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Lidl lockt mit Gratis-Abo zum Großeinkauf – Rabatte gegen Daten

Vom 4. November an profitieren Nutzer der Lidl-Plus-App von einer neuen Kooperation mit Disney+.

Vom 4. November an profitieren Nutzer der Lidl-Plus-App von einer neuen Kooperation mit Disney+. Foto: Marijan Murat/dpa

Einkaufen und dafür kostenlos fernsehen. Was verlockend klingt, hat auch seine Kritikpunkte. Lidl startet von Montag an ein neues Angebot.

Von Redaktion Sonntag, 03.11.2024, 15:05 Uhr

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Landkreis. Der Discounter-Markt in Deutschland ist stark umkämpft. Um Kunden zu gewinnen, setzt Lidl auf besondere Angebote und die eigene App. Von diesem Montag an (4. November) profitieren Nutzer der Lidl-Plus-App von einer neuen Kooperation mit Disney+. Wer monatlich mindestens 400 Euro bei Lidl ausgibt, erhält ein kostenloses Abo des beliebten Streamingdienstes. Für niedrigere Ausgaben gibt es ebenfalls stufenweise Rabatte für den Zugang zum Streamingdienst.

Angebot ausschließlich über die App

Das Angebot wird über die Lidl-Plus-App aktiviert und kann monatlich verlängert werden. „Durch die Kooperation mit Disney+ und das neue, exklusive Angebot steigern wir den Kundennutzen unserer Lidl-Plus-App weiter und bieten einen besonderen Mehrwert, der über das gewohnte Einkaufserlebnis hinausgeht. Mit Disney+ erweitern wir unser digitales Angebot mit spannender Unterhaltung für die ganze Familie,“ frohlockt Jan Bock, stellvertretender Geschäftsleitungsvorsitzender bei Lidl.

Im Jahr 2020 hat der Discounter die App eingeführt. Damit sollen Kunden besondere Angebote und Rabatt-Coupons erhalten, wenn sie die App bei ihren Einkäufen nutzen - im Gegenzug für persönliche Daten. Seit 2023 sind für App-Nutzer bei Lidl manche Produkte günstiger. Es gibt also einen Preis für die Nutzer der App und einen Preis für alle anderen Kunden. Die App ist mittlerweile europaweit verfügbar.

„Diese regelmäßig wechselnden Rabatte für Nutzer der App werden auf unseren Preisschildern ausgezeichnet“, erklärte ein Sprecher des Discounters auf Anfrage der Deutschen Presseagentur. Auch in Deutschland werden diese Aktionspreise flächendeckend angeboten.

Rabatte gegen persönliche Daten

Das Lidl-Motto: Wer mehr einkauft, bekommt auch mehr Preisnachlässe bei mehr Produkten. Ein klarer geldwerter Vorteil also vor allem für Stammkunden? Nicht unbedingt, sagen Verbraucherschützer. Denn was auf den ersten Blick nach dem ganz großen Sparanreiz klingt, kann sich für die Kunden schnell auch als teures Vergnügen entpuppen.

Es stelle sich die Frage, ob durch „geschicktes Bewerben“ nicht mehr gekauft werde als eigentlich benötigt, sagt die Landesbeauftragte für Datenschutz in Schleswig-Holstein, Marit Hansen. Sie betont, Rabattsysteme seien aus Sicht der Unternehmen letztlich kein Zuschussgeschäft.

Vorreiter für bundesweite Kundenkarten im Einzelhandel war vor mehr als 20 Jahren Payback. Rabatt- und Prämienversprechen - etwa für das Sammeln von Punkten - sorgten damals für einen Run auf die Neulinge im Scheckkarten-Format, heute spielt sich auch hier das Hauptgeschäft in Smartphone-Apps ab.

Auch wenn die Bonusprogramme sich im Detail unterscheiden, ist das Geschäftsprinzip immer dasselbe: Die Kunden erkaufen sich Rabatte oder Prämien, indem sie ihre Daten an Dritte geben - etwa Name, Mailadresse und Shopping-Präferenzen. „Platt könnte man sagen: Mehrwerte gegen Daten“, sagt Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IFH) in Köln. Mit den Daten könnten die Unternehmen einerseits maßgeschneiderte Angebote für einzelne Kunden erstellen, zum anderen aber auch Marketing- und Vertriebsmaßnahmen besser an die Gesamtkundschaft anpassen.

Datenschützerin Hansen sieht die Gefahr, durch die Sammelwut der Unternehmen könnten Bürger zu gläsernen Kunden werden. „Mit Kundenprogrammen, die auf der Analyse des Einkaufsverhaltens basieren, ermöglicht man einen Blick nicht nur in seinen Einkaufskorb, sondern auch in den Haushalt oder sogar in die eigene Persönlichkeit.“ Wer über eine längere Zeit Einkaufsdaten einer Person sammle, könne Rückschlüsse auf die Größe des Haushalts, Feierlichkeiten und Gäste, Markenbewusstsein, Ess- und Konsumgewohnheiten, selbst auf den Gesundheitszustand ziehen.

Der Hamburger Landesdatenschutzbeauftragte Johannes Caspar sagt, aus einer Privilegierung von Mitgliedern eines Bonusprogramms könne schnell auch eine „latente Benachteiligung“ von allen anderen werden, die dann stets höhere Preise zu zahlen hätten.

Umfrage: Apps von Lebensmittelhändlern weit verbreitet

Über die Hälfte der Smartphone-Nutzerinnen und -Nutzer in Deutschland hat mindestens eine App von Lebensmittelhändlern wie Rewe, Edeka, Netto, Lidl oder Kaufland auf dem Smartphone installiert. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung unter 1123 Internetnutzerinnen und -nutzern in Deutschland ab 16 Jahren des Digitalverbands Bitkom. In der Umfrage sagten 58 Prozent, dass sie eine App verwenden, um in Sonderangeboten zu stöbern, die digitale Kundenkarte an der Kasse vorzuzeigen oder am Gewinnspiel teilzunehmen.

Smartphone-Nutzerinnen und -Nutzer, die solche Apps verwenden, haben oft die Anwendungen mehrerer Händler installiert: Nur 17 Prozent haben eine einzige App auf ihrem Handy. Auf zwei Apps setzt rund ein Viertel (27 Prozent). Weitere 29 Prozent haben 3 oder 4 Apps auf dem Smartphone installiert. Bei den verbleibenden 27 Prozent finden sich sogar 5 Apps oder mehr von Lebensmittelhändlern auf dem Smartphone. (dpa)

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