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Bildung

TKita-Gipfel im Stadeum: Galgenhumor und andere Wege aus der Krise

Kita-Bildungskonferenz 2025.

Kita-Bildungskonferenz 2025. Foto: Schmidt

Sollten alle Kitas nur noch bis 14.30 Uhr öffnen? Ja, findet Dr. Elke Alsago, Kita-Expertin bei Verdi. Über diese und andere Lösungen für die Kita-Krise haben Fachleute diskutiert.

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Von Anping Richter
Montag, 12.05.2025, 05:50 Uhr

Stade. Bei der Kita-Konferenz des Landkreises gab es viele Tränen. Lachtränen. Eingeladen waren Fachleute, Politiker und Eltern - und das Improvisationstheater Steife Brise. Die Schauspieler fragten im Publikum nach Sprüchen und Situationen aus dem Kita-Alltag, setzten sie sofort szenisch um und trieben das Ganze mit viel Energie und Fantasie ins Absurde.

Lachen als Krisen-Ventil

Für die Konferenzgäste dürfte das große Gelächter Ventilfunktion haben: Die Dauerkrise in den Kitas nervt Eltern, erschöpft Erzieher und stresst Kinder. Elke Alsago, Leiterin der Bundesfachgruppe Erziehung, Bildung und Soziale Arbeit bei Verdi, richtete den Blick auf die Situation der Fachkräfte anhand der Ergebnisse von zwei aktuellen Befragungen:

  • 85 Prozent der Kräfte in den Teams fühlen sich gehetzt und unter Zeitdruck.
  • 87 Prozent fühlen sich nach der Arbeit leer und ausgebrannt.
  • 50 Prozent erleben die Räumlichkeiten als ungenügend.
  • 72 Prozent berichten, dass in ihrer Kita Stellen unbesetzt sind.
  • 86 Prozent gehen davon aus, unter den gegebenen Umständen nicht gesund das Rentenalter zu erreichen.
Kita-Bildungskonferenz 2025.

Kita-Bildungskonferenz 2025. Foto: Richter

„Es herrscht eine unheimlich hohe Fluktuation. Die Teams sind eigentlich allesamt instabil“, sagt Alsago. Der Fachkräftemangel sei überall groß, doch im Kreis Stade gebe es fast 20 Prozent mehr unbesetzbare Stellen als im Bundesdurchschnitt. Auch die Krankenstände seien sehr hoch.

Kita-Ausbau ist noch kein Personal-Ausbau

„Wir haben die Kitas ausgebaut, wir bauen auch weiter aus, aber wir kommen mit dem Personal nicht nach“, sagt Kultusministerin Julia Willie Hamburg. Das Problem wiege schwer, denn: „Kinder brauchen Erwachsene, denen es auch gut geht.“

Laut Alsago gab es in Niedersachsen 2006 eine Krippenquote von 5,1 Prozent. Heute besuchen 34,9 Prozent eine Krippe. Damals gab es 50.500 Erzieher, heute sind es 82.534. Trotzdem reicht das Personal hinten und vorne nicht.

Das zeigt auch die Statistik: Durchschnittlich gab es im Kita-Jahr 2023/2024 im Kreis Stade 23 geplante und 3 ungeplante Schließtage in den Einrichtungen. In Fredenbeck und Horneburg waren es sogar 6 ungeplante Schließtage - die Eltern meist in große Schwierigkeiten bringen. Der Kita-Kreiselternrat hofft, dass die Statistik fortgeschrieben wird. Bisher ist das nicht geplant.

Fehlerhafte Bedarfsplanung über Jahrzehnte

In der Bedarfsplanung habe es über Jahrzehnte deutliche Fehler gegeben, weil vom Ist-Stand ausgegangen wurde, analysiert Elke Alsago. Doch es zeigte sich: „Wenn man ein Angebot schafft, dann nehmen die Eltern es auch wahr.“

Auch die CDU-Landtagsabgeordnete Birgit Butter, Landrat Kai Seefried, Kultusministerin Julia Willie Hamburg und die Landtagsabgeordnete Corinna Lange (von links) amüsieren sich beim Impro-Theater gut.

Auch die CDU-Landtagsabgeordnete Birgit Butter, Landrat Kai Seefried, Kultusministerin Julia Willie Hamburg und die Landtagsabgeordnete Corinna Lange (von links) amüsieren sich beim Impro-Theater gut. Foto: Christian Schmidt

Landrat Kai Seefried berichtet aus seinen Bürgersprechstunden, dass Eltern über die mangelnde Verlässlichkeit verärgert und enttäuscht sind. Auch beim Kita-Personal nehme er wahr, „welch enormer Druck auf dem System liegt“. Er betont aber auch, dass der Landkreis mit 32 Millionen Euro heute achtmal so viel für den Kitabetrieb ausgebe wie vor zehn Jahren, während die Zuwendungen vom Land nahezu gleich blieben.

Standardanforderungen beim Personal senken?

Die Kultusministerin räumt ein, dass die Zuwendungen vom Land nicht in dem Maße gestiegen sind wie die Ausgaben. Sie vermeldet aber auch einen Erfolg: In Niedersachsen sind zurzeit 19.200 Fachkräfte in Aus- und Weiterbildung. „Das ist Rekord.“ Bei der Qualifikation will sie auf keinen Fall dauerhaft Standards senken: „Jede Person, die wir einsetzen, muss perspektivisch eine Fachkraft werden.“ Das bedeutet: Wer eine Fortbildung zur Gruppenleitung wahrnimmt, darf von dem Moment an eine Gruppe leiten. Noch nehmen aber wenige diese Möglichkeit wahr.

Stattdessen wird in der Praxis heute oft zwischen Bildungs- und Betreuungszeiten unterschieden. Voll ausgebildete Fachkräfte kommen dann standardmäßig nur in den Bildungszeiten zum Einsatz. Alsago hält davon wenig: „Die einen bilden, die anderen passen nur auf und wickeln?“ Das werde weder den Kindern noch den Mitarbeitenden gerecht, an die sie sich direkt wandte: „Den gesetzlichen Anspruch zu erfüllen, ist Sache der Kommunen. Euer Auftrag ist es, dafür zu sorgen, dass es den Kindern bei euch gut geht.“

Und was ist mit den Eltern?

Bund, Länder und Kommunen müssten gemeinsam für eine stabile, auskömmliche Finanzierung sorgen, sagt Alsago. Als Sofortmaßnahme schlägt sie vor, das System zu stabilisieren, indem alle Kitas die Betreuungszeit verringern: Täglich nur noch bis 14.30 Uhr - das habe Osnabrück getan und gute Erfahrungen gemacht.

Aber was machen dann die Eltern, die mehr arbeiten wollen oder müssen? Corinna Lange, SPD-Landtagsabgeordnete und kitapolitische Sprecherin ihrer Fraktion, findet, dass es mehr Pragmatismus und Kompromissbereitschaft braucht: „Alle müssen einen Schritt aufeinander zugehen - Eltern, Kita-Mitarbeiter, Kommunen, Land und Bund. Wenn alle auf ihrer Position beharren, kommen wir nie weiter.“

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