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Energieversorgung

TIst etwas schiefgegangen? Was Stader über LNG wissen wollen

LNG-Terminal: Ankunft der „Energos Force“ in Stade-Bützfleth.

LNG-Terminal: Ankunft der „Energos Force“ in Stade-Bützfleth. Foto: Vasel

Wieso dauert das mit dem schwimmenden LNG-Terminal so lange? Das ist am Freitag die meistgestellte Frage an der LNG-Info-Box in Stade. Die Antworten sind aufschlussreich.

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Von Anping Richter
Freitag, 25.10.2024, 19:00 Uhr

Stade. „Eigentlich sollten wir schon seit Monaten dort arbeiten“, sagt der Mitarbeiter eines Stader Unternehmens. Er spricht über die Energos Force, das schwimmende LNG-Terminal (FSRU), das seit März 2024 im Stader Industriehafen liegt. Es soll Arbeitsplätze bringen: 70 im operativen Betrieb, davon 30 direkt auf der Energos Force, und weitere 30 im Umfeld - für Andocker, Feuerwehrleute, Schlepperpersonal. Doch bisher ist auf der FSRU (Floating Storage Regasification Unit) noch kein einziger Tropfen Flüssiggas regasifiziert worden.

Woran liegt’s? Das wollen viele wissen, die am Freitag zur Info-Box der Deutsche Energy Terminal (DET) auf dem Platz Am Sande in Stade kommen. Diese staatliche Betreibergesellschaft ist von der Bundesregierung mit dem Betrieb von vier schwimmenden LNG-Terminals betraut worden.

In der Info-Box, die auch am Samstag, 26. Oktober, von 8 bis 13.30 Uhr geöffnet hat, gibt es ein detailliertes Modell der Stader FSRU, interaktive Animationen und einen Kurzfilm, die zeigen, wie aus tiefgekühltem LNG wieder Erdgas wird und wie die Einspeisung ins deutsche Gasnetz funktioniert. Und vor allem sind Sprecher der DET vor Ort, die viele Fragen beantworten, die Stader interessieren. Hier eine Auswahl.

Die LNG-Info-Box auf dem Platz Am Sande am Freitagmorgen. Sie ist auch am Samstag, 26. Oktober, von 8 bis 13.30 Uhr geöffnet.

Die LNG-Info-Box auf dem Platz Am Sande am Freitagmorgen. Sie ist auch am Samstag, 26. Oktober, von 8 bis 13.30 Uhr geöffnet. Foto: Richter

1. Ist in Stade etwas schiefgegangen?

Zwei schwimmende Terminals in Brunsbüttel und in Wilhelmshaven, ebenfalls von der DET betrieben, arbeiten längst. Tatsächlich, sagt DET-Sprecher Andreas van Hooven, war auch für Stade der Plan, sechs Wochen nach der Anlandung in den Regelbetrieb überzugehen. Das heißt: Tag und Nacht Flüssiggas zu regasifizieren. Mit der Errichtung und dem späteren Betrieb der Anlagen wurde HEH (Hanseatic Energy Hub) beauftragt, ein Firmenkonsortium, zu dem auch Dow gehört. Die HEH hat die Ausschreibung dafür gewonnen.

Die DET sagt, sie werde den Bau erst abnehmen, wenn alle dafür notwendigen Arbeiten und Dokumentationen abgeschlossen sind. Und so weit ist es noch nicht. Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven wird übrigens von Uniper betrieben - einer Firma, die bereits Erfahrung mit der in Deutschland noch recht neuen LNG-Technologie hat.

2. Das schwimmende Terminal kostet sehr viel Geld. Warum wird das in Kauf genommen, obwohl die FSRU nicht arbeitet?

Nach TAGEBLATT-Information muss die Bundesregierung für die Energos Force zwischen 120.000 und 200.000 Euro an Bereederungskosten aufbringen - täglich. Die Reederei Energos Infrastructure Management dürfte das freuen, den Steuerzahler eher nicht. Die DET und das Bundeswirtschaftsministerium antworteten auf Anfrage, die genaue Summe sei ein Geschäftsgeheimnis. Doch in etwa stimmt die Summe wohl. Wäre sie grob falsch, würde sie korrigiert.

Was die DET aber sehr wohl verrät, ist, dass für die vier FSRU über die kommenden zehn Jahre etwa neun Milliarden Euro eingeplant sind. „Unsere Verantwortung ist, Planungssicherheit zu schaffen“, sagt DET-Sprecher Andreas van Hooven.

