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TNach E-Auto-Brand: Wie hoch ist das Risiko?

Brand Dorfstromer Oldendorf

Brand Dorfstromer Oldendorf Foto: Frank Ewald/Feuerwehr Oldendorf

Nach dem Brand eines E-Autos in Brest wird im Internet viel diskutiert. Die Vorbehalte gegen Elektrowagen und ihre Gefahren sind groß. Einige Argumente und Behauptungen stimmen aber nicht.

Von Redaktion Dienstag, 30.04.2024, 17:00 Uhr

Der Brand eines E-Autos in Oldendorf am Sonnabendabend hinterlässt viele Fragen - und Sorgen. Im Internet wird viel über die Gefahren von Elektroautos diskutiert. Können diese nicht gelöscht werden? Ist die Gefahr eines Akku-Brandes höher als bei einem Verbrenner? Das sagen Experten von ADAC und Feuerwehr dazu:

Behauptung: Das Brandrisiko bei E-Autos ist höher?

Bewertung: Die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren und des Deutschen Feuerwehrverbandes halten in ihren Empfehlungen zur „Risikoeinschätzung Lithium-Ionen-Speichermedien“ fest, dass sich Elektroautos hinsichtlich der Gefährdungsbeurteilung nicht von Verbrennerfahrzeugen unterscheiden.

Eine Selbstentzündung eines E-Autos ohne externe Einwirkung währender der Fahrt, im Stand oder beim Laden aufgrund eines technischen Defektes ist extrem selten.

Experimente der Feuerwehren haben gezeigt, dass die Brandintensität nicht von der Antriebsart abhängt, sondern mit den verbauten Materialien (vor allem Kunststoffe) zusammenhängt. Der größere Anteil dieser Materialien in modernen Fahrzeugen ist der ausschlaggebende Faktor für eine erhöhte Rauch- und Wärmefreisetzung im Vergleich zu früher. Ladeeinrichtungen können, sofern sie zertifiziert und fachmännisch installiert wurden, bedenkenlos auch in Tiefgaragen betrieben werden.

Behauptung: Brennende E-Autos lassen sich nicht löschen?

Bewertung: Was passiert, wenn ein E-Auto in Brand gerät, erläutert unter anderem der ADAC. Ein brennendes E-Auto kann gelöscht werden, auch wenn der Akku in Brand gerät. Man braucht aber viel Wasser und es kann eine Weile dauern.

„E-Autos sind dann schwieriger zu löschen, wenn der E-Auto-Akku brennt“, erklärte ADAC-Unternehmenssprecherin Melanie Mikulla auf dpa-Anfrage. Bei Lithium-Ionen-Akkus empfiehlt sich dem Automobilclub zufolge Wasser als Löschmittel, während die Feuerwehr bei Verbrennern zu Löschschaum greift, um dem Feuer den Sauerstoff zu entziehen und es zu ersticken.

Bei einem E-Auto-Brand reicht es nicht, nur die sichtbaren Flammen zu löschen. Im Lithium-Akku kann Feuer von Teilzelle zu Teilzelle überspringen. „Wenn auch der Akku Feuer fängt, ist dieser nur durch Kühlen unter 60 Grad Celsius zu löschen“, erklärt Silvia Oestreicher vom Deutschen Feuerwehrverband (DFV) auf Anfrage. Dadurch dauern die Löscharbeiten oftmals länger als bei einem Verbrenner-Fahrzeug und brauchen vergleichsweise viel Wasser.

Das Szenario eines E-Auto-Brandes ist auch noch ungewohnt – und wirkt deshalb spektakulärer.

Löschdauer und der Löschmittelbedarf seien erhöht, weil Wasser erst in ausreichender Menge das Innere der Lithium-Ionen-Akkus erreichen müsse. Im Verlauf des Brandes sei aber davon auszugehen, dass in das Batteriegehäuse aufgrund der hohen Temperaturen Löcher gebrannt würden. Diese und vorhandene Druckentlastungs-Öffnungen ermöglichten teils das Eindringen von Löschmittel in das Innere des Akkus.

In der Handreichung wird auch darauf hingewiesen, dass es nicht bei jedem Fahrzeugbrand zwingend zu einem Brand der Akkus komme. Diese müssten „erst über einen längeren Zeitraum von außen erhitzt oder stark mechanisch beschädigt werden“, um eine interne Reaktion zu starten. Andere Batterie-Technologien wie Nickel-Metallhydrid, die in vielen Hybridfahrzeugen eingebaut seien, seien „weniger reaktionsfreudig und auch weniger dynamisch im Brandverhalten“.

