TJubiläum der Schützen: Von einem verschwundenen König und starken Frauen

Mario Hointza, Vorsitzender des Dorfgemeinschaftsvereins. Foto: Helfferich
Die Krummendeicher feiern am kommenden Wochenende ihr Volks- und Feuerwehrfest und damit auch 75 Jahre Dorfgemeinschaft. Was das Fest noch dazu mit den Schützen zu tun hat.
Krummendeich. Kurios ist es schon: Das kleinste Dorf in Nordkehdingen feiert jedes Jahr Schützenfest, ohne Mitglied im Schützenbund zu sein. Hintergrund ist eine Verquickung mehrerer Interessen: Feuerwehr, Dorfgemeinschaft und Schützen. Mario Hointza, SPD-Fraktionsvorsitzender im Krummendeicher Rat und Vorsitzender des Dorfgemeinschaftsvereins, hat sich zum 75-Jährigen auf die Suche nach der Vereinsgeschichte gemacht - und Erstaunliches entdeckt.
So gibt es im Niedersächsischen Landesarchiv eine Akte aus dem Jahr 1705, nach der die Brandgilde zu Krummendeich bei der Königlichen Schwedischen Regierung eine Bestätigung sucht, dass sie am 24. Juni 1681 gegründet worden sei. „Die Brandgilde bestand auch aus Feuerwehrleuten, die geschossen haben“, hat Hointza herausgefunden. Danach würden jetzt 344 Jahre Schützengemeinschaft gefeiert werden.
Gildebuch mit 38 Artikeln bietet eine Brandversicherung
Das Gildebuch enthielt 38 Artikel, die den sozialen Zusammenhalt verdeutlichten. Strafen bei Zuwiderhandlungen wurden immer mit Schilling oder mit der „Tonne Hamburger Bier“ bezahlt. Auch war geregelt, dass niemand unter den Schützen mehr als eine Kugel zur Zeit schießen sollte. Und es habe wohl auch eine Art Brandversicherung gegeben: Wenn einer der Gildebrüder in Feuersnot komme, solle ein anderer Bruder ihn finanziell unterstützen.
„Was aus der Brandgilde geworden ist, lässt sich leider nicht mehr nachverfolgen“, bedauert Hointza. Dafür ist er in die Geschichte eingetaucht, geriet auf manche Abwege, stieß auf Dokumente der Vorkriegsjahre, über die er wieder zu den vergangenen 75 Jahren kam. Wie die verlaufen sind, konnte er anhand der Protokollbücher der Feuerwehr recherchieren.
Freiwillige Feuerwehr hatte eine Schützenabteilung
Allerdings fehlen einige Jahre. In dem Protokollbuch von 1956 gibt es Hinweise auf die Schützen: „Die Schützenabteilung der freiwilligen Feuerwehr hatte ein harmonisches Jahr“, heißt es darin, und: „Im Schießstand konnten viele Anstecknadeln verliehen werden“. Auch einigten sich die 35 Anwesenden, dass die Vereinsfarbe der Schützen Grün-Weiß sei. „Nach Erledigung aller Punkte schloß der Vorstand die Versammlung und es wurde zum Schießsport übergegangen.“
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Fast eine Pleite erlebten die Krummendeicher bei ihrem ersten Volks- und Feuerwehrfest 1951. Sie hatten einen Schausteller mit Karussell bestellt. Doch der kam nicht. „Der Stellmachermeister Wist hat kurzerhand aus einem Wagenrad, einer Achse, ein paar Brettern und einfachen Sitzen ein Karussell zusammengebaut, das die Feuerwehr im Schichtbetrieb gedreht hat“, erzählt Hointza.
Schützenkönig tauchte nach der Proklamation unter
Kurios auch das zweite Jahr: Nach dem Königsschießen hieß der Schützenkönig Tadeus Jablonski. Doch als die Schützenbrüder ihn abholen wollten, war er verschwunden. Ob aus Angst vor den Kosten oder wegen anderer Probleme, blieb offen. Er sei nie wieder aufgetaucht, so Hointza.
Es war Brandmeister Gustav Sieb, der 1950 den Vorschlag gemacht hatte, eine Dorfgemeinschaft Krummendeich zu gründen, deren Mitglieder passive Mitglieder der Feuerwehr und zugleich Mitglieder der Schießsportabteilung sind. Als solche konnten sie dann schießen.
Die Gründungsversammlung, bei der 23 Personen eintraten, war am 10. Oktober 1950. Ein Jahr später seien es schon 60 Personen gewesen, erzählt Hointza. Heute hat die Dorfgemeinschaft 350 Mitglieder, bei knapp 500 Einwohnern.
Ab da gab es die Dorfgemeinschaft Krummendeich und damit die Schießsportabteilung. Seither habe auch das Trommler und Pfeifercorps das Volks- und Feuerwehrfest begleitet, und „beim König tags drauf ... ließ man die Flaschen kreisen und die Kisten Bier wurden des Wartens erlöst“, heißt es in einem Protokollauszug. An der Festfolge habe sich bis heute kaum etwas verändert.
Schützendamen erklärten ihre Unabhängigkeit
1961 erklärten die Krummendeicherinnen ihre Unabhängigkeit von den Männern und gründeten ihre eigene Schießgruppe. 20 Jahre später setzten die Damen noch eins drauf und beteiligten sich nicht mehr an der Finanzierung des Königsabends, der nur von den Herren besucht werden durfte. 75 D-Mark sollten sie damals zahlen.
1987 wäre das Volks- und Feuerwehrfest fast geplatzt. „Der Zeltverleiher lieferte Schrott“, zitierte das TAGEBLATT. Nichts habe zusammengepasst, erinnert sich Mario Hointza. Schließlich habe man unter freiem Himmel gefeiert und kurzerhand die beiden ehemaligen Säle - bei Heyer und Kiek in - wieder reaktiviert.
75 Jahre Vereinsgeschichte hat Mario Hointza zusammengetragen und sie auf ein Banner, 80 Zentimeter hoch und sieben Meter lang, gedruckt. Beim Volks- und Feuerwehrfest am kommenden Wochenende wird es im Festzelt aufgehängt.
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