TKlimaneutrale Milchwirtschaft: Bauern wollen Klimabilanz mit Netto-Null-Kuh retten

Nachhaltigkeit schreiben Sven und Wolfgang Kück groß. Jetzt wollen die beiden Milchbauern aus Gnarrenburg den CO2-Fußabdruck ihres Betriebs weiter verringern. Foto: Deutsches Milchkontor
Kühe sind in Verruf geraten. Weil sie durch ihre Verdauung ordentliche Mengen an Methan freisetzen. Das Deutsche Milchkontor (DMK) und einige Milchbauern wollen gegensteuern. Und die Treibhausgas-Bilanz der Wiederkäuer sogar gen Null drücken.
Gnarrenburg . Sven Kück könnte es leichter haben. Der Milchbauer aus Gnarrenburg hat derzeit an vielen Fronten zu kämpfen. Da muss man gar nicht die Streichung des Agrardiesels denken.
Der grüne Bundeslandwirtschaftsminister treibt die Tierwohl-Debatte voran, der Milchpreis hat sein Hoch zu Beginn des Ukraine-Kriegs lange wieder verlassen, die Moorschutz-Pläne des Bundes bedrohen in Regionen wie dem Elbe-Weser-Dreieck Existenzen.
Landwirte wollen Milchviehbetrieb klimafreundlicher machen
Trotzdem haben Kück und sein Vater Wolfgang sich entschieden, eine weitere Herausforderung anzugehen: Sie wollen ihren Milchviehbetrieb klimafreundlicher machen. „Wir wollen Teil der Lösung sein, nicht immer nur das Problem“, sagt der 30-Jährige.
Der 130-Kuh-Betrieb in Gnarrenburg ist einer von bundesweit drei Pilotbetrieben, die derzeit ausprobieren, wie sich die klimaschädliche Emission von Treibhausgasen in der Landwirtschaft herunterfahren lässt. Am besten auf Null. Net Zero Farming heißt das Projekt, das Deutschlands größte Molkerei, das Deutsche Milchkontor (DMK), zusammen mit interessierten Bauern gestartet hat.
Die Kühe verhageln den Landwirten die Klimabilanz
Ein ambitioniertes Ziel. Die Landwirtschaft stößt laut Umweltbundesamt jährlich 55,5 Millionen Tonnen Treibhausgase aus, das entspricht 7,4 Prozent der deutschen Emissionen. Sie liegt damit deutlich hinter den großen Emittenten Energiesektor, Verkehr, Gebäude und Industrien - aber vor dem Flugverkehr.
Der Knackpunkt dabei: Die Kühe sind schuld. Es sind nicht Dieselverbrauch oder Düngereinsatz, die der Landwirtschaft die Klimabilanz verhageln.
Es sind die Tiere. Und die können die Landwirte ja nicht abschaffen, wenn sie damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Kühe sind Wiederkäuer, sie produzieren mit ihrer Verdauung jede Menge Methan.
Das Treibhausgas, das noch schädlicher ist als CO2, entweicht jedes Mal in die Luft, wenn die Kühe rülpsen oder pupsen. Und das tun sie laut Recherchen der ARD mindestens alle drei Minuten. Die Kuh-Rülpser machen den Löwenanteil der Emissionen in der Landwirtschaft aus. Wie man das ändern soll, ohne die Kühe gleich mit abzuschaffen, bleibt die große Frage.

130 Milchkühe plus die weibliche Nachzucht halten die Kücks auf ihrem Betrieb in Gnarrenburg. Gefüttert werden sie im Wesentlichen mit Gras und Mais von den eigenen Flächen. Foto: Hansen
Bis 2050 sollen Emissionen gegen Null gehen
Henry Hashagen ist da optimistisch. Sein Arbeitgeber, die Molkerei das Deutsche Milchkontor, hat sich das Ziel gesetzt, die eigenen Treibhausgas-Emissionen - und dazu zählen auch die der Milchlieferanten - bis 2030 um 20 Prozent zu senken. Bis 2050 sollen sie sogar gegen Null gehen.
„Das ist ein sportliches Ziel“, gibt Hashagen zu. Aber machbar, glaubt er. Nicht, in dem man versucht, den Kühen das Rülpsen abzugewöhnen. „Kühe bleiben Kühe. Die werden immer Emissionen erzeugen“, sagt der Agrarwirtschaftler und grinst. Aber es gebe andere Bereiche, in denen die Höfe so viel einsparen könnten, dass am Ende rechnerisch die Null steht.
Kälber sollen gesünder aufwachsen
Auf dem Hof im Gnarrenburger Moor wird gerade an vielen, kleinen Stellschrauben gedreht. Der Effizienz zum Beispiel. Eine 10.000-Liter-Kuh ist klimafreundlicher als zwei 5000-Liter-Kühe, stellt Juniorchef Sven Kück fest.
Sein Vater und er haben deshalb einen neuen Kälberstall gebaut, mit viel frischer Luft, mit Stroh eingestreuten Boxen, in denen der Nachwuchs jetzt 12 Wochen lang mit den anderen zusammen groß wird. „Damit die Kälber gesünder aufwachsen und später eine gute Leistung bringen.“

Macht gerne mehr Klimaschutz, fordert aber auch Unterstützung ein: Sven Kück, Milchbauer aus Gnarrenburg. Foto: Hansen
Nach der Ernte wurden Zwischenfrüchte ausgesät
Oder am Boden, dem Kapital der Bauern. Die Milchbauern aus Gnarrenburg haben nach der Ernte im Herbst auf fast allen Ackerflächen Zwischenfrüchte ausgesät - zumindest dort, wo das regnerische Wetter es zuließ. Zwischenfrüchte wie Erbsen und Klee nehmen Stickstoff aus dem Boden und aus der Luft auf, sorgen für mehr Humus, mehr Bodenqualität, der damit auch mehr CO2 speichern kann.
Auch beim Futter sind die Kücks am Ball. „Wir versuchen jetzt, das Gras, das nach dem Schnitt erst mal trocknen muss, möglichst zügig von der Wiese zu holen, damit nicht so viel Energie verloren geht“, schildert Wolfgang Kück. Eine große Rolle bei mehr Klimafreundlichkeit im Stall spielen Zusatzstoffe.
Es gibt Zusatzstoffe für die Silage, die dadurch haltbarer wird, Zusatzstoffe für die Gülle, damit die länger gelagert werden kann, ohne dass der Stickstoff entweicht, oder Zusatzstoffe fürs Futter, damit sich im Pansen weniger klimaschädliches Methan bildet.
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„Das ist ein guter Weg, den wir hier eingeschlagen haben“
Sven Kück jedenfalls, der Jung-Landwirt aus dem Gnarrenburger Moor, ist zufrieden: „Das ist ein guter Weg, den wir hier eingeschlagen haben“, findet der 30-Jährige. Klimaschutz gehe natürlich alle an, und alle könnten auch was tun, sagt er. „Aber wir Landwirte haben da mehr Möglichkeiten als mancher Stadtbewohner. Und wir tun das auch gerne.“ Allerdings müsse eines klar sein: „Wir können nicht alles für umsonst machen. Wenn die Gesellschaft mehr Klimaschutz will, werden die Lebensmittel teurer.“