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Große Wahlanalyse

TLicht aus für die Ampel: Auf dem Land haben die Wähler für CDU und AfD gestimmt

Die Nationalflagge von Deutschland und die Fahne der EU.

Die Nationalflagge von Deutschland und die Fahne der EU. Die Europawahl gilt in Deutschland auch als Stimmungstest für die Bundestagswahl 2025. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Die Ergebnisse der Europawahl im Landkreis Stade sind eindeutig. Je ländlicher die Region, desto mehr Menschen wählten CDU. Das ist die große Wahlanalyse für den gesamten Kreis.

Von Redaktion Dienstag, 11.06.2024, 16:07 Uhr

Landkreis. Wie wählt meine Nachbarschaft? Das interessiert viele. Diese Frage zu beantworten, wird durch den steigenden Anteil der Briefwähler allerdings schwieriger. Sichtbar ist, wie die Menschen in den Wahllokalen gewählt haben.

Doch wie das Votum der Briefwähler aus ihrer Nachbarschaft aussieht, bleibt unklar. Die Zuschnitte der Briefwahlbezirke sind nämlich andere als die Wahllokale. Und Briefwähler wählen anders als Urnengänger. Ein Blick auf die Ergebnisse der Urnenwahl kann trotzdem aufschlussreich sein.

Wer sich die Säulendiagramme der Briefwahlergebnisse vom 9. Juni 2024 ansieht, merkt es gleich: Sie sehen denen der Gesamt-Europawahl vor zehn Jahren überraschend ähnlich.

Beispiel Stade: Das Säulendiagramm zeigt klassisch die CDU als stärkste Partei, gefolgt von SPD und Grünen. Die AfD liegt in allen acht Briefwahlbezirken in einem Bereich zwischen 4,6 und maximal 7,6 Prozent – ganz ähnlich wie die FDP.

Schlechte SPD-Ergebnisse in Stade und Buxtehude

Für das Gesamt-Ergebnis der Hansestadt Stade gilt: Die CDU bleibt stärkste Kraft und verändert ihr Ergebnis im Vergleich zur Europawahl vor fünf Jahren nur um einen winzigen Hauch nach oben: von 29,4 auf 29,8 Prozent.

Die Grünen, bei der vorigen Wahl mit 23,5 Prozent zweitstärkste Kraft, rutschen dem Bundestrend entsprechend in Stade auf 12,4 Prozent und damit auf den vierten Platz ab.

Die SPD war in ihrer einstigen Hochburg Stade schon 2019 auf 20 Prozent abgerutscht. Dieses Mal liegt sie mit 19,4 Prozent noch darunter. Damit erreicht sie zwar einen für Stade historischen Tiefststand, steht im Vergleich zum Bundestrend aber noch gut da.

AfD überholt in Stade die Grünen und wird Dritter

Und wo sind die ganzen Stimmen hin? Nicht zur FDP. Die hat sich in Stade im Vergleich zur letzten Wahl nur um eine Winzigkeit verbessert: von 4,6 auf 4,7 Prozent der Stimmen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) allerdings räumt in der Hansestadt Stade 4,9 Prozent ab. Und die AfD, beim letzten Mal bei 8,64 Prozent, rückt hoch auf 14,48 Prozent, überholt damit die Grünen und landet auf dem dritten Platz.

Beim Blick auf die einzelnen Stader Wahllokale fallen Besonderheiten auf: In der Grundschule Haddorf erreichte die AfD mit 29,07 Prozent das höchste Ergebnis in der Stadt Stade und damit Platz 1 vor der CDU mit 27,24 Prozent. Auch in Hahle und Wiepenkathen erzielte die AfD hohe Ergebnisse um die 25 Prozent.

AfD-Chefin Alice Weidel nach der Europawahl.

Die AfD hatte am Wahlsonntag reichlich Gründe zu jubeln. Foto: Joerg Carstensen/dpa

Auffällig ist auch, dass das BSW in der Montessori-Grundschule 14,62 Prozent erzielte. Das entspricht allerdings 50 Personen, denn von 1154 Wahlberechtigten gingen nur 347 in die Wahlkabine (30,07 Prozent).

Es war die niedrigste Wahlbeteiligung in der Hansestadt Stade - wie oben beschrieben, sind die Briefwähler nicht eingerechnet. Mit denen lag die Wahlbeteiligung in Stade insgesamt bei 61,11 Prozent, ein wenig höher als bei der vergangenen EU-Wahl.

Buxtehude: Schwächstes Ergebnis für die AfD

In der Hansestadt Buxtehude gab es einen Durchmarsch der CDU (28,7 Prozent) in allen Wahllokalen, und das ist ungewöhnlich. Die Christdemokraten konnten sehr knapp auch bei der Kommunalwahl 2021 stärkste Kraft vor der SPD (19,91 Prozent) werden, obwohl es ein historisch schlechtes Ergebnis war.

