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Wirtschaft

TLNG-Terminal: Stade hat an der Elbe einen neuen Energiehafen

Der fast fertige Anleger für die FSRU und die LNG-Schiffe.

Der fast fertige Anleger für die FSRU und die LNG-Schiffe. Foto: nports

Großer Bahnhof am Stader Seehafen: Das Terminal für den Import von verflüssigten Gasen wurde am Sonnabend an die Betreiber übergeben. 200 Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft feierten das auf der Elbe. Zurück an Land drohte Ungemach.

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Von Lars Strüning
Samstag, 16.12.2023, 19:20 Uhr

Stade. Per Bus wurden die Gäste vom Parkplatz der AOS im Industriegebiet Bützfleth zum Seehafen gebracht. Dort empfing sie eine HEH-Pommesbude fürs zweite Frühstück. HEH, das Hanseatic Energy Hub, will im Chemiepark der Dow für eine Milliarde Euro ein LNG-Terminal bauen. Dafür musste erst der neue Energiehafen geschaffen werden.

Den sahen sich die Gäste von der MS Helgoland aus an, das über die Elbe cruiste. Mit an Bord: die beiden Minister Olaf Lies (SPD) und Christian Meyer (Grüne) aus Hannover, der Staatssekretär aus dem Bundeswirtschaftsministerium Stefan Wenzel (Grüne), der US-Generalkonsul aus Hamburg, Landrat, Bürgermeister, Bundes- und Landtagsabgeordnete sowie führende Köpfe der beteiligten Unternehmen.

Die offizielle Übergabe des Hafens (von links): Johann Killinger, Stefan Wenzel, Holger Banik, Christian Meyer, Olaf Lies, Volker Weiß und Peter Röttgen.

Die offizielle Übergabe des Hafens (von links): Johann Killinger, Stefan Wenzel, Holger Banik, Christian Meyer, Olaf Lies, Volker Weiß und Peter Röttgen. Foto: Andreas Burmann/nports

Landwirte wollten Hafengästen die Rückfahrt versperren

Der besondere Tag sollte ausgiebig auf dem Wasser bei Grünkohl und Getränken gefeiert werden. Eine Abordnung von Landwirten hätten ihnen dabei beinahe in die Suppe gespuckt.

Sie waren mit 30 Schleppern angerückt und drohten, bei Abfahrt der Gäste die Straße zu blockieren, wenn die Minister nicht gesprächsbereit wären. Umweltminister Meyer und Wirtschaftsminister Lies zögerten nicht lange und baten eine Abordnung von fünf Landwirten an Bord. Die erlebten eine kleine Überraschung.

Minister auf Seite der Landwirte

Bei den Ministern aus Hannover liefen sie offene Türen ein. Denn die sind ebenso wenig glücklich mit den Beschlüssen der Ampel-Koalition in Berlin wie sie. „Auch wir können die Entscheidungen nicht nachvollziehen und halten sie für falsch“, sagte Lies.

Meyer hätte andere Lösungen präferiert wie ein Lockern der Schuldenbremse. Die Bauern, die sich vor allem an der zukünftigen Besteuerung des Agrardiesels stören und sich ernsthafte Sorgen um ihre Familienbetriebe machen, setzen darauf, dass Lies und Meyer über die Parteischiene Einfluss nehmen auf die Bundesregierung.

Fertig sind Hafen und Anleger noch nicht

Zurück zur Hafen-Party. Hier herrschte gute Laune, vor allem bei Holger Banik, dem Chef von NPorts, der Hafengesellschaft des Landes Niedersachsen. Sein Team schaffte es im Verbund mit der Arbeitsgemeinschaft der Baufirma Depenbrock innerhalb eines Jahres, den Anleger im neuen Energiehafen FSRU-ready zu bekommen.

Das heißt: Das Spezialschiff zur Erwärmung des tiefgekühlten LNG per Elbwasser kann hier bereits anlegen. Es läuft unter dem Titel Floating Storage and Regasification Unit. Dennoch: Fertig sind Hafen und Anleger noch nicht. Von Restarbeiten zu sprechen, wäre eine Untertreibung.

Die neue Kaianlage im Stader Energiehafen ist 1,6 Kilometer lang

Die Fakten: Auf einer vier Hektar großen Wasserfläche zwischen Industriehafen und Stadersand ist ein neuer Hafen entstanden. Die Liegewanne für die Schiffe hat einen Tiefgang von bis zu 16,4 Metern, die Länge der Kaianlage misst 1,6 Kilometer.

Der Anleger in Stade gilt als das größte wasserseitige Bauprojekt in Deutschlands Häfen. Mit 300 Millionen Euro Investitionen ist es zudem das größte Projekt in der Geschichte von Niedersachsen Ports.

