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24-Stunden-Reportage

THier kommt nicht jeder rein: Nachtschicht an der Disco-Tür

Wer in die Disco möchte, muss seinen Personalausweis vorzeigen - hier bei Türsteher Lars.

Wer in die Disco möchte, muss seinen Personalausweis vorzeigen - hier bei Türsteher Lars. Foto: Wiener

Ihr Job ist mehr als Einlasskontrolle: Die Türsteher der Disco Musikladen Heinbockel sind Gesprächspartner, Schlichter und manchmal auch Infostand.

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Von Lars Wertgen
Sonntag, 06.07.2025, 18:42 Uhr

Himmelpforten. Mitternacht in Himmelpforten. Aus der geöffneten Tür der Eulsete-Halle schwappt ein kräftiger Beat auf den Vorplatz. Heute verschmilzt Tradition mit Partylaune: Der Schützenverein feiert immer mit einer Hallendisco vom Musikladen Heinbockel.

Während drinnen die ersten Tanzenden im Discolicht wirbeln, stehen andere noch am Eingang. Der Stader Bewachungs- und Sicherheitsdienst (BSD Nord) prüft Ausweise und entscheidet, wer mitfeiern darf.

Ein junger Mann versucht sein Glück, doch für ihn ist an der Tür Schluss. „Was war mit ihm?“, fragt BSD-Nord-Chef Torsten Lüders. „Zu betrunken. Er musste schon gestützt werden“, erklärt Türsteher Birger Lehmann.

Der Abgewiesene versucht es direkt bei Lüders. Doch der bleibt konsequent: „Ich vertraue meinen Leuten. Sie werden das schon richtig entscheiden.“ Lüders empfiehlt, draußen durchzuatmen und es in einer Stunde noch einmal zu versuchen.

Wer darf an die Tür?

Wer an der Tür steht, braucht mehr als ein wachsames Auge. Volljährigkeit, ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis und die Sachkundeprüfung nach §34a der Gewerbeordnung sind Pflicht.

„Ein sportliches Erscheinungsbild ist auch von Vorteil“, sagt Lüders. Die Arbeit verlangt Standfestigkeit, Fingerspitzengefühl und manchmal ein dickes Fell.

Frauenpower am Einlass?

Eine angetrunkene Frau spaßt mit Lüders, sie und ihre Freundin würden gern die Schicht übernehmen und Türsteherin sein. Dass dabei wohl eher der Alkohol als der Ernst spricht, ist ihnen anzumerken.

Der Sicherheitsdienst ist bislang eine Männerdomäne. Bei BSD Nord gehören aber auch Frauen zum Team. „Ich halte das für ratsam“, sagt Lüders. Frauen deeskalierten in Stresssituationen anders als Männer. Insgesamt arbeiten 25 Menschen für BSD Nord, drei davon fest angestellt.

Nach Mitternacht beginnen Birger Lehmann und sein Kollege Lars ihre erste Runde. Sie bahnen sich ihren Weg durch die Menge und bleiben neben der Bühne stehen, auf der ein DJ auflegt: „Hier hat man einen guten Überblick“, sagt Lars. Nach ein paar Minuten ziehen sie zum nächsten Übersichtspunkt.

Insgesamt arbeiten 25 Menschen für BSD Nord, drei davon fest angestellt.

Insgesamt arbeiten 25 Menschen für BSD Nord, drei davon fest angestellt. Foto: Wiener

Immer wieder werden sie angesprochen: Wo sind die Toiletten? Darf man hier rauchen? Wie lange geht die Disco? „Manche brauchen wirklich Hilfe. Die meisten stellen aber Fragen, die sie eigentlich selbst beantworten können“, sagt Lehmann. Türsteher sind eben auch mobile Infopoints.

Für Lehmann ist die Nachtarbeit ein Nebenjob, der ihn meist erst um sechs Uhr morgens nach Hause bringt. Tagsüber arbeitet er als Mechatroniker. „Meine Freunde sind auch Türsteher und so ist der Kontakt entstanden“, erklärt der 21-Jährige, warum er an der Tür steht.

Wenn die Disco auf Reisen geht

Im Gasthof To‘n Utspann, wo der Musikladen Heinbockel eigentlich zu Hause ist, bleiben an diesem Abend die Lichter aus. Die Diskothek ist im Sommer häufiger auf Tour. „Im Sommer zieht es viele Menschen nach draußen, sie wollen die hohen Temperaturen und das gute Wetter genießen“, sagt Inhaber Thorsten Hinrichs. Deshalb organisiert der Musikladen Open-Air-Events wie die Strandfete oder Torfrock live in Hollern-Twielenfleth - und bringt Festival-Feeling aufs Land.

