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TLerntreff an der VHS: Buxtehuder Pioniere kämpfen um die Zukunft

Deutsch lesen und schreiben lernen beim VHS-Lerntreff in Buxtehude (von links): Musa, Ahmad, Lernbegleiterin Maike Zill-Lilienthal, VHS-Leiter Dr. Dirk Pohl, Asiel und Programmbereichsleiterin Claudia Lühmann.

Deutsch lesen und schreiben lernen beim VHS-Lerntreff in Buxtehude (von links): Musa, Ahmad, Lernbegleiterin Maike Zill-Lilienthal, VHS-Leiter Dr. Dirk Pohl, Asiel und Programmbereichsleiterin Claudia Lühmann. Foto: Sulzyc

Im Integrationskurs fallen manche beim Deutsch lernen durchs Rost. Mit dem inklusiven Lerntreff setzt die VHS Buxtehude dem etwas entgegen. Dennoch droht das Aus.

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Von Thomas Sulzyc
Mittwoch, 24.09.2025, 15:00 Uhr

Buxtehude. Geht das? Deutsch lesen und schreiben zu lernen in bis zu 600 Stunden? Im Integrationskurs sollen Einwanderer innerhalb dieser Zeit das Sprachniveau B1 erreichen. Das entspricht Kenntnissen, um in Deutschland leben und arbeiten zu können.

Eine Expertin an der Volkshochschule (VHS) Buxtehude hält eine andere Zeitspanne für realistischer: Alphabetisierung passiere nicht in drei, sechs oder neun Monaten, sagt Claudia Lühmann. Sie leitet den Programmbereich Grundbildung. „Bei Erwachsenen ist das ein Projekt über mehrere Jahre.“

Manche haben nur wenige Schuljahre absolviert

Aus unterschiedlichen Gründen erreichen einige Menschen im Integrationskurs nicht ausreichende deutsche Sprachkenntnisse. Zum Beispiel, weil sie eine andere Schrift lernen müssen. Oder weil sie im Heimatland nur wenige Schuljahre absolviert haben. Manche haben eine Lernstörung.

Diese Menschen unterstützen 33 Volkshochschulen in ganz Deutschland mit einem besonderen Programm zur Grundbildung und Alphabetisierung: „Lerntreff im Quartier“ heißt es. Das Bundesbildungsministerium fördert es - noch.

Die VHS Buxtehude beteiligt sich seit November 2024 mit einem besonderen, selbst entwickelten Konzept daran: dem inklusiven VHS-Lerntreff. Menschen mit und ohne Behinderung eignen sich hier kostenfrei Kenntnisse der deutschen Sprache an. „Damit sind wir unseres Wissens die einzige Volkshochschule in Deutschland innerhalb des Projekts Lerntreff im Quartier“, sagt Claudia Lühmann.

Von einer jungen Frau mit Hörverarbeitungsstörung berichtet sie. Überaus intelligent sei die Frau, habe aber Schwierigkeiten in der großen Gruppe eines Integrationskurses Deutsch zu lernen. „Sie lernt jetzt bei uns in kleiner Gruppe.“ Zwei Frauen aus dem Kosovo seien berufstätig, könnten aber ihre Adresse nicht aufschreiben.

Regelmäßig besucht das Ehepaar Asief und Parisima aus Afghanistan den Lerntreff. Parisima sei Ärztin. Auf das Foto in der Zeitung möchte sie nicht. Dem TAGEBLATT antwortet sie in ihrer Muttersprache mit Hilfe eines Übersetzungsprogramms auf dem Smartphone: „Wir möchten hier leben. Deshalb wollen wir Deutsch lernen.“ Sie hätten niemanden in Deutschland. Die Tochter lebe in London, der Sohn in Italien.

Deshalb nehmen zwei junge Syrer teil

Der 19 Jahre alte Ahmad stammt aus Syrien und bereitet sich im Lerntreff auf den Realschulabschluss vor. „Ich will eine Ausbildung zum Bauzeichner machen“, sagt er in gutem Deutsch. Sein Freund Musa lerne Deutsch, um später eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker zu beginnen.

Manche nehmen über mehrere Monate am Lerntreff teil. Andere kommen sporadisch oder einmalig. Einige trainieren gezielt Deutsch, zum Beispiel, um sich auf die Prüfung zum Führerschein vorzubereiten. Der Lerntreff ist anders als die Deutschstunde in der Schule. „Er ist eine begleitende Selbstlernzeit“, erklärt Claudia Lühmann.

Selbst gebastelte Bildkarten unterstützten das Vokabel lernen im inklusiven Lerntreff.

Selbst gebastelte Bildkarten unterstützten das Vokabel lernen im inklusiven Lerntreff. Foto: Sulzyc

Im Durchschnitt besuchten 25 Personen im Monat den Lerntreff - nicht alle regelmäßig. Teilgenommen haben bisher Männer und Frauen ab 16 Jahren mit unterschiedlichen Herkunftssprachen: Afghanisch, Albanisch, Arabisch, Kurdisch, Portugiesisch, Russisch, Serbo-Kroatisch und Deutsch. Denn auch manche Deutsche, die eine Schule besucht haben, können nicht lesen und schreiben.

Etwa 2,3 Millionen Menschen der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland können zwar einzelne Wörter lesen, verstehen und schreiben, nicht jedoch ganze Sätze, heißt es auf der Internetseite des Deutschen Bundestages. 300.000 Menschen können nicht einmal ihren Namen richtig schreiben.

Ministerium stellt Förderung ein

Dennoch wird das Bundesbildungsministerium die Förderung des Programms „Lerntreff im Quartier“ zum 31. Oktober beenden. Mit 7500 Euro pro Jahr kalkuliert die VHS Buxtehude für den inklusiven Lerntreff.

VHS-Leiter Dr. Dirk Pohl kämpft um andere Geldgeber, um das Angebot fortzusetzen. Optimistisch ist er: „Wir planen so, als wenn wir weiter arbeiten.“

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