Beim Bau wurden Höhenunterschiede und die Deichsicherheit beachtet, teilt NPorts mit. Mehr als eine Millionen Kubikmeter Kleiboden werden für den Deichbau wieder eingesetzt. Jetzt muss noch die Gasleitung an Land getestet werden. Das soll im Januar geschehen. Bis in den Sommer könnten sich die Arbeiten an Land und Terminal hinziehen. Hier fehlen zum Beispiel noch Licht oder Pollerschutz.

FSRU soll in wenigen Wochen anlegen

Parallel zum wassergestützten Terminal für die FSRU ist seit 2019 das landbasierte Terminal vom Hanseatic Energy Hub (HEH) in Planung. Dieses soll im Jahr 2027 fertiggestellt sein und jährlich 13,3 Milliarden Kubikmeter grüne und LNG-Gase umschlagen.

Im Auftrag der Bundesregierung betreibt die Deutsche Energy Terminal GmbH (DET) die 2021 gebaute „Transgas Force“ für den Umschlag. Das FSRU hat für die Anlandung, Speicherung und Wiederverdampfung von LNG eine jährliche Kapazität von fünf Milliarden Kubikmetern. Im Februar 2024 soll das Schiff im neuen Hafenbereich von Stade-Bützfleth anlegen.

Stade: So schlägt sich Weltpolitik im Lokalen nieder

In Stade schlägt sich die große Weltpolitik im Lokalen nieder. Denn Hafen und Anleger wären kaum gebaut worden, wenn sich Deutschland vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs nicht unabhängig vom russischen Gas machen wollte. „Wir leisten einen großen Beitrag zur Energiesicherheit“, so Banik. Und: „Wir haben geliefert.“

Das sieht auch Stades Bürgermeister Sönke Hartlef so. „Heute ist ein guter Tag für Stade“, sagte er. Die Stadt befinde sich auf dem Weg zur Energiedrehscheibe Deutschlands. Er mahnte bei aller Euphorie aber auch: „Vergessen Sie nicht die Industrie im Bestand mit ihren vielen attraktiven Arbeitsplätzen.“

Hartlef meinte damit Unternehmen wie Dow, Olin oder AOS. Sie dürften aufgrund von hohen Gas- und Strompreisen nicht zu den Verlieren der Energiewende werden. Hartlef: „Der Preis wäre zu hoch.“

Ministerpräsident meldet sich per Video

Lob und Dank war Planern und Erbauern des Hafens gewiss, selbst von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der sich per Videobotschaft zu Wort meldete. Umweltminister Meyer will so schnell wie möglich so viel wie möglich grünen Wasserstoff in Stade importieren.

Die Wirtschaft giere danach. Parteikollege Stefan Wenzel reagierte auf Kritik von Umweltverbänden: „Wir schaffen keine Überkapazitäten, sondern einen Puffer für den Fall des Falles.“ Lies sprach von gemeinsamer Verantwortung von Land und Bund beim Thema Energiesicherheit: „Diskussionen über Zuständigkeiten helfen uns nicht weiter.“

Dr. Johann Killinger ist Geschäftsführer von Hanseatic Energy Hub. Er sagte: „Gesagt. Getan. Niedersachsen Ports hat es geschafft, binnen elf Monaten einen modernen Anleger für verflüssigte Gase zu errichten. Das ist beeindruckend.“

Damit sei in Stade das Fundament gelegt, um über viele Jahrzehnte zur Versorgungssicherheit Europas beizutragen - zunächst mit LNG und später mit Ammoniak als wasserstoffbasierten Energieträger.

„Wir sind nicht die Retter der alten Gaswirtschaft“

Dr. Peter Röttgen ist Chef der DET. Er sagte, dass über die FSRU pro Jahr 50.000 Haushalte mit Gas versorgt werden können. Und auch er wehrte sich gegen Vorwürfe: „Wir sind nicht die Retter der alten Gaswirtschaft.“ Aber die Industrie müsse produzieren und die Haushalte müssten heizen können.

Von einer Meisterleistung sprach Bauunternehmer Karl-Heinrich Depenbrock. Der Anleger dürfe sich auch bei Sturm und starker Strömung der Elbe nur um Millimeter bewegen. Der Hafenbau sei mit 260 Millionen Euro der größte Einzelauftrag in der Firmengeschichte gewesen.

Plötzlich stand das Unternehmen „im Rampenlicht der Republik“. Verstärkte Cyber-Angrife auf die IT des Unternehmens zählten dazu. Depenbrock: „Manchmal lagen schon die Nerven blank.“

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