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TMinisterpräsident Weil über die VW-Krise: „Bereiche bei VW besser abstimmen“

Der niedersächsische Ministerpräsident und VW-Aufsichtsratsmitglied Stephan Weil (SPD) erklärt im Interview, wie das Unternehmen wieder Fahrt aufnehmen könnte.

Der niedersächsische Ministerpräsident und VW-Aufsichtsratsmitglied Stephan Weil (SPD) erklärt im Interview, wie das Unternehmen wieder Fahrt aufnehmen könnte. Foto: dpa

Stephan Weil ist nicht nur Niedersachsens Ministerpräsident, sondern als solcher auch Mitglied im VW-Aufsichtsrat. In dieser Funktion hat er den Konzern aufgefordert, Standortschließungen zu vermeiden. Wie aber soll der Konzern aus der Krise kommen?

Von Lars Laue und Maik Nolte Freitag, 06.09.2024, 09:45 Uhr

Herr Ministerpräsident, wie schätzen Sie sich als Autofahrer ein – eher besonnen oder auf der Überholspur?

Zügig und vorsichtig gleichzeitig. Jedenfalls habe ich in den vergangenen mehr als 40 Jahren noch keinen Unfall gebaut.

Sind Sie privat mittlerweile auf ein E-Auto umgestiegen?

Nein, wir fahren noch unseren alten Golf. Wir haben noch nicht wirklich das Elektroauto gefunden, auf das meine Frau und ich uns verständigen konnten. Aber das nächste Auto ist ein Elektroauto.

Von VW?

Ja, natürlich.

Geringe Reichweite, hoher Preis: In Deutschland sind die Vorbehalte gegenüber Elektroautos hoch. Können Sie die Skepsis nachvollziehen?

Was die Reichweite angeht, ist Volkswagen inzwischen wesentlich weitergekommen. Da gibt es große Fortschritte, die Entwicklung ist rasant. Der für viele Menschen immer noch hohe Preis ist in der Tat ein anderes Thema. Aber auch das wird sich in absehbarer Zeit ändern. Jedenfalls weiß man ja von Volkswagen, dass dort an E-Autos für 25.000 oder auch 20.000 Euro gearbeitet wird.

Während VW noch daran arbeitet, rollen Fahrzeuge chinesischer Hersteller aus diesem Preissegment längst über unsere Straßen.

Was die chinesischen Wettbewerber angeht, gibt es bekanntlich den wahrscheinlich begründeten Verdacht, dass dort finanziell erheblich nachgeholfen wird seitens des Staates. Das ist ja auch der Ausgangspunkt der Diskussionen über Strafzölle, die ich allerdings dennoch skeptisch sehe. Insofern ist der Vergleich mit China schief. Richtig ist aber, dass man in der gesamten Branche erst einmal auch eine Menge lernen musste. Und jetzt sind wir in der Phase, in der auf guten ersten Erfahrungen aufgebaut werden kann. Ich bin zuversichtlich, dass die deutschen Hersteller in nicht allzu ferner Zukunft sehr preisgünstige Fahrzeuge anbieten können.

Es wirkt, als sei VW ein deutscher Tanker, der im Wettbewerb chinesischen Schnellbooten gegenübersteht.

Das Bild gefällt mir nicht.

Warum nicht?

Auch Volkswagen wird wesentlich schneller werden, obwohl es ein großes Unternehmen ist und bleibt. Konkurrenz belebt eben das Geschäft. Wir sehen zum Beispiel sehr kurze Innovationszyklen bei den chinesischen Fahrzeugen. Daran darf sich die europäische Automobilindustrie gerne ein Beispiel nehmen.

Braucht es eine Rückkehr zu staatlichen Kaufanreizen, um den Absatz von E-Autos in Schwung zu bringen?

Aus meiner Sicht wäre das sehr hilfreich. Wir müssen dabei vor allen Dingen an die privaten Verbraucherinnen und Verbraucher mit kleinerem Geldbeutel denken. Ich habe den abrupten Stopp der Verkaufsförderung durch die Bundesregierung immer für falsch gehalten. Wir sehen übrigens, dass in den europäischen Ländern, in denen die Förderung konsequent durchgehalten worden ist, der Absatz der Elektroautos nach wie vor zunimmt. Länder, in denen das – wie in Deutschland – nicht geschehen ist, verzeichnen leider eine andere Entwicklung.

Wie könnte sich so eine Förderung darstellen?

Wir arbeiten gerade an der Frage, wie ein solches System aussehen könnte.

Ist es denkbar, dass derjenige, der sich ein deutsches Fabrikat kauft, eine höhere Prämie erhält, als jemand, der sich ein chinesisches Elektroauto zulegt?

Das ist eine der Aufgaben, vor der wir stehen. Es kann ja nicht sein, auf der einen Seite die staatliche Unterstützung für chinesische Fahrzeuge zu kritisieren und auf der anderen Seite die chinesischen Fahrzeuge hier in Deutschland zusätzlich durch staatliche Kaufanreize zu fördern. Das würde sicherlich in China eine gewisse Heiterkeit auslösen. Das muss nicht sein.

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Was die Zukunft angeht, ist die bei VW gerade alles andere als rosig. Sie sind gegen Werksschließungen und Massenentlassungen. Experten sagen indes, um ein Sparprogramm kommt der Konzern nicht herum. Das Land Niedersachsen hat ja ein Wörtchen mitzureden – wie könnte der Weg aus der Krise aussehen?

Ich werde jetzt nicht die internen Diskussionen vorwegnehmen, die innerhalb der Gremien mit Sicherheit folgen müssen. Allerdings kann niemand bestreiten, dass Volkswagen wettbewerbsfähig sein muss. Aber es führen eben viele Wege hin zu größeren Gewinnen, die dann in die Zukunft investiert werden können. Wir haben es mit einem riesengroßen Konzern zu tun, und in diesem Konzern gibt es nach wie vor eine eindrucksvolle Vielfalt von unterschiedlichen Lösungsansätzen. Volkswagen selbst betont ja immer mal wieder: Wir müssen die verschiedenen Bereiche besser aufeinander abstimmen, weniger kompliziert sein, dann wird es auch billiger. Das ist sicherlich noch nicht in allen Teilen realisiert und Teil eines Lösungswegs, den ich mir vorstellen kann.

Sie sprachen über die Konkurrenzfähigkeit von Volkswagen. Es gibt Experten, die sagen, dass gerade die besondere Struktur des Konzerns, also das VW-Gesetz, zugleich seine Konkurrenzfähigkeit ausbremst, weil es ihn zu schwerfällig und unflexibel macht. Das sehen Sie vermutlich anders?

In diesem Jahr engagiert sich das Land Niedersachsen 75 Jahre bei Volkswagen. Zunächst als Treuhänder, später nach der Privatisierung als Miteigentümer und Aktionär. Und in diesen 75 Jahren ist Volkswagen von einem eher unbedeutenden Pkw-Hersteller irgendwo in Norddeutschland zu einem Weltkonzern avanciert. Das spricht gegen die These, dass das Land Niedersachsen für das Wohlergehen von Volkswagen ein Risiko sein könnte. Aus der bisherigen Unternehmensgeschichte kann man umgekehrt sagen: Es ist wichtig und es ist gut, dass da auch ein Anteilseigner dabei ist, der ganz bewusst keine kurzfristigen Renditeerwägungen nach vorne stellt, sondern dem es um die langfristige Entwicklung und den langfristigen Erfolg des Unternehmens geht.

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