TLüneburger Richter kassieren Surfpark-Pläne der Stadt Stade

So soll es nach Wünschen der Investoren einmal aussehen: Der Surfpark im Süden Stades hat eine Größenordnung von 60 Hektar. Foto: Surfgarten
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat den Bebauungsplan der Stadt Stade zum Surfpark für nichtig erklärt. Auch der Baustopp bleibt bestehen. Das sind die Gründe.
Stade. Die Verhandlung des 1. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) dauerte am Mittwoch den ganzen Vormittag lang bis in den Nachmittag hinein. Das Urteil wurde am Abend bekanntgegeben. Demnach ist der Bebauungsplan Nr. 500/3 „Gewerbe- und Surfpark Stade“ der Hansestadt Stade für unwirksam erklärt (Az.: 1 KN 34/23) worden. Aber das ist noch nicht alles.
Auch die Beschwerden gegen den vom Verwaltungsgericht Stade mit Beschluss vom 29. April angeordneten vorläufigen Baustopp für das Kernstück des Surfparks (Surfbecken mit Technikbereich) wurden zurückgewiesen.
OVG fasst zwei Verfahren zu einem zusammen
Den entsprechenden Antrag vor dem Stader Verwaltungsgericht gegen den Bau des Surfparks hatte der BUND gestellt. Gegen den Baustopp wendeten sich anschließend die Projektentwickler, die Brüder Podbielski aus dem Alten Land. Der BUND hatte auch das Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan der Stadt vorm OVG angestrengt. Beide den Surfpark betreffende Themen wurden am Mittwoch gebündelt in Lüneburg verhandelt.
Der Bebauungsplan sieht auf einer Fläche von knapp 17 Hektar die Entwicklung eines Sondergebiets „Surfpark und freizeitbezogenes Gewerbe“ sowie eines Gewerbegebiets vor. Das Plangebiet wird bislang landwirtschaftlich genutzt und grenzt westlich an den Kreisverkehrsplatz der Kreisstraße 30.
BUND führt die Verfahren gegen die Stadt Stade
Die Antragsteller, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Landesverband Niedersachsen, und ein benachbarter Landwirt, wenden sich mit diversen Einwänden gegen diesen Bebauungsplan. Sie halten die Planung, insbesondere im Hinblick auf den Wasser- und Energiebedarf des Surfparks sowie naturschutzrechtliche Belange, für fehlerhaft.

Die Gegner des Surfparks in Stade versammeln sich nach der Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg. Da war der Richterspruch noch nicht bekannt. Foto: Strüning
Der 1. Senat hat den Bebauungsplan am Mittwoch aus verschiedenen, allerdings anderen Gründen für unwirksam erklärt: Zunächst sei der Plan nicht an die Ziele der übergeordneten Raumordnung angepasst. Nach dem maßgeblichen Regionalen Raumordnungsprogramm (RROP) des Landkreises Stade von 2013 sei das Plangebiet Teil eines etwa 160 Hektar großen Vorranggebiets für industrielle Anlagen und Gewerbe. Es war einst für die mögliche Ansiedlung eines BMW-Werks im Süden der Stadt ausgewiesen worden.
Das Problem: Surfpark soll auf Industrie-Gelände entstehen
Für dieses Gebiet sehe das RROP eben die Ansiedlung vornehmlich großindustrieller Anlagen des Produzierenden Gewerbes vor, zum Beispiel chemische Industrie oder Maschinen- und Fahrzeugbau. Die von dem Bebauungsplan ermöglichten Nutzungen im Zuge eines Surfpark-Baus, zu denen auch Übernachtungsangebote gehörten, schränkten die Möglichkeiten der Ansiedelung solcher Großindustrie erheblich ein, so das Gericht.
Damit beeinträchtige der Bebauungsplan die Verwirklichung der Ziele des RROP. Darüber hinaus habe die Hansestadt die Auswirkungen der Planung auf das Landschaftsbild falsch eingeschätzt, indem sie von einem nicht erheblichen Eingriff ausgegangen sei.
Zwar könne dies auch der Fall sein, wenn - wie im Stader Süden - ein Landschaftsbild mittlerer Bedeutung vollständig umgestaltet werde. Erforderlich seien dafür aber „hinreichende Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen“, an denen es bei den Surfpark-Planungen fehle. Defizit des aktuellen Plans: Er verzichtet auf eine vollständige Eingrünung des Surfpark-Gebiets, was dem OVG aber geboten scheint.
Auch das noch: Stadt vergisst die Bordelle
Zudem habe die Hansestadt ausweislich ihrer Abwägung in der Begründung des Plans Bordelle und bordellartige Betriebe ausschließen wollen, mit dem Ziel, deren nachteilige Effekte zu verhindern. Dies habe sie aber mit den im Bebauungsplan getroffenen Regelungen nicht umgesetzt, sodass ein Abwägungsfehler vorliege. Offenbar liegt hier ein redaktioneller Fehler vor, ein Versäumnis, das die Stadt vor Gericht auch zugab.
Im Beschwerdeverfahren hat der Senat mit Beschluss vom Mittwoch den vom Verwaltungsgericht Stade angeordneten Baustopp aufrechterhalten. Aufgrund der Unwirksamkeit des zu Grunde liegenden Bebauungsplans sei der Surfpark im Außenbereich unzulässig, weil er umweltbezogene öffentliche Belange namentlich des Natur- und Landschaftsschutzes beeinträchtige.
OVG distanziert sich vom Verwaltungsgericht Stade
Soweit das Verwaltungsgericht den Baustopp demgegenüber auch mit der fehlerhaften Behandlung des Artenschutzrechts und der Belange des Klimaschutzes begründet hat, hat der Senat zwar erhebliche Zweifel an dieser Argumentation; aufgrund der anderweitigen Unwirksamkeit des Bebauungsplans hat er diese Fragen jedoch letztlich offengelassen.
Im Normenkontrollurteil wurde die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Dagegen kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils Beschwerde eingelegt werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Der Beschluss im Beschwerdeverfahren ist unanfechtbar. Die Entscheidungen werden zeitnah in der kostenfrei zugänglichen Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Justiz (https://voris.wolterskluwer-online.de, dort unter Inhaltsverzeichnis und Rechtsprechung) veröffentlicht.
Am Ende bleibt die Frage: Ist das das Aus für den Surfpark? Nein. Aber erst die Urteilsbegründung wird zeigen, in welchem Umfang nachgebessert werden muss - und ob das dann überhaupt realistisch machbar ist.