Diesmal lag die CDU im eigentlich roten Buxtehude in jedem einzelnen Wahllokal auf Platz 1 und landete sehr deutlich vor der SPD. Trotzdem: Nirgendwo anders war die SPD stärker als in Buxtehude.

Die Stadt bleibt auch eine Hochburg von Bündnis 90/Die Grünen. 15,52 Prozent waren im Landkreis das beste grüne Ergebnis. Das spiegelt sich auch beim Ergebnis der AfD (11,3 Prozent) wider: Es war das schwächste Ergebnis im Landkreisvergleich.

In Buxtehude gibt es außerdem einen Achtungserfolg für die FDP. Sie schaffte mit 5,4 Prozent den Sprung über die bei der Europawahl bedeutungslose Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag in Buxtehude bei 66,9 Prozent.

Die Ampelparteien sind klar in der Minderheit

Die Wähler in der Samtgemeinde Harsefeld (Wahlbeteiligung 66,4 Prozent) haben sich klar für die CDU ausgesprochen. Sie wurde mit 37,1 Prozent stärkste Kraft. Spannender war die Frage, ob die SPD oder die AfD auf Platz 2 einläuft.

Das hat sich erst mit den letzten Ergebnissen entschieden. Am Ende behauptete die SPD (17,8 Prozent) den Platz vor der AfD (17,8 Prozent). Die Grünen kamen auf 9,5 Prozent, die FDP auf 4,6 Prozent.

Wie schwierig die Wahl für die Regierungsparteien im ländlichen Raum war, zeigt ein Blick in die kleinste Harsefelder Mitgliedsgemeinde Brest: Hier kamen SPD, Grüne und FDP zusammen auf gerade einmal 25 Prozent. In einzelnen Wahllokalen wie in Ahrenswohlde reichte es nur für 20 Prozent.

Fredenbeck ist CDU-Land

Auch die Samtgemeinde Fredenbeck ist CDU-Land. Hier kamen die Christdemokraten auf herausragende 40,1 Prozent. Das sind Ergebnisse, die es in der fragmentierten Parteien-Landschaft eigentlich nicht mehr gibt. SPD (17,7 Prozent) und AfD (16,4 Prozent) sind weit davon weg.

Bündnis 90/Die Grünen landeten bei 7,2 Prozent. Beachtenswert ist das Ergebnis in der Gemeinde Kutenholz. Die CDU landete bei 42,6 Prozent. In Aspe waren es sogar über 46 Prozent.

Die Grünen hatten hier mit 4,7 Prozent eines der schlechtesten Ergebnisse überhaupt. Die AfD bekam 20,1 Prozent. Auf Gemeindeebene ist das auch ein sehr starker Wert. Die Wahlbeteiligung in der Samtgemeinde lag bei 64,96 Prozent.

Apensen meint es gut mit der Ampel

In der Samtgemeinde Apensen (Wahlbeteiligung 69,8 Prozent) geht die Wahl für die Parteien der Ampel-Koalition etwas glimpflicher aus als in den anderen Geest-Gemeinden Harsefeld und Fredenbeck.

Die CDU ist hier mit 36,4 Prozent zwar immer noch doppelt so stark wie die SPD (17,3 Prozent). 10,4 Prozent gab es für die Grünen und 5,2 Prozent für die FDP. 13,9 Prozent wählten AfD.

Horneburger kündigt Grünen die Freundschaft

Im Vergleich zur Europawahl 2019 hat sich in der Samtgemeinde Horneburg sowohl die Anzahl der Wahlberechtigten um knapp 700 Personen als auch die Wahlbeteiligung um 2,5 Prozent auf 67,8 Prozent erhöht.

Sie liegt damit 2,6 Prozent über dem Kreisdurchschnitt. Den größten Stimmenzuwachs hatte wie im bundesweiten Trend die AfD mit einem Plus von 5,1 Prozentpunkten.

Die größten Verluste mussten Bündnis 90/Die Grünen einstecken, die in der Wählergunst als einst zweitstärkte Kraft mit 23,9 Prozent auf jetzt 12,6 Prozent abstürzten.

Im Flecken Horneburg gaben von 5281 Wahlberechtigten gerade mal 46,0 Prozent ihre Stimme vor Ort ab, also nicht mal jeder Zweite. Gleichzeitig sicherte sich die AfD in Horneburg mit 17,9 Prozent die zweitmeisten Stimmen hinter der CDU mit 28,2 Prozent.

Woher kommen die Stimmen für Bündnis Deutschland?

Die Samtgemeinde Lühe steigerte ihre Wahlbeteiligung im Vergleich zur letzten Europawahl um ganze 3,5 Prozentpunkte auf 70,4 Prozent. Die AfD legte 2024 um 3,1 Prozent zu, den stärksten Stimmengewinn verzeichnete die CDU mit 4,8 Prozent. Die größten Verluste kassierten Bündnis 90/Die Grünen mit einem Minus von 12,4 Prozent.

