen sollen, dass Digitalisierung nicht nur Tiktok ist, sondern dass auch Kunst digital sein kann. Kinder bis sechs Jahre kommen kostenfrei ins Museum und zahlen ansonsten 12,50 Euro, Erwachsene ab 25 Euro.
Wollen Sie noch immer ins All fliegen?
Ja, ich warte auf den Flug. Ich habe Flugnummer 38 oder 39 von Virgin Galactic, bisher haben vier Flüge stattgefunden. Das Ticket habe ich schon 2010 gekauft, weil ich der Vorstellung nicht widerstehen konnte, einer der ersten 1000 Menschen zu sein, die ins All fliegen.
Vielleicht eine naive Frage an den Tech-Unternehmer: Sehen Sie in künstlicher Intelligenz Chance oder Risiko für die Menschheit?
Ich halte Vorträge immer zu Chancen, nicht zu Risiken. KI macht unseren Alltag auf jeden Fall leichter, sie kann jeden Prozess optimieren, der sich wiederholt. Etwa in der Bürokratie bei Bauanträgen. Und: Stellen Sie sich einen KI-Lehrer vor, der allen Menschen Bildung unabhängig von ihrer Lebensrealität ermöglicht. Politik wäre durch KI sicher auch deutlich besser.
Verstehen Sie die Angst, Computer könnten die Kontrolle über Menschen übernehmen?
Wenn wir die Technik verstehen, haben wir eine Grundlage dafür, dass die Computer nicht auf uns Menschen losgehen.
Warum tun wir Deutschen uns schwer mit der Digitalisierung?
Ich habe eine Zeit lang Kanzlerin Angela Merkel beim Thema Digitalisierung beraten. Sie war nicht so aufgeschlossen, was zum Beispiel die Schaffung eines Digitalministeriums angeht. Politik tut sich grundsätzlich mit dem Thema schwer, weil sie meist grau ist, digitale Unternehmen aber sind bunt. Die Deutschen haben, glaube ich, auch eine Risiko-Aversion. Alles muss doppelt und dreifach geprüft werden.
Ist Hamburg da risikofreudiger?
Ich glaube, Hamburg macht ganz viel richtig bei der Digitalisierung. Bei unserem ersten Bürgermeister, Peter Tschentscher, steht Digitalisierung schon auf Platz drei. Ich war mit Peter Tschentscher im teamLab-Museum in Tokio, und er war begeistert. In ihm habe ich einen großen Fan für das UBS Digital Art Museum.
Zur Person – Pionier und Kunstfreund
Lars Hinrichs entstammt einer Hamburger Unternehmerfamilie, sein Urgroßvater gründete die Stadtbäckerei am Gänsemarkt. Der heute 48-Jährige gehört zu den deutschen Internetpionieren, als Wehrdienstleistender baute er die Internetseite bundeswehr.de auf. Mit Geschäftspartner Peer-Arne Böttcher schuf Hinrichs im Jahr 2000 eine virtuelle Kandidatin für den US-Präsidentschaftswahlkampf.
2003 folgte die Gründung von Xing, eine internationale Plattform für berufliche Kontakte, sieben Jahre später verkaufte er seine Anteile für 48 Millionen Euro. Über seine Investmentgesellschaft Cinco Capital ist Lars Hinrichs als Risikokapitalgeber an zahlreichen Unternehmen beteiligt. Derzeit baut der Kunstliebhaber in der Hafencity ein Museum für digitale Kunst, das 2026 öffnen soll. Lars Hinrichs hat zwei Kinder. Er lebt auf der Grenze von Winterhude und Harvestehude.
Persönlich – Luxus Familie
Die besten Ideen kommen mir … auf Reisen.
Bei kreativen Krisen … entwickle ich einen neuen Plan A.
Mein Lieblingsanblick in Hamburg ist … der Moment, wenn ich aus dem Flugzeug diese grüne Stadt sehe.
Was ich immer noch mal machen will, ist … nicht aufhören, besser zu werden.
Lars Hinrichs in drei Worten … Unternehmer, Visionär, Chancen.
Am meisten ärgere ich mich über … die öffentliche Verwaltung und Politik.
Ich könnte gut verzichten auf … schlechtes Wetter.
Der beste Rat meiner Eltern war … ich habe jeglichen Rat ausgeschlagen.
Luxus ist für mich … Zeit mit meiner Familie.