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Ekel-Alarm und Co.

Immer mehr Lebensmittel-Rückrufe? Was die Zahlen wirklich aussagen

Besonders empfindliche Lebensmittel wie Geflügel oder Fisch werden mit einem Verbrauchsdatum gekennzeichnet.

Besonders empfindliche Lebensmittel wie Geflügel oder Fisch werden mit einem Verbrauchsdatum gekennzeichnet. Foto: Christin Klose/dpa-tmn

Späne im Hühnchen, Salmonellen-Verdacht im Rucola - die Rückrufe häufen sich: Ist die Qualität der Lebensmittel schlechter geworden? Alle Antworten.

Von Redaktion Samstag, 04.01.2025, 14:15 Uhr

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Landkreis. In Deutschland sind 2024 in rund 300 Fällen Produkte über ein bundesweites Behördenportal zurückgerufen worden. 264 dieser Meldungen bis kurz vor Weihnachten betrafen Lebensmittel, wie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) der Deutschen Presse-Agentur mitteilte.

Danach folgten Rückrufe von Bedarfsgegenständen (33) und Kosmetika (3). Im gesamten Vorjahr wurden dem Bundesamt zufolge 310 Meldungen auf dem Portal „lebensmittelwarnung.de“ veröffentlicht.

Diese Internetseite gibt es bereits seit 2011, dort veröffentlichen die Bundesländer und das Bundesamt Produktrückrufe zu Lebensmitteln, aber etwa auch Kosmetika, Kleidung oder Küchenbedarf.

Die Zahl der auf dem Portal gemeldeten Produkte mache allerdings nur einen sehr kleinen Teil der in Deutschland vertriebenen Produktmenge aus, ordnete die Behörde ein. In Deutschland werden demnach jedes Jahr Millionen Produkte verkauft.

Hunderte Rückrufe werden auf dem Portal „lebensmittelwarnung.de“ veröffentlicht.

Hunderte Rückrufe werden auf dem Portal „lebensmittelwarnung.de“ veröffentlicht. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Was sind die Gründe für einen Rückruf?

2024 waren dem Bundesamt zufolge Krankheitserreger in 77 Fällen der am meisten gewählte Grund für einen Rückruf. Danach folgten Fremdkörper wie Späne in Speisen und gesundheitsschädliche Substanzen (jeweils mehr als 60). Aber auch Verunreinigungen und Allergene spielten eine Rolle, weshalb bestimmte Produkte zurückgegeben werden sollten.

Seit Juni dieses Jahres gibt es eine neue Kategorie zu Kinder- und Babyprodukten. Darunter fallen zum Beispiel Babynahrung und Spielzeug. Bis vor den Feiertagen wurden dort demnach 23 Meldungen veröffentlicht.

Warum kommt es zu dem Anstieg der Meldungen?

In den vergangenen Jahren ist dem Bundesamt zufolge ein deutlicher Anstieg der auf dem Portal veröffentlichten Meldungen zu erkennen. „Dies bedeutet aber nicht, dass Lebensmittel in Deutschland unsicherer geworden sind.“ Vielmehr werde es mittlerweile von allen Landesbehörden standardmäßig genutzt, um auf Rückrufe von Unternehmen hinzuweisen. „Dies hat die Transparenz und Reichweite der Rückrufmeldungen deutlich erhöht.“

Zugleich habe sich die Haltung der Unternehmen gegenüber Rückrufen gewandelt. Während im Jahr 2011 häufig eine grundsätzliche „Prangerwirkung“ von Rückrufen kritisiert worden sei, sahen viele darin inzwischen zum Beispiel eine Möglichkeit für mehr Vertrauenswürdigkeit gegenüber Verbrauchern. Die Kommunikation von Rückrufen sei schneller und transparenter geworden.

Das Bundesamt schloss zudem nicht aus, dass auch die zunehmende Globalisierung und die wachsende Komplexität der Lieferketten Gründe für den Anstieg der Zahl der Meldungen seien. „Dies führt möglicherweise dazu, dass neue Risiken auftreten, die die Häufigkeit von Rückrufen erhöhen.“

Wie gut ist die Qualität der Lebensmittel?

Das Bundesamt bezeichnete die Lebensmittelqualität und Sicherheit in Deutschland als „allgemein sehr hoch“. Es gebe regelmäßige Kontrollen, hohe Sicherheitsstandards und strenge Vorschriften bei der Überwachung von Lebensmitteln. Auch Produkte aus dem Ausland unterliegen demnach denselben deutschen und europäischen Sicherheitsstandards.

  • Exkurs: MHD und Verbrauchsdatum: Kann ich das noch essen?