Laut Bundesnetzagentur reichten die zurzeit gefüllten Energiespeicher in einem normalen Winter und beim derzeitigen Stand der Industrieproduktion für zwei Monate. „Käme dann nichts nach, hätten wir kein Gas mehr.“ Die FSRU in Stade solle darum noch vor dem Winter in Betrieb gehen.

Im Inneren der Info-Box: Kurzfilme und ein Modell der Energos Force, des schwimmenden LNG-Terminals im Industriehafen Bützfleth in Stade.

Im Inneren der Info-Box: Kurzfilme und ein Modell der Energos Force, des schwimmenden LNG-Terminals im Industriehafen Bützfleth in Stade. Foto: Richter

3. Hat die Bundesregierung mit dem Bau der LNG-Terminals fossile Überkapazitäten geschaffen?

Nach dem Ende der billigen Gaslieferungen aus Russland bekommt Deutschland inzwischen sehr viel Pipelinegas aus Norwegen und den Niederlanden. Die drei schon aktiven LNG-Terminals (Wilhelmshaven I, Brunsbüttel und Mukran) sind nicht voll ausgelastet.

Trotzdem musste bisher niemand wegen Gasmangel frieren. Zudem sinkt der Gasverbrauch in Europa. Ist der Ausbau weiterer Kapazitäten für fossiles LNG, das obendrein in großen Teilen aus den USA kommt und durch Fracking gewonnen wird, wirklich sinnvoll?

Die beiden LNG-Terminals der DET, die im vergangenen Jahr bereits in Betrieb waren, haben 2023 sieben Prozent des deutschen Gasverbrauchs gedeckt, sagt DET-Sprecher Andreas van Hooven. Tatsächlich seien Wilhelmshaven und Brunsbüttel auch zu mehr als 80 Prozent ausgelastet gewesen.

Auch die weiteren Terminals würden benötigt, und dabei geht es nicht nur um einen womöglich unerwartet kalten Winter: Im Sommer 2025 will Deutschland dafür gerüstet sein, eine wieder anziehende Industrieproduktion bedienen zu können. Die Möglichkeit, die Produktion wieder hochzufahren, soll für die Betriebe zu jedem Zeitpunkt gegeben sein.

4. Zurzeit ist von LNG-Lieferschwierigkeiten zu hören. Wie sind die Auswirkungen auf das schwimmende Terminal in Stade?

Im globalen LNG-Markt geht es nach knallharten kaufmännischen Überlegungen. Da China zurzeit höhere Preise für LNG zahlt als Deutschland und andere europäische Länder, rechnen sich Händler genau aus, ob es sich lohnt, LNG nach Deutschland zu liefern.

Wenn sie in Deutschland in einer Auktion einen Lieferslot ersteigert haben, bedeutet das, dass sie die Möglichkeit haben, dorthin zu liefern - es gibt aber keine Verpflichtung. Nur die Gebühren für die FSRU und den Hafen werden fällig, erklärt Andreas van Hooven. Das sei seit Mitte des Jahres vermehrt der Fall gewesen.

Dazu kommt, dass manche Standorte, für die Liefer-Slots bei Auktionen ersteigert werden können, für die LNG-Händler attraktiver sind als andere. Stade gehört bisher offenbar nicht zu den attraktivsten: Im LNG-Betrieb gelten internationale Standards. Doch die landseitige Infrastruktur in Stade genüge diesen Anforderungen nicht unbedingt, erklärt die DET. Ein Beispiel: Wenn die Löschung einer Ladung eine wesentlich längere Liegezeit braucht, entscheidet sich der Lieferant eher für einen anderen Standort - und nehme womöglich noch nicht einmal an der Auktion teil. Hier soll noch nachgebessert werden.

5. Was passiert mit der FSRU, wenn das feste LNG-Terminal in Stade fertig ist?

2027 will HEH das schwimmende Terminal durch ein landseitiges ersetzen und eine Milliarde Euro in diese Infrastruktur investieren. Wenn es so weit ist, kann die DET die FSRU Energos Force, die sie für zehn Jahre gechartert hat, unterverchartern - zum Beispiel als LNG-Transportschiff. Das war sie vor ihrem Umbau zur FSRU schon einmal.

LNG-Terminal: Ankunft der „Energos Force“ in Stade-Bützfleth.

LNG-Terminal: Ankunft der „Energos Force“ in Stade-Bützfleth. Foto: Vasel

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