Neben dem Wetter konkurriert auch die Schützenfest-Saison mit der klassischen Club-Nacht. Doch statt sich um Gäste zu streiten, nutzen die Veranstalter Synergien: Das Schützenfest profitiert vom modernen Partyformat, die Disco bleibt präsent und zieht neue Besucher an.

Dorfdisco mit Charakter

Das Heinbockel-Publikum ist bunt gemischt. Viele Besucher sind schick gekleidet, andere tragen Schützenuniform. Manche kommen in Jogginghose oder Arbeitskleidung. Beides wird meist geduldet.

Lars kontrolliert einen Handwerker, ob in dessen Taschen noch Werkzeug steckt. „Wir könnten eine Werkstatt öffnen, wenn wir alles behalten würden, was wir in deren Taschen finden“, meint er. Die einen geben an der Garderobe Jacken ab, andere Schraubendreher und Zollstock.

Birger Lehmann (rechts) und Lars schauen genau hin, bevor Gäste rein dürfen.

Birger Lehmann (rechts) und Lars schauen genau hin, bevor Gäste rein dürfen. Foto: Wiener

Spätestens bei Landwirten in Gummistiefeln ziehen sie Grenzen. „Manche haben noch Kuhmist an den Schuhen“, berichtet Lars. Wo Dorfdisco draufsteht, steckt eben auch Dorfdisco drin.

Das ist auch Charme, der Heinbockel so beliebt macht. Viele Gäste kommen extra aus der Stadt und sind Stammkunden. Das erleichtert den Job des Türstehers. „Man kennt sich und weiß, wie die Leute ticken“, sagt Lehmann.

Reden statt schlagen

Obwohl auf Schützenfesten früh am Tag Alkohol fließt, bleibt die Nacht friedlich. „Das Team weiß, wie man auf die Leute eingeht“, sagt Lüders.

Nur wenige Gäste müssen die Halle vorzeitig verlassen, weil sie sich nicht an die Regeln halten. Sie hatten wiederholt in der Halle geraucht.

Körperliche Gewalt wird möglichst vermieden, das Team setzt auf Worte statt Fäuste. „Das ist heutzutage auch leichter“, sagt Lüders. Er erinnert sich an andere Zeiten: In Kaltenkirchen wurde einmal von draußen durch die Fenster geschossen. „Zum Glück ist nicht viel passiert.“

Türsteher sammeln Ausweise

Am Einlass heißt es für alle: Ausweis zeigen. Das sorgt manchmal sogar für Unterhaltung beim Team. Als Lars plötzlich „Bingo“ sagt, hält er einen internationalen Pass in der Hand – diesmal einen estnischen.

Das ist ein Running Gag unter den Türstehern: Immer wenn ein Ausweis aus einem Land kommt, dessen Ausweispapiere noch keiner gesehen hat, gibt’s ein „Bingo!“

Erste Discobesuche

Für viele Jugendliche ist die Hallenfete die erste Disco-Erfahrung. Teenies, die erst 14 oder 15 Jahre alt sind, kommen mit ihren Eltern. Bei einer normalen Party im Musikladen Heinbockel würde Lüders abraten. „Ein Schützenfest ist aber ein Familienfest“, sagt er.

Wer noch nicht volljährig ist und ohne Eltern kommt, braucht einen Mutti-Zettel - eine schriftliche Erlaubnis der Eltern - und eine volljährige Begleitperson.

Zweite Chance am Einlass

Früher gab es Listen für Hausverbote, heute läuft alles digital. Einer probiert in Himmelpforten sein Glück, geht direkt zum Chef und fragt, ob er wieder rein darf. Er sei ohnehin nur Fahrer.

Er und ein anderer sind sich vor Wochen nonverbal so nah gekommen, dass sie sich nun wohl vor Gericht verbal streiten.

Am Ende winkt Lüders durch – und mahnt zu ordentlichem Verhalten.

Ein letzter Versuch

Es ist mittlerweile ein Uhr. Aus der Dunkelheit tritt ein alter Bekannter ins Licht. Er ist noch nicht nüchtern, aber immerhin sicherer auf den Beinen. Lehmann und sein Kollege lassen ihn durch. „Wir wollen niemandem den Abend vermiesen“, sagt Lüders.

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