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Motorsport

TLeben für die Rennpiste: Estorfer EM-Teilnehmer schraubt an Tempo und Titel

Jan Drewes schraubt in seiner Werkstatt an seinem Motorrad.

Viel Schrauben, viel Ausprobieren - bis das Motorrad sich gut anfühlt: Jan Drewes verbringt viel Zeit in seiner Werkstatt in Burweg. Foto: Meyer

Jan Drewes ist Deutschlands einziger Motorradrennfahrer bei der Freetech 50 Europameisterschaft. Für seinen Traum verlässt er seine Werkstatt kaum. Schuld daran hat auch sein Vater.

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Von Thies Meyer
Freitag, 29.08.2025, 05:50 Uhr

Burweg. Über einer Werkbank hängt ein Holzregal, auf dem Gaben für den Gott der Schnelligkeit liegen. So steht Weiß auf Schwarz auf einer Tafel: „Offerings to the God of Speed.“ Der Spruch ist Jan Drewes (23) gewidmet. Die Gaben: Dämpferfedern, Ketten, Schrauben oder Zahnräder. Einzelteile, ohne die er keine schnellen Runden auf seinem Motorrad drehen kann.

Ein Holzregal mit Ersatzteilen und einem Schild. Auf dem steht: „Offerings to the God of Speed.“

„Offerings to the God of Speed“ („Gaben an den Gott der Schnelligkeit“): Die Werkstatt hängt voll mit Schildern und Bildern. Foto: Meyer

„Offerings to the God of Speed“ stammt aus einem gleichnamigen neuseeländischen Dokumentarfilm über einen Motorradrennfahrer namens Burt Munro. Der Spitzname verrät, wofür er bekannt war.

Es läuft nicht schlecht bei der EM

Die Werkstatt liegt im Hinterhof der Eisschmiede Burweg. Vorne wird Eis geschmiedet, hinten das Motorrad, das Drewes schnelle Runden und Pokale bringen soll. Vielleicht wieder an diesem Wochenende, 30. und 31. August.

Cover für Jan Drewes nächstes Em-Rennen bei der Benelux Trophy.

Vorfreude: Jan Drewes fährt schon bald sein nächstes EM-Rennen. Die Veranstalter haben ihn sogar auf dem Cover abgedruckt (oberstes Motorrad). Foto: Meyer

Auf dem Circuit Carole, im Nordosten von Paris, in direkter Nachbarschaft zum Charles de Gaulle Flughafen, naht die Entscheidung: Wer wird Europameister? Es ist das vorletzte Rennwochenende der Freetech 50 Europameisterschaft. Derzeit liegen noch vier Fahrer vor Drewes, 23 hinter ihm.

Jan Drewes auf seinem weiß-blauen Motorrad in einer Kurve auf einer Rennstrecke.

Der Estorfer liegt auf Platz fünf von 28. Ein solches Rennwochenende könne schon mal „ein paar Tausend Euro“ kosten, so Frank Drewes. Foto: Manfred Meier (nomo)

In der Werkstatt lehnen er und Freund Kai-Uwe Klein an der Werkbank, Vater Frank sitzt auf einem Barhocker. Alle blicken auf das weiß-blaue Motorrad, das mit Bio-Sprit läuft. Daneben steht der Vorgänger.

Frank Drewes erzählt: „Wir waren an dem Punkt, dass Jan mehr konnte als der alte Rahmen und das Fahrwerk konnten. Wenn man nach vorne will, muss man sich etwas einfallen lassen.“

Jan Drewes lehnt sich mit seinem Motorrad zur Innenseite einer Kurve.

Jan Drewes fährt einen modernen, den „Hanging off“-Fahrstil und lehnt sich dabei mit seinem Körper zur Innenseite der Kurven. Foto: Manfred Meier (nomo)

Deshalb probieren die drei Detailverbissenen derzeit viel aus. Das Reglement erlaubt viele Freiheiten, Vorschriften gibt es wenige. Das Motorrad muss 50 Kubikzentimeter Hubraum haben, die Reifen 17 Zoll und es muss die allgemeinen Sicherheitsregeln erfüllen.

„Der Einsatz hat sich diese Saison schon bezahlt gemacht“, sagt Jan Drewes. Im französischen Dorf Croix-en-Ternois - kleiner als Estorf oder Burweg - stand Drewes beim EM-Auftakt auf dem dritten Podiumsplatz. Es regnete beim Rennen, das liegt ihm. Sein Pokal steht in dem Holzregal.

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Die Freizeit als Opfer des Hobbys

Ein Motorrad verschlinge „Unsummen an Knete“ - ausgerechnet haben die Drewes die Summen noch nie, so der Vater. Am Motorrad passt kein Teil von Anfang an. Jan Drewes und sein Flowervalley Racing Team sind oft in der Werkstatt. Das raubt ihm Freizeit.

