TNach Stader LNG-Debakel: Die Suche nach dem richtigen Kurs

Das Stader LNG-Schiff „Energos Force“ und das Schwesterschiff „Energos Power“ (Foto) liegen derzeit vor Skagen in Dänemark (Symbolbild). Foto: Stefan Sauer/dpa
Nach dem Schock über das drohende Aus des LNG-Terminals machen sich Freunde und Gegner des Projekts an die Analyse - und überlegen, wie es jetzt weitergeht.
Stade. In einem sind sich LNG-Freunde und LNG-Gegner einig: In das schwimmende Flüssiggas-Terminal in Stade ist bisher sehr viel Steuergeld geflossen, ohne das Projektziel zu erreichen. 300 Millionen Euro hat der neue Anleger gekostet. Die Charter für das LNG-Terminalschiff, die Energos Force, liegt bei etwa 200.000 Euro pro Tag - allein das wären für ein Jahr schon 73 Millionen Euro. Die Kosten für die regelmäßig nötige Ausbaggerung der Liegewanne in Bützfleth auf 16,5 Meter Tiefe sind noch unbekannt.
Hinzu kommen die Kosten für die sogenannte Suprastruktur, also den Anschluss des Terminalschiffs an das Gasnetz. Die fallen dem Steuerzahler nur deshalb noch nicht zur Last, weil die staatliche Betreibergesellschaft Deutsche Energy Terminal (DET) sich bisher weigert, das privatwirtschaftliche Konsortium HEH dafür zu bezahlen, das damit beauftragt wurde.
Es geht ums Geld - aber nicht nur
Während geklärt wird, wer die vertraglich vereinbarten Aufgaben erfüllt hat oder auch nicht, bleibt HEH auf den Kosten sitzen. Die Privatfirma ist nämlich in Vorleistung gegangen. Es dürfte um einen zweistelligen Millionenbetrag gehen.
Jenseits technischer und vertraglicher Auseinandersetzungen ist die Harmonie zwischen DET und HEH auch aus anderen Gründen gestört: Es ist bereits eine Klage anhängig. HEH baut zurzeit bekanntlich in Stade auch ein großes LNG-Terminal an Land. Weil der Staat auf der gegenüberliegenden Elbseite ein ähnliches Projekt, an dem er selbst zu 50 Prozent beteiligt ist, mit hohen Millionenbeträgen subventioniert, hat HEH im August vor dem EU-Gericht in Luxemburg gegen die Genehmigung durch die EU-Kommission geklagt. Denn durch die Subventionen entstehe dem Konkurrenten ein unfairer Marktvorteil.
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Apropos Markt: Der könnte eine Rolle spielen, wenn die DET beim Tempo der Inbetriebnahme des Stader Terminalschiffs nicht auf die Tube gedrückt hat. Schließlich hatte sie Ende 2024 - mitten im Winter - schon angekündigt, ihr schwimmendes Terminal in Wilhelmshaven von Januar bis April 2025 stilllegen zu wollen. Der Grund: keine Nachfrage nach Gaskapazitäten. Ende Dezember gelang es dann doch noch, Kapazitäten zu vermarkten. Das Terminal lief weiter.
Staatsfirma liegt auch mit anderen im Streit
Eine „rechtswidrige Wettbewerbsverzerrung“ bemängelte dann allerdings die Deutsche ReGas, die als einzige Privatfirma in Deutschland ein LNG-Terminal in Mukran auf Rügen betreibt: Sie wirft dem Bundeswirtschaftsministerium eine „ruinöse Preispolitik“ vor. Die DET habe ihre Einspeisekapazitäten weit unter den von der Bundesnetzagentur festgelegten Entgelten angeboten. Die DET sagte zwar, sie habe vorschriftmäßig gehandelt, führte aber auch an, dass die Auktion dazu diente, die Betriebsbereitschaft der Terminals zu erhalten. Die ReGas kündigte daraufhin ihren Chartervertrag für ein LNG-Schiff, die Energos Power, beim Bundeswirtschaftsministerium und halbierte damit ihre Kapazitäten.
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Nun muss der Steuerzahler für zwei Terminalschiffe bezahlen, die untätig in Skagen vor Anker liegen: die Energos Force aus Stade und die Energos Power aus Mukran. Die US-amerikanische Reederei Energos Infrastructure freut sich trotzdem über die Einnahmen.
Die Stimmen, die eine schnelle Inbetriebnahme des Stader LNG-Terminalschiffs fordern, werden lauter. Vor allem Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) macht zurzeit heftig Druck.
Vor dem Hintergrund, dass die Leiterin des Gewerbeaufsichtsamts Cuxhaven die DET in der Pflicht sieht, die für eine Inbetriebnahme notwendigen Details zu regeln, steht die staatliche DET aktuell nicht gut da. Der Stader Bundestagsabgeordnete Oliver Grundmann (CDU) sagt: „Ich erwarte, dass die DET nach allem zurückrudert und jetzt endlich ihre Hausaufgaben als Betreiberin wahrnimmt. Bei den klaren Behördenaussagen und der Sachlage gehe ich davon aus, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz diese Einschätzung auch so teilt.“
Klimabündnis will LNG-Infrastruktur ganz neu bewerten
Das regionale Klimabündnis gegen LNG fragt, warum die Experten der Bundesregierung und des Gewerbeaufsichtsamts zu unterschiedlichen Schlüssen zu Bauausführung und Dokumentationslage kommen: „Gab es Fehler in der Beurteilung?“ Vor wenigen Monaten sei die DET noch mit dem Infocontainer durch das Land gefahren und habe die Projekte verteidigen müssen, nun zweifele man an ihrer Glaubwürdigkeit. Auch die HEH kommt bei den Klimaschützern nicht gut weg: Heiner Baumgarten vom BUND fordert angesichts des Scheiterns der FSRU-Lösung, erneut zu prüfen, ob es zu einem landseitigen LNG-Terminal unter der Regie von HEH kommen darf. „Die Planungen sollten in Richtung einer ausschließlichen Wasserstoff-Lösung (und deren Derivate) neu beantragt werden, auch, um dem extrem klimaschädlichen Gewinnen von LNG in den USA entgegenzuwirken“, sagt Baumgarