TDeutschlands jüngste Destillateurmeisterin kommt aus Horneburg

Zwei Meister vom Fass: Auch die Tochter von Nordik-Gründer Arndt Weßel hält ihren Meisterbrief in Händen. Lea Kim Weßel ist Deutschlands jüngste Destillateurmeisterin. Foto: Vasel
Die Betriebsnachfolge bei Nordik in Horneburg ist gesichert: Lea Kim Weßel hat jetzt den Meisterbrief. Ihre Meister-Fässer lagern an besonderen Orten - hinter Gittern und auf einem Frachter.
Horneburg. Ihre Meister-Fässer lagern an zwei sicheren Orten - hinter Gittern im Fasskeller der Nordik Edelbrennerei & Spirituosen-Manufaktur in Horneburg und im Frachtraum der Cap San Diego in Hamburg. Zur Vorbereitung auf ihre Prüfung hatte die Destillateurin Lea Kim Weßel einen eigenen Rum, Whisky und Weinbrand hergestellt und in Holzfässer abgefüllt.
2020 hatte sie bereits ihre dreijährige Ausbildung mit Bravour bestanden. Nach Kursen in Stade und Berlin hält die 23-Jährige jetzt den Meisterbrief der Industrie- und Handelskammer zu Berlin in den Händen. Arndt Weßel ist stolz auf seine Tochter: „Sie ist die jüngste Destillateurmeisterin Deutschlands.“
Deutschlands jüngste Destillateurmeisterin
Rund 11.400 Brennereien gibt es noch in Deutschland, vor 24 Jahren waren es noch 25.000. Die Meisterschüler aus ihrem Kurs kamen aus Österreich, der Schweiz und Süddeutschland, unter ihnen zehn Männer und zwei Frauen.
Die IHK Berlin nimmt die Prüfung zentral ab. Destillateurmeister sind Industriemeister und technische Fach- und Führungskräfte in der Spirituosenherstellung. Den Buchhaltungsteil absolvierte Weßel bei der IHK Elbe-Weser in Stade.

Lea Weßel nimmt eine Probe an der Feinbrandanlage der Nordik Edelbrennerei & Spirituosen-Manufaktur in Horneburg. Foto: Vasel
Destillateure stellen aus Kräutern, Früchten, Alkohol, Essenzen und Extrakten hochwertige Spirituosen wie Brände, Liköre und Geiste her. Für ihre Prüfung musste Weßel einen Pfirsichlikör nachbauen - gegen die Zeit. Die Meisterschüler hatten lediglich eine Stunde, um den Likör zu reproduzieren. Dafür standen auf ihrem Tisch die Inhaltsstoffe. Dazu zählten 96-prozentiger Neutralalkohol (Weingeist) als Basis für Likör sowie unter anderem Wasser, Zucker, Aromen, Destilate, Auszüge und Farbstoffe. Ein guter Geschmacks- und Geruchssinn (Sensorik) ist Grundvoraussetzung.

Blick auf das Rum-, Weinbrand- und Whisky-Fass auf der Cap San Diego im Hamburger Hafen. Foto: Cap San Diego
Lea Weßel musste der Kommission das Likör-Rezept inklusive der Angaben für das Etikett auf der Flasche liefern. Die Prüfer probierten - hinter verschlossenen Türen. Damit nicht genug. Betrug war ausgeschlossen. Denn Hightech-Laborgeräte schlüsselten die Bestandteile des Weßel-Likörs auf. Ganz wichtig: Bei einem Likör ist ein Mindestzuckergehalt von 100 Gramm pro Liter vorgeschrieben.
Alkohol ist für Kim Lea Weßel ein Genussmittel
Bereits während der Ausbildung hatte Lea Kim Weßel bei ihrem Vater gelernt, als Meisterin der Drogenkunde unter anderem Kräuterliköre und Gin nachzubauen. „Das Handwerkliche reizt mich“, sagt die 23-Jährige. Als jüngste Destillateurin holte sie 2020 beim Experimentieren den Geist aus der Gurke. Bei dem Geist blieb auch nach der Destillation der Gurkengeschmack „voll erhalten“. Für Kim Lea Weßel ist Alkohol ein Genussmittel.
Weßel stellt ersten Weinbrand des Nordens her
Deshalb hat sie jetzt den ersten Weinbrand des Nordens hergestellt. Das Getränk verbinden viele mit Traditionsmarken wie Asbach Uralt. Der Absatz sank, mittlerweile liegt der Produktionsanteil von Weinbrand an der Spirituosenproduktion bei 5,7 Prozent.
Die Spirituose des Wirtschaftswunders erlebt eine Renaissance, sagt Weßel. Allerdings schmeckten viele Industrieprodukte im Abgang „zum Abnibbeln ... wie Plörre“. Das will die Meisterin mit ihrem Manufaktur-Weinbrand ändern.