In den letzten Wochen sei er jedes Wochenende durchgehend in der „Große-Jungs-Bude“ (Frank Drewes) gewesen. Die kleine Küchenzeile mit Kaffeemaschine und Fertigpesto lässt lange Schrauber-Nächte vermuten.

Jan Drewes, sein Vater Frank und Freund Kai-Uwe Klein vor einem Transporter.

Das Flowervalley Racing Team: Jan Drewes, sein Vater Frank und Kai-Uwe Klein. Der Team-Name stammt von Frank Drewes Herkunftsort Blumenthal, einem Ortsteil von Burweg. Foto: Meyer

Viel Arbeit investiert er auch in seinen Körper. Er trainiert Kondition, unter anderem im Fitnessstudio. Drewes ist schlank. Weniger Gewicht hilft viel auf der Strecke. Und er ist knapp über 1,80 Meter groß. „Der durchschnittliche Motorsportler ist aber klein“, sagt Drewes.

Jan Drewes schraubt in seiner Werkstatt an seinem Motorrad.

Jan Drewes aus Estorf möchte der nächste deutsche Europameister bei den Freetech 50 werden. Foto: Meyer

Es ist ein Hobby, das man Wollen muss. „Ganz viel Zeit für anderes bleibt da nicht“, sagt der EM-Fahrer. Im Alltag und auf der Arbeit ist die Werkstatt sein Zuhause: Hauptberuflich ist er Kfz-Werkstattleiter.

Die Vater-Sohn-Beziehung der Drewes

Die Motorsportliebe prägt Vater und Sohn seit Kindesbeinen. Jan Drewes bekam mit drei Jahren den ersten Werkzeugkasten und wurde mit dem Biker-Virus vom Vater infiziert. „Ich habe Jan immer Vertrauen geschenkt“, sagt Frank Drewes. Er bewegt seine Hände in Richtung seines Sohnes, als würde er ihm etwas übergeben: Vertrauen.

Jan Drewes hält in seiner Motorrad-Werkstatt einen Pokal in der Hand.

Meilenstein: Jan Drewes ist stolz auf den Podiumsplatz bei einem internationalen Rennen. Foto: Meyer

Ein Hobby, für das beide brennen. „Was gibt es Geileres?“, sagt Frank Drewes. Er wird philosophisch: Die Leidenschaft habe beide gelehrt, sich auf Augenhöhe zu begegnen und zu respektieren.

Wenn sein Sohn auf der Strecke ist, steht er angespannt in der Boxengasse. Auf einem Bildschirm kann er das Rennen nicht verfolgen - „da würde ich durchdrehen.“ Bei den Rennen fährt in Frank Drewes die Angst mit: „Liebes Universum, lass ihn heil ankommen.“ Der Vater betet mit den Händen und schaut nach oben an die Werkstattdecke.

Foto von Jan Drewes mit ehemaligem HSV-Spieler Mladen Petrić.

Erinnerungsfoto mit Mladen Petrić in Jan Drewes Werkstatt: Früher interessierte er sich auch für Fußball und den HSV, heute weniger. Foto: Meyer

Durch das Motorradfahren reift Jan Drewes auch als Persönlichkeit: Rückschläge und Niederlagen, sich Nächte im Fahrerlager quälen, um Motoren zu zerlegen - das habe ihn geprägt. Auch die Stürze und eine Lungenquetschung. 2022/23 stürzte er an fünf von sieben Rennwochenenden.

Drewes will bald Historisches schaffen

Jan Drewes lehnt auf einer braunen Ledercouch. „Aufhören ist aber keine Option“, sagt er. Beim Motorradfahren lerne er vieles, das im Alltag hilft. Er werde selbstbewusster. Das Vertrauen seines Vaters in ihn gab ihm Sicherheit. Die gab ihm auch seine Verlobte, die sich für sein zeitfressendes Hobby begeistert. Und wenn etwas im Leben nicht klappt: Durchhalten, sagt er.

Die Werkstatt von Jan Drewes in Burweg.

Die „Spielwiese“ der Drewes: Zwischen Ledercouch, kleiner Küchenzeile und Werkbänken schraubt das Flowervalley Racing Team am perfekten Motorrad. Foto: Meyer

Letztmals wurde 1984 ein Deutscher in seiner Motorklasse Europameister. Drewes will der nächste sein, verschiebt das Ziel aber nach hinten: „Dieses Jahr halte ich das eher für unrealistisch“.

Auf der Zielgeraden will der Fünftplatzierte seine Position verteidigen. Schnell muss er sein - er muss ja der Tafel am Holzregal gerecht werden. Für sein Ziel sei es wichtig, schon jetzt das neue Motorrad gut für die nächste Saison abzustimmen.

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