TJetzt kommen die Abrissbagger: Gasthof Tivoli muss weichen

Vor dem Abriss: Blick vom Alten Friedhof auf die leer stehende Traditionsgaststätte Tivoli am Vordamm in Horneburg. Diese soll im Sommer 2024 einem Wohn- und Geschäftshaus weichen. Foto: Vasel
Der leer stehende Landgasthof in Horneburg soll abgerissen werden. Familie Drewes aus Dollern, im Kerngeschäft Betreiber der Edeka-Märkte, plant ein Wohn- und Geschäftshaus - samt Gastronomie. Das ist der Plan.
Horneburg. Im April vergangenen Jahres kam das letzte Inventar der Traditionsgaststätte unter den Hammer, seitdem steht das Tivoli leer. Es gab mehrere Interessenten. Letztlich sicherte sich Familie Drewes aus Dollern die Immobilie am Vordamm. Die Kaufleute betreiben die Edeka-Märkte in Dollern und Horneburg. Im Ausschuss für Bauen und Umwelt des Flecken Horneburg hat Oliver Drewes am Dienstagabend die Planung vorgestellt. „Wir planen einen Neubau mit 19 Wohnungen und einer Gewerbeeinheit“, sagte Drewes. Im geltenden Bebauungsplan ist ein Mischgebiet festgeschrieben. Die Sanierung des 93 Jahre alten Bestandsgebäudes hätte sich nicht gerechnet. Stattdessen gab es erste Gespräche mit dem Kreis-Bauamt.
Dollerner Investor plant altengerechte Wohnungen
Das Stader Architekturbüro Schüch & Cassau hat einen Entwurf für ein Gebäude mit zwei Vollgeschossen und einem Staffelgeschoss und Fahrstuhl vorgelegt. Die Investoren wollen auf dem mehr als 2000 Quadratmeter großen Grundstück ein Effizienzhaus 40NH (Nachhaltigkeits-Klasse) errichten. Das bietet Vorteile: Wer eine Wohnung kauft, kann sich einen günstigen KfW-Kredit sichern. Drewes hofft, dass der Bund diese Förderung nicht streicht. Der Staat belohnt Käufer oder Sanierer von Immobilien bei einem niedrigen Energiebedarf mit einem günstigen KfW-Kredit von bis zu 150.000 Euro - verbunden mit einem 25-Prozent-Tilgungszuschuss. Käufer werden 4300 bis 4500 Euro pro Quadratmeter auf den Tisch legen müssen, hieß es.

Oliver Drewes präsentierte dem Horneburger Ausschuss die Pläne. Foto: Vasel
Der Dollerner will altengerechte Wohnungen schaffen, zwei werden für Rollstuhlfahrer ausgelegt. Die Wohnungsgrößen werden zwischen 45 und 100 Quadratmeter betragen. Der Schwerpunkt liege auf kleineren Wohnungen. Das Wohnraumversorgungskonzept des Landkreises Stade sieht hier Bedarf. Er rechnet, mit Verweis auf die Baukosten, mit Mieten in Höhe von 14 Euro - ähnlich wie bei den Neubauten in der Ortsmitte.

Entwurf: Die Zeichnung, die Straßenansicht (oben) zum Vordamm und die Ansicht zur Lindenstraße. Foto: Architekturbüro Schüch & Cassau
Mehrwertsteuer
T Schluss mit 7 Prozent: Gastronomen im Kreis Stade bitter enttäuscht
Pizza-Kette aus Harsefeld im Erdgeschoss
Im vorderen Bereich ist eine 169 Quadratmeter große Fläche für Gastronomie vorgesehen. Als Mieter sei Puzzles Pizza im Gespräch. Martin Engelmann betreibt die Pizza-Kette und das Kino-Hotel Meyer in Harsefeld. Für den Betrieb wird es einen Parkplatz im Schatten der drei Linden am Vordamm geben, Eigentümer und Mieter der Wohnungen werden ihre Pkw am Deich vor der Allee abstellen können.
Oliver Drewes will die Wohnungen verkaufen, mit im Boot sitzen deshalb die Makler von ISH Immobilien in Stade. Wenn der Landkreis Stade die Baugenehmigung in der ersten Jahreshälfte 2024 erteilt und die KfW-Förderung nicht dem Rotstift der Ampel-Koalition zum Opfer fällt, könnten die Bauarbeiter im Sommer kommenden Jahres loslegen. Auch hier soll mit Wiebusch aus Kutenholz-Mulsum ein Unternehmen aus der Region zum Zug kommen. Dann könnten die ersten Bewohner bereits Mitte 2025 einziehen. Auf dem Stahl-Dach werden Photovoltaik-Anlagen für den Eigenbedarf montiert - auch ein Pachtmodell sei zusätzlich denkbar. Der Abriss des Tivoli sei bereits vorbereitet worden, die Leitungen gekappt.

Blick auf den Tivoli-Festsaal im Vorgängerbau im Jahr 1908. Foto: TAGEBLATT-Archiv
Neubau an einem Ort mit langer Geschichte
Der Tivoli ist ein Haus mit einer langen Geschichte: Die Gastronomen-Familie Hauschildt hatte den Gasthof am Vordamm 44 im Jahr 1930 errichtet. Vor der Tür lagen die Sportstätten des Flecken. 1924 war - dank Unterstützung des Kaufmanns Heinrich Voigt - ein Turn-, Spiel- und Sportplatz am Poggenpohl entstanden. Im Jahr 1927 folgte die Turnhalle, heute ein Wohnhaus. Nördlich der Turnhalle zogen die Hauschildts ihren neuen Gasthof mit Saal hoch.
Johann Hauschildt hatte im Jahr 1901 die Gastwirtschaft mit Ausspann „Tivoli“ übernommen. Ab 1881 brachte die Eisenbahn an den Wochenenden die Ausflügler aus Hamburg in den Flecken. Zu den Vergnügungen des ersten „Tivoli“ gehörten Pfeilwerfen, Geschicklichkeitsspiele und Freiluft-Kegelbahn. Sonntags spielte eine Kapelle. Der Neubau war über Jahrzehnte das Lokal der Sportler des VfL Horneburg. Im Keller wurden, zur Musik von Status Quo und Deep Purple, legendäre Partys gefeiert. Nach der Insolvenz von 2007 endete die Ära Hauschildt, ein Café zog ein. Danach betrieben Helga und Hans-Jürgen Dammann 13 Jahre lang den Gasthof. Im April 2022 versteigerte Auktionator Günter Poppe das Inventar.
Einige der zukünftigen Bewohner werden mit dem Alten Friedhof auf einen geschichtsträchtigen Ort schauen können: Dort stand bis zur Zerstörung im Jahr 1624 die Gertruden-Kapelle. Horneburg war im Mittelalter ein bedeutender Pilger-Ort, die Reliquien („Knochensplitter“) der 659 gestorbenen Äbtissin Gertrud von Nivelles, Ur-Ur-Großtante von Karl dem Großen, zogen die Massen an.