Blick auf die Nordik Edelbrennerei & Spirituosen-Manufaktur am Bahnhof in Horneburg. Foto: Vasel
Den jungen Wein mit fruchtigen Aromen für den Weinbrand lieferte das befreundete Weingut Wild aus Gengenbach im Schwarzwald. In Horneburg wird auf der Roh- und Feinbrandanlage von Nordik das Weindestillat aus Wein destilliert.
Der Feinbrand ist „das Herzstück“, erklärt die Meisterin. Und dieses beginnt im Laufe der mindestens sechs Monate langen Lagerung und Reifung in Eichenholzfässern zu schlagen. Dabei wird der Weinbrand immer komplexer.
Nordik-Weinbrand schmeckt nach Rosine und Vanille
Der Alkoholgehalt des Destillats wird auf Wasser von 86 auf 60 Prozent reduziert. Weßel kann bereits - nach ersten Proben - erahnen, wie ihr Edel-Weinbrand nach der Abfüllung in etwa schmecken wird: nach Trauben und Rosinen, mit einer leichten Vanillenote. Mehr will die Meisterin noch nicht verraten.

Ann-Kathrin Ruess von der Cap San Diego (links) und Lea Weßel sitzen auf einem Nordik-Fass im Frachtraum des Schiffes. Foto: Cap San Diego
Sie überlässt nichts dem Zufall. Proben des Feinbrandes wurden zum Fassmacher geschickt, um das passende Fass für den richtigen Charakter zu finden. In ihren Weinbrand-Fässern lagerte früher ein Gascogner seinen Armagnac. Für Fässer gibt es sogar einen Stammbaum. Der Armagnac prägt, genauso wie die Luft in der Umgebung. Der Nordik-Akvavit, der auf Fässern auf der Liinsand auf Elbe und Ostsee an Bord war, schmecke unterschiedlich.

Blick auf die Cap San Diego im Hamburger Hafen und die Elbphilharmonie. Foto: Julia Berlin/Cap San Diego
Und so werden auch der Rum, Weinbrand und Whisky auf der Cap San Diego im Hamburger Hafen einen „eigenen Charakter entwickeln“, ist Weßel überzeugt. Die drei Fässer liegen im Frachtraum des größten fahrtüchtigen Museumsschiffs der Welt - in der Dauerausstellung mit einem alten VW Käfer.
Das 1961/1962 auf der Deutschen Werft in Finkenwerder für Hamburg Süd gebaute Stückgutschiff trägt aufgrund seiner Eleganz den Beinamen „Weißer Schwan des Südatlantiks“. Bis 1981 transportierte der Frachter unter anderem Autos und Maschinen nach Südamerika. Im Jahr 1986 rettete die Freie und Hansestadt Hamburg das Schiff vor der Verschrottung und ließ es zum Museum umbauen.
Damit nicht genug. Fruchtbrände sind ihre Leidenschaft, mit Altländer Aprikosen und Bergpfirsichen, der Klimawandel ermöglicht den Anbau, experimentiert sie. Doch das ist eigentlich noch ein Geheimnis.