Das auf einer Lebensmittelverpackung aufgedruckte Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) ist kein Wegwerfdatum. Es bedeutet vielmehr: so lange ist das Produkt mindestens haltbar, wenn es richtig gelagert wird. Die Hersteller versprechen bis dahin die ursprüngliche Qualität. Darauf weist die Verbraucherzentrale hin.

Nach Ablauf des MHD können sich manche Eigenschaften verändern, etwa die Farbe oder der Wassergehalt. Aber in den Müll gehört ein Lebensmittel dann nicht zwangsläufig, oft kann es noch gegessen werden. Das können Sie selbst überprüfen: Gibt es Schimmel oder faule Stellen und wie riecht ein Produkt nach dem Öffnen? Nur was unbedenklich ist, sollten Sie verarbeiten oder essen.

Vor dem Öffnen nicht schütteln

Tipp: Schütteln oder mischen Sie Joghurt und andere flüssige oder halbflüssige Lebensmittel nicht, bevor Sie sie öffnen und ansehen. Denn Schimmel sitzt meist obenauf und wäre sonst nicht mehr zu sehen. Unbedenklich ist dagegen eine dünne Wasserschicht auf Joghurt. Das ist Molke, die sich absetzt, erklärt die Initiative „Zu gut für die Tonne“. In der Regel sei solch ein Joghurt noch genießbar.

Übrigens: Nicht für alle Lebensmittel ist ein MHD vorgeschrieben, zum Beispiel nicht für frisches Obst und Gemüse, Wein, Getränke mit einem Alkoholgehalt von zehn oder mehr Volumenprozent, Kaugummi, Zucker, Speisesalz oder Essig.

Verbrauchsdatum ernst nehmen

Das Verbrauchsdatum ist dagegen ein spezieller Zeitpunkt, mit dem besonders empfindliche Lebensmittel ausgezeichnet werden. Das können zum Beispiel abgepackte Salate, Hackfleisch, Geflügel oder Fisch sein. Auf der Verpackung steht dann „zu verbrauchen bis“. Lebensmittel, deren Verbrauchsdatum überschritten ist, sollten daher entsorgt werden, rät „Zu gut für die Tonne“.

Denn mit einem Verzehr nach abgelaufenem Verbrauchsdatum gefährdet man die Gesundheit, heißt es von der Verbraucherzentrale. Tipp: Haben Sie etwas im Kühlschrank liegen, was bis zum nächsten Tag verbraucht werden sollte, was Sie aber nicht schaffen zu essen? Frieren Sie es doch einfach ein. Oder Sie verarbeiten die entsprechenden Lebensmittel und frieren gleich ein fertiges Gericht ein.

  • Bei Lebensmittelrückrufen immer up to date sein

Produktrückrufe passieren ständig. Aber man bekommt sie nicht immer unbedingt mit. Da kann die App „lebensmittelwarnung.de“ vom BVL helfen. Per Push-Benachrichtigungen meldet die Anwendung jederzeit neue Warnungen, Rückrufe und andere Informationen. Was genau per Push gemeldet werden soll, kann man etwa nach dem Grund der Meldung und dem Produkttyp personalisieren.

  • Die Anwendung gibt es für iOS und Android, sie ergänzt die Webseite „lebensmittelwarnung.de“.

Ein Überblick - komplett oder gefiltert

Ansonsten finden sich sowohl bei der App als auch bei der Webseite direkt auf der Startseite alle aktuellen Meldungen zu bekannten Rückrufen in den 16 Bundesländern, etwa von Lebensmitteln, Bedarfsgegenständen oder Kosmetika.

Hier kann für einzelne Produkte eingesehen werden, von wann der Rückruf ist, was genau das Problem ist, wo er überall gilt, was die gesundheitlichen Folgen sein können.

Um gezielt Meldungen zu finden, die einen vielleicht oder sicher betreffen, gibt es eine Volltextsuche. Außerdem lässt sich die komplette Meldungsliste auch nach verschiedenen Kriterien filtern.

Von Acrylamid bis Zoonosen - das Glossar klärt auf

„Lebensmittelwarnung.de“ bietet zudem noch ein hilfreiches Glossar. Darin werden viele verschiedene Fachbegriffe und Fremdwörter verständlich erklärt. Bei Schadstoffen etwa wird dargelegt, wo sie meist vorkommen können und warum sie problematisch sind.

Wer sich über Lebensmittel hinaus auch noch für Rückrufe andere Produkte interessiert, kann einen Blick in die Datenbank „Gefährliche Produkte in Deutschland“ werfen, die die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unterhält und wo sämtliche Produktkategorien zu finden sind. (dpa/tmn)

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