Spitzenreiter der Samtgemeinde an der Wahlurne ist die Gemeinde Neuenkirchen mit 51,7 Prozent. Die niedrigste Wahlbeteiligung vor Ort in den Wahllokalen verzeichnet Hollern-Twielenfleth mit 47,1 Prozent. Die 2022 gegründete Kleinstpartei Bündnis Deutschland kam in Steinkirchen überraschenderweise aus dem Stand zu einem Ergebnis von 2,55 Prozent.

Jork: AfD gewinnt in Hovre viele Wähler

Die Wähler in der Gemeinde Jork lieferten mit 71,8 Prozent Wahlbeteiligung die höchste im Bereich Altes Land/Horneburg. Sie konnte sich im Vergleich zur Europawahl 2019 minimal um 0,8 Prozentpunkte steigern.

Den größten Stimmenzuwachs in Jork hatte die AfD mit einem Plus von 4,4 Prozentpunkten, die auf 11,6 Prozent kam. Den größten Zuspruch vor Ort an der Wahlurne bekam die Rechtsaußen-Partei im Wahlbezirk Hove mit 17,2 Prozent und legte hier im Vergleich zu 2019 um 7,2 Prozentpunkte zu.

Bündnis 90/Die Grünen rutschten in der Gemeinde von 23,48 Prozent um satte 10,85 Prozentpunkte auf 12,63 Prozent der Stimmen ab.

In der Gemeinde Hammah wählen viele AfD

23,8 Prozent wählten in der Gemeinde Hammah die AfD. Damit liegt die Gemeinde weit über dem AfD-Ergebnis in der Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten (17,2 Prozent). In der Samtgemeinde legte die CDU minimal zu und ist stärkste Kraft (38,3 Prozent), die AfD liegt noch vor der SPD (16,4 Prozent - 2019 waren es 18,8).

Die Grünen rutschen auf 8,4 Prozent und verlieren damit mehr als 11 Prozent im Vergleich zur letzten Europawahl. Nur 50 Stimmen trennen die FDP (4,4 Prozent) und das BSW (3,8 Prozent).

Einzelne Wahlbezirke ragen in der Samtgemeinde heraus: Im Wahlraum Altes Rathaus in Hammah stimmten 29,5 Prozent für die AfD. Nur 50 Meter weiter liegt das nächste Wahllokal im Dorfgemeinschaftshaus Hammah. Dort gaben 17,1 Prozent ihre Stimme der AfD.

Die Bahnhofstraße ist die gedachte Trennlinie der Wahlbezirke. Die Hammaher Neubaugebiete liegen im Einzugsbereich des Alten Rathauses.

Ob die große Zustimmung für die putinfreundliche AfD am Anteil der russlanddeutschen Bevölkerung liegt, kann nur vermutet werden. Auch im Himmelpfortener Wahlbezirk mit dem Neubaugebiet liegt die AfD bei 26 Prozent.

Drochtersen: Was ist los im Ortsteil Ritsch?

In der Gemeinde Drochtersen holte die CDU 40,79 Prozent. SPD (18,1) und AfD (17,5) lagen fast gleichauf. Die Grünen (6,2) verloren weiter an Boden. Aber vor allem mit einem Wert stach ein Ortsteil der Gemeinde heraus.

Die AfD holte im Ortsteil Ritsch 29,6 Prozent. Zur Einordnung: Von 213 gültigen Stimmen entfielen 63 auf die AfD. Dass in Ritsch viele die AfD wählen, ist nichts Neues. Aber erklären kann dieses Phänomen niemand vor Ort.

Ex-Bürgermeister Hans-Wilhelm Bösch lebt in Ritsch. Er ist immer noch gut vernetzt. „Uns Demokraten fehlen die Worte“, sagt er. Er wundere sich, nichts deute im Vorfeld auf solch ein Ergebnis hin. „Die Unzufriedenen geben sich nicht zu erkennen“, sagt Bösch. Der aktuelle Bürgermeister Mike Eckhoff hat auch „keine Erklärung“.

Nordkehdingen: Grünen spielen keine Rolle

In der Samtgemeinde Nordkehdingen (Wahlbeteiligung knapp 60 Prozent) lag in allen fünf Mitgliedsgemeinden die CDU vorn, die SPD pendelte sich zwischen 17 und 25 Prozent ein. Die AfD holte auf Samtgemeindeebene knapp 15 Prozent der Stimmen. Im kleinen Krummendeich kam die AfD auf 6,3 Prozent.

Auffallend: Die Grünen spielen in der landwirtschaftlich geprägten Samtgemeinde kaum eine Rolle. Sie erhielten nur 6,7 Prozent, in Oederquart sogar nur 3,6 Prozent. Eine mögliche Erklärung: Es gibt in Nordkehdingen keinen Ortsverein der Grünen, die Mitglieder werden von Oldendorf-Himmelpforten mit betreut.

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