Nach dem Löschen müssen die E-Autos den Hinweisen zufolge „im Freien und isoliert von anderen Fahrzeugen“ abgestellt werden, für den Fall, dass die Batterie sich erneut entzündet.

Behauptung: E-Akku-Brände sind bei Unfall wahrscheinlicher?

Bewertung: Das Risiko eines Brandes ist auch in diesem Fall vergleichsweise gering, da aktuelle Elektroautos bei einem Unfall genauso sicher sind wie herkömmliche Autos. Denn das Hochvoltsystem wird durch die Crashsensorik bei einem Unfall sofort abgeschaltet.

Weil das Thema Sicherheit von Elektrofahrzeugen in der Öffentlichkeit immer wieder und sehr unterschiedlich diskutiert wird, hat der ADAC frühzeitig entsprechende Tests durchgeführt. Ein Crashtest-Vergleich vom elektrisch angetriebenen VW e-up! mit dem normalen VW up! hat zum Beispiel gezeigt, dass beide Fahrzeuge volle 5 Sterne erreichen.

Die für den Crash relevanten Strukturen sind bei beiden Fahrzeugen identisch. Der Batteriepack wurde darüber hinaus mit einem Rahmen verstärkt und unterhalb des Fahrzeuges verbaut. Das wirkt versteifend, bringt aber auch zusätzlich Gewicht von knapp 250 Kilo.

Ein Vergleich nach dem Frontalzusammenstoß mit 64 km/h bei 40 Prozent Überdeckung (beide Fronten etwa zur Hälfte versetzt) zeigt deutlich, dass der VW up! mit dem zusätzlichen Gewicht durch die Batterien keine Einbußen in der Sicherheit mit sich bringt. Die Fahrzeugstruktur weist keine höheren Deformationswerte auf und auch die Belastungswerte für die Insassen sind identisch mit denen der benzinbetriebenen up!-Variante. Die Sicherheit des Hochvolt-Systems und der Fahrzeugbatterien war jederzeit gewährleistet.

Die Deformation des Unterbodens endete weit vor dem Batteriepack, und auch die elektrische Abschaltung des Hochvolt-Systems reagierte binnen Millisekunden auf den Unfall und trennte über ein Relais die Verbindungsleitung zwischen Batteriepack und Hochvolt-Leitungen zum Elektroantrieb. Die Batterie entzündete sich nicht, es bestand keine Brandgefahr. Bei neueren Elektroautos ist davon auszugehen, dass die Sicherheitskonstruktionen besser sind als bei Fahrzeugen, die – wie der VW up! – nachträglich zum Elektroauto umgebaut worden sind.

Behauptung: E-Autos umgibt eine krebserregende Strahlung

Bewertung: Elektromagnetische Felder können auf ihre Umwelt einwirken und bei Menschen zu Schwindel und Übelkeit führen, Nerven und Muskeln reizen oder Gewebe erwärmen. So kursiert im Netz nun ein Video, das sich mit den vermeintlichen Folgen von Elektrofahrzeugen für den Menschen befasst. Ein Mann behauptet darin, dass von Elektroautos eine krebserregende Strahlung ausgehe. In diesem Zusammenhang spricht er später von einer „regelrechten Strahlenerkrankung“ und von Schädigungen am Erbgut. Geht von Elektroautos wirklich eine krebsauslösende Strahlung aus?

Nach derzeitigem Forschungsstand gibt es keine Hinweise auf eine krebserregende Wirkung von elektromagnetischen Feldern in Elektroautos. Das bestätigten das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sowie eine Expertin vom Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit (femu) der Uniklinik RWTH Aachen. Zum Thema hat das BfS eine Übersichtsseite veröffentlicht. „Wie überall, wo Elektrizität genutzt wird, treten bei der Elektromobilität elektrische und magnetische Felder auf“, erklärt die Behörde. Wichtig ist: Elektromagnetische Felder gehören zur nichtionisierenden Strahlung.

Anders als bei ionisierender Strahlung, zu der etwa Röntgen- und Gammastrahlung zählt, reicht bei elektromagnetischen Feldern die transportierte Energie grundsätzlich nicht aus, „um das Erbmaterial direkt zu schädigen und damit unmittelbar an der Entstehung von Krebs beteiligt zu sein“, schreibt das BfS. Auch der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg sowie die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) kommen zu gleichlautenden Einschätzungen.

