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Landkreis Stade

TImmer mehr Schwarzarbeit: Diese Branchen hat der Zoll im Visier

Mitarbeiter des Zolls kontrollieren hier Bauarbeiter, ob sie als Schwarzarbeiter unterwegs sind.

Mitarbeiter des Zolls kontrollieren hier Bauarbeiter, ob sie als Schwarzarbeiter unterwegs sind. Foto: Müller/dpa

Immer mehr Schwarzarbeit richtet immer größere Schäden an: Das Hauptzollamt Bremen - zuständig auch für den Landkreis Stade - rechnet aus, dass mehr als 17 Millionen Euro im Bezirk nicht gezahlt wurden. Mit Sorge wird jetzt auch auf die Gastronomie geschaut.

Von Thorsten Brockmann Montag, 12.02.2024, 13:30 Uhr

Bremen/Landkreis Stade. Der Fahrer, der gegen Bares schnell ein paar Kartons vom Möbelmarkt liefert. Der Alleskönner, der im Sommer die Hecken schneidet und sich ein paar Euro dazu verdient. Es sind verbreitete, wenn auch kleine Beispiele für ein Phänomen, das an Bedeutung gewonnen hat: Schattenwirtschaft. Im Volksmund: Schwarzarbeit. Es reicht vom Hobbygärtner im Auftrag des Nachbarn bis zu professionellen, internationalen Banden.

Im Kampf gegen die Schwarzarbeit zieht das Hauptzollamt Bremen für das Jahr 2023 eine positive Bilanz – die eigentlich auch traurig ist. 3500 eingeleitete Strafverfahren markieren einen neuen Höchstwert, und auch die 1900 Bußgeldverfahren stellen einen neuen Rekord im Dreieck Stade, Cuxhaven und Delmenhorst dar.

Schwarzarbeit ist Wirtschaftskriminalität

„Schwarzarbeit ist Wirtschaftskriminalität und kein Kavaliersdelikt“, mahnt Nicole Tödter, die Leiterin des Hauptzollamts. Mit einer festgestellten Schadenssumme von über 17 Millionen Euro wurde das Ergebnis von 2022 von rund 9 Millionen Euro fast verdoppelt. Der Schaden errechne sich aus nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen, nicht gezahlten Steuern und „sonstigen Schäden“ zusammen, das sind insbesondere nicht gezahlter Mindestlohn, nicht gezahlte Beiträge zu Urlaubskassen und zu Unrecht erhaltene Sozialleistungen.

Die Ermittlungen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit seien meist umfangreich und zeitaufwändig, heißt es. Insgesamt sei die Zahl der Verfahren um 2100 Fälle gestiegen. Als Folge nennt der Zoll auch mehr als 28 Jahre an verhängten Freiheitsstrafen und Geldstrafen von insgesamt mehr als 1,35 Millionen Euro.

Diese Branchen hat der Zoll besonders im Blick

Rund 500 Arbeitnehmer wurden von den Zöllnern überprüft, das sind sogar 400 weniger als im Jahr 2022. Die Prüfungen erfolgen auf Grundlage eigener Risikoeinschätzung. Der Schwerpunkt habe bei Branchen gelegen, die besonders anfällig seien für Schwarzarbeit: auf dem Bau, in Gaststätten und der Hotellerie, Speditionen, das Transport- und Logistikwesen sowie Friseur- und Kosmetiksalons.

Die Zahl der Verfahren „und die deutlich gestiegene Schadenssumme zeigen, dass sich die Konzentration auf werthaltige Verfahren auszahlt“, sagt Nicole Tödter. Die Bilanz des Hauptzollamts spiegele einen hohen Verfolgungsdruck wider.

Zoll-Gewerkschaft nennt bundesweite Zahlen

Der Zoll-Gewerkschaft zufolge entstand 2022 durch Schwarzarbeit bundesweit ein Schaden von mehr als 686 Millionen Euro.

Insgesamt werde der Wert der durch Schattenwirtschaft illegal erbrachten Leistungen um 38 Milliarden auf 481 Milliarden Euro steigen, heißt es in einer Schätzung, die vom Linzer Professor Friedrich Schneider und seinem Tübinger Kollegen Bernhard Boockmann vom Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung veröffentlicht wurde.

„Wir haben keine exakten Zahlen, weil niemand die Schwarzarbeit exakt erfassen kann“, sagt Schneider. Deswegen müssen er und Boockmann mit statistischen Kniffen vorgehen. Belastende Faktoren werden ermittelt, etwa die Höhe des Steuerdrucks oder die des Verdrusses gegen den Staat. Sie werden ins Verhältnis zu messbaren Größen gesetzt, etwa die Nachfrage nach Bargeld.

Gastronomie: Steuererhöhung dürfte zu mehr Schwarzarbeit führen

Die Experten erwarten, dass die Einführung des Bürgergeldes mit einem erhöhten Regelsatz in der Summe die Schwarzarbeit senkt. Zwar werden die verbesserten Bezüge demnach auch dazu führen, dass ein Teil der Bürgergeldbezieher weniger danach strebe, einen legalen Job aufzunehmen. Jedoch überwiege der Effekt, dass durch die erhöhten Bürgergeld-Zahlungen weniger Bezieher die Notwendigkeit spürten, illegal nebenbei zu verdienen. Somit nehme die Schwarzarbeit durch die Einführung des Bürgergeldes um 2,4 Milliarden Euro ab.

Durch die Rückkehr zum vollen Mehrwertsteuer-Satz in der Gastronomie dagegen werde ein gegenteiliger Effekt erzielt. Die Wissenschaftler gehen hier von einer Zunahme der Schwarzarbeit um 1,9 Milliarden Euro aus.

Mehr Mindestlohnverstöße aufgedeckt trotz weniger Kontrollen

Die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Mindestlohngesetz ist nach Ministeriumsangaben im vergangenen Jahr bundesweit gestiegen - obwohl weniger Firmen kontrolliert wurden als im Jahr zuvor. 2023 habe die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls 7249 Ermittlungsverfahren wegen Mindestlohnverstößen eingeleitet, heißt es in einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Victor Perli. 2022 zählt die Behörde noch 5898 Verfahren. „Es gibt deutlich mehr Mindestlohnbetrug“, sagte Perli.

Es brauche unter anderem strengere Regeln bei der Arbeitszeiterfassung, damit Betrug einfach nachgewiesen werden könne, forderte Perli. Zusätzlich verlangte er mehr Kontrollen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Die Dunkelziffer der nicht erfassten Fälle liege deutlich höher. Seit Jahresbeginn beträgt der gesetzliche Mindestlohn 12,41 Euro brutto je Stunde.

Der Zoll überprüfte dem Ministerium zufolge im vergangenen Jahr bei 42.631 Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, ob diese Mindestlohn zahlen. 2022 gab es 53 182 Prüfungen. Die Branchen mit den meisten Kontrollen waren demnach das Baugewerbe, das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe und die Speditions- und Transportbranche. Den Zahlen zufolge führte rund jede sechste Kontrolle zu einem Verfahren.

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