TLoxstedterin seit 1986 vermisst – Neue Spur zum „Göhrde-Mörder“?

Stehen die Begegnungen zweier Frauen im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Jutta Schneefuß? Foto: privat Foto: privat
Die Loxstedterin Jutta Schneefuß verschwindet im Juni 1986 spurlos. Jetzt berichten zwei Frauen aus Düring, dass sie im selben Jahr dem mutmaßlichen Serienmörder Kurt-Werner Wichmann begegnet sein könnten - und zwar ganz in der Nähe.
Loxstedt. Sieben Frauen sind zwischen 1977 und 1986 spurlos verschwunden. Bekannt sind die Fälle umgangssprachlich als „Disco-Morde“. Eine der Frauen ist die 25 Jahre alte Loxstedterin Jutta Schneefuß. Die Mutter einer damals fünfjährigen Tochter ist öfter getrampt. Am 13. Juni 1986 will sie per Anhalter gegen 19.30 Uhr oder etwas später nach Bremerhaven fahren. Wahrscheinlich im Bereich Hohewurth verliert sich die Spur der 1,72 Meter großen Frau, die unter einem Auge und am rechten Oberarm tätowiert ist. Sie ist mit einer Jeans, einem T-Shirt und Turnschuhen bekleidet. Bis heute gibt es kein Lebenszeichen von ihr.
Führt auch hier die Spur zum mutmaßlichen Serienmörder Kurt-Werner Wichmann?
Mutmaßlicher Serienmörder in Loxstedt unterwegs?
Mehrere Frauen hatten gegenüber der "Nordsee Zeitung" und dem früheren Chef des Hamburger Landeskriminalamtes, Reinhard Chedor, bereits berichtet, dass sie zwischen Mitte der 70er-Jahre und 1986 Wichmann begegnet, von ihm verfolgt und geflohen sind. Und jetzt gibt es zwei weitere Zeugen, die fast genau dort auf Wichmann gestoßen sind, wo auch Jutta Schneefuß verschwunden ist. Ihre Aussagen sind bemerkenswert. Gibt es auch hier einen Zusammenhang zu dem Lüneburger? Hat er schon vorher hier im Bereich Loxstedt ein Opfer gesucht?
Der Friedhofsgärtner Kurt-Werner Wichmann, 1949 geboren, ist höchstwahrscheinlich verantwortlich für die „Göhrde-Morde“, bei denen 1989 zwei Paare in einem Waldgebiet bei Lüneburg getötet worden sind, und für den Tod von Birgit Meier, die auch 1989 ermordet worden ist. Ihre Leiche findet man erst 2017, unter Wichmanns Garage. 1993 nimmt er sich in der Untersuchungshaft das Leben
Für eine Verbindung zwischen den „Disco-Morden“ und Wichmann gibt es laut Polizei in Cuxhaven derzeit keine Anzeichen. Auch wenn man nicht ausschließt, dass Wichmann hier unterwegs gewesen sein kann. Für strafrechtliche Handlungen fehlen die Beweise. Sämtliche Aussagen der Frauen gegenüber der NZ nehme man aber ernst, will die Frauen demnächst auch selbst kontaktieren.
NZ übergibt Aussagen der Zeuginnen der Polizei
Zwei Begegnungen spielen sich in unmittelbarer Nähe des Verschwindens von Jutta Schneefuß ab. Reinhard Chedor hat die Frauen besucht, die Gespräche aufgezeichnet. Sie wollen anonym bleiben. Diese Aussagen und alle anderen Gespräche mit Frauen - mittlerweile mehr als zehn - haben Chedor und die "Nordsee Zeitung" der Polizei in Cuxhaven für ihre Ermittlungen übergeben.
Ein Tag im Frühjahr 1986, also wenige Monate vor dem Verschwinden von Jutta Schneefuß, macht sich eine 18 Jahre alte Schülerin aus Düring zu Fuß auf den Nachhauseweg. Von Bremerhaven aus fährt sie regelmäßig mit dem Zug nach Loxstedt. Es sei denn, sie wird von Freunden mitgenommen. Wenn sie da zu Fuß unterwegs ist, guckt sie immer, ob nicht doch Freunde oder Bekannte vorbeikommen. Sie trampt also nicht bewusst.

Serienmörder Kurt-Werner Wichmann. Das Bild dürfte in den 80er-Jahren entstanden sein. Foto: privat/Eggeling
„Als ich die Brücke zwischen Loxstedt und Düring hinter mir gelassen hab, bemerke ich ein Auto.“ Bis zum Ort ist es noch ein Kilometer. Zuerst glaubt sie, es könne der Vater einer Freundin sein, der fährt einen champagnerfarbenen Mercedes. Dieser ist aber hellbraun-metallic. „Er fährt langsam an mir vorbei, guckt mich an, mir stieg schon der Puls“, erzählt die Frau, die heute immer noch im Landkreis wohnt.
Am rechten Fahrbahnrand der Düringer Straße hält der Mann und versperrt ihr den Weg. „Ich hätte nur über die Fahrbahn ausweichen können.“ Das möchte sie aber nicht, da sie dann auf der Fahrerseite gewesen wäre, „und ich ihm mehr Gelegenheit gegeben hätte, auszusteigen und mich abzugreifen“. 10 bis 15 Meter vor ihr reißt er plötzlich die Beifahrertür auf. Es ist eng am Fahrbahnrand, kaum noch Platz, direkt angrenzend Bäume und ein Graben. „Na, willst du mitfahren?“, fragt der Mann, als die Schülerin auf Höhe der Beifahrertür ist, den linken Arm lässig in die Ablage der Tür gelegt.
Junge Frau lügt den unheimlichen Mann an
Die junge Frau schaltet blitzschnell, lügt ihn an: „Nee, ich fahr nicht mit, meine Mutter holt mich ab, die müsste eigentlich schon da sein, hat sich wohl mit einer Nachbarin verquatscht.“
Sie schlägt die Tür zu, geht strammen Schrittes weiter. Überlegt sich schon mal einen Fluchtweg („ich war sehr sportlich“). Der Wagen verfolgt sie erst noch, überholt dann und gibt Gas. Weg ist er. Den Mann beschreibt sie als gepflegt, er trägt Anzug, goldgeränderte Brille, etwas längere braune Haare. Er zeigt ein cooles, lässiges Verhalten, „ganz der Mann von Welt“.
Sie überlegt später, ob es ein Geschäftsmann war, der zur Großschlachterei in Düring will. „Aber als fremder Mann hielt man auch damals nicht neben einer jungen Frau an und fragt, ob man mitfahren will.“ Ihr ist klar: Der Mann führte nichts Gutes im Schilde. „Ich hatte mehr Glück als Verstand.“ Vielleicht habe sie das Katz-und-Maus-Spiel und die Tatsache, dass man sich so immer mehr dem Dorf genähert habe, gerettet.
Zeugin erkennt Wichmann nicht sofort - schließt ihn aber nicht aus
War es Wichmann? Auf Fotos mit blonden Haaren erkennt sie den mutmaßlichen Mörder nicht sofort, auf jüngeren, die ihn mit braunen Haaren, Krawatte, weißem Hemd und Anzug zeigen, schon eher. Sie hält es nicht für ausgeschlossen.
Warum hat der Mann das Weite gesucht? Eine Kriminalpsychologin hat die Aussagen der Frauen analysiert. Das Verfolgen, das Nebenherfahren und das Auffordern oder Nötigen der Frauen zum Einsteigen, soll Angst verbreiten. Dieses Einschüchtern der Radlerinnen oder Fußgängerinnen sei auch Ziel des Tatplanes, sich an der Angst der Opfer zu weiden. Das war schon der Fall bei der Wehdenerin U.H, die auch von Wichmann mit dem Fahrrad verfolgt wurde.
Und es gibt noch eine Begebenheit rund um Juttas Verschwinden
Ein ähnliches Muster zeigt sich wahrscheinlich zwischen Mai und Ende Juni 1986, also wieder rund um das Verschwinden von Jutta Schneefuß. Die 17 Jahre alte Düringerin Sylvia N., die kurz vorm Schulabschluss steht, will in Loxstedt-Siedewurth etwas einkaufen. Es ist nachmittags, die Sonne scheint. Sie ist mit dem Fahrrad von Loxstedt auf einem Landwirtschaftsweg Richtung Famila unterwegs. Dort nähert sich ihr auf dem Weg, den man „von allein nicht so leicht findet“, ein Auto, ein helles Auto, „weiß, grau oder silber“, vielleicht ein weißer Mercedes. Mehrere Frauen, die Wichmann erkannt haben wollen, erinnern sich an einen weißen Mercedes. Wichmann galt als Autonarr. In einem Auto, das ihm zugeordnet wird, findet sich eine Europakarte, unter anderem mit dem Bereich „Cuxhaven“.
Die junge Frau aus Düring kann sich nicht mehr genau erinnern, glaubt aber, nicht allein gewesen zu sein. Schräg nach hinten guckend, sieht sie das Auto. Der Mann, den die Frau auf Mitte 40 schätzt, hält ungefähr in unmittelbarer Nähe hinter ihr an, geht zum Kofferraum, holt eine Axt hervor und geht auf sie zu. Sie wundert sich: weit und breit kein Baum „In dem Moment kommt aus Richtung Loxstedt ein Trecker“, erzählt die Frau heute. Der Mann packt die Axt wieder in den Kofferraum - und gibt Gas. Wichmanns Vater soll übrigens mal seine Frau mit einer Axt attackiert haben.
Zeugin kennt auch Xenia Schneefuß aus Jugendzeiten
Die junge Sylvia N. spricht mit ihren Eltern, doch die glauben ihr nicht. Den Weg fährt sie nie wieder. Mit den Zeitungsartikeln über Wichmanns Verbindungen in die hiesige Gegend ist die Frau, die mittlerweile in Bremerhaven wohnt, schnell wieder bei dem Erlebnis im Jahr 1986 und bei Jutta Schneefuß. Erst Jahre später erfährt sie überhaupt etwas von deren Verschwinden, als sie mit Xenia Schneefuß im Spielmannszug ist. Sie fragt sich, ob Jutta Schneefuß vielleicht auf genau diesem Landwirtschaftsweg ums Leben gekommen ist und dort begraben liegt. Im Jahr 1986 ist ihr der Fall nicht präsent. Auch ihre Mutter, ihre Schwester und Freunde können sich heute kaum an das Verschwinden der 25-jährigen Frau erinnern.