Welche Felder treten bei Elektrofahrzeugen auf?

Die Bezeichnung EMF ist ein Oberbegriff. Anhand von Frequenz oder Wellenlänge wird zwischen statischen, niederfrequenten elektrischen und magnetischen sowie hochfrequenten elektromagnetischen Feldern unterschieden. Welche Felder kommen beim Elektroauto also vor?

Das ist unterschiedlich. In Fahrzeugen gibt es verschiedene Quellen für elektromagnetische Felder. So gehören heute zahlreiche Assistenz- und Funksysteme, deren Frequenzen unter anderem im Hochfrequenzbereich liegen können, sowie Klimaanlagen und Sitzheizungen zur serienmäßigen Ausstattung - egal ob Verbrenner oder Elektroauto. Wenn von EMF in Elektrofahrzeugen gesprochen wird, dann geht es aber vor allem um jene Felder, die vom Antrieb (Elektromotor) und der zusammenhängenden Technik (Batterie, Verkabelung etc.) sowie vom Laden ausgehen.

Laut dem Bundesamt für Strahlenschutz liegen die bei der Elektromobilität entstehenden Felder bei Frequenzen zwischen null Hertz bis zu mehreren zehn oder hundert Kilohertz. Es treten also vor allem Felder im Niederfrequenz- sowie im Zwischenfrequenzbereich auf. Besonders die Magnetfelder seien demnach relevant.

In Untersuchungen hat sich bereits 2009 gezeigt, dass vom Antrieb ausgehende Magnetfelder in Elektro- und Hybridfahrzeugen lokal sehr begrenzt auftreten. Die höchsten Werte seien häufig im Fußraum vor den Vordersitzen gemessen worden. An anderen Stellen, zum Beispiel im Kopf- oder Rumpfbereich, waren sie deutlich niedriger. Laut dem BfS hängen die Magnetfelder vom technischen Design des Fahrzeugs und dem Betriebszustand (Bremsen/Beschleunigen) ab - nicht von der elektrischen Leistung der Elektromotoren. An einer neuen Studie zu aktuellen Fahrzeugen werde laut einer Sprecherin derzeit gearbeitet.

Keine Hinweise auf krebserregende Wirkungen von EMF in Elektroautos

Am Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit (femu) der Uniklinik RWTH Aachen befassen sich Wissenschaftler mit den Wirkungen von elektromagnetischen Feldern auf den Menschen. „Uns liegen keine Hinweise vor, dass Magnetfelder von Elektrofahrzeugen krebserregend sind“, erklärte Sarah Drießen auf dpa-Anfrage. Die Wirkungen von Magnetfeldern von E-Fahrzeugen seien bisher noch nicht so erforscht wie die Magnetfelder von anderen Techniken (wie zum Beispiel der Stromversorgung). Besonders zu den Langzeitwirkungen von Magnetfeldern im Zwischenfrequenzbereich ist die Datenlage begrenzt, sagte die femu-Expertin.

Auch das BfS weist auf die begrenzte Datenlage bezüglich zwischenfrequenter Felder hin. Das hatte ein vom BfS beauftragter und 2018 veröffentlichter Bericht ergeben, an dem auch das femu beteiligt war. Nach derzeitigem Kenntnisstand gehen von den zwischenfrequenten Feldern aber keine gesundheitlichen Wirkungen aus, schreibt die Behörde.

Bezüglich EMF im Niederfrequenzbereich hatte die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2002 vorsorglich eine Einstufung in der Klasse 2B als „möglicherweise krebserregend“ vorgenommen. Hintergrund dafür waren epidemiologische Beobachtungen, die einen möglichen statistischen Zusammenhang des Auftretens von Leukämie bei Kindern und einer vorherigen langzeitigen Magnetfeldexposition nahelegen. Diese Wirkungen sind allerdings bisher nicht gesichert und werden wissenschaftlich weiter diskutiert, wie Sarah Drießen einordnete.

Auch das BfS weist in diesem Zusammenhang auf die geschwächte Aussagekraft der epidemiologischen Studien hin. Weitere experimentelle Untersuchungen hätten „ein krebsauslösendes oder krebsförderndes Potenzial von Magnetfeldern bis heute nicht bestätigen“ können. Bei Erwachsenen ergaben sich keine Hinweise auf ein möglicherweise erhöhtes Krebsrisiko. (dpa/tip)

Hinweis der Redaktion: Der Artikel ist erstmal im November 2023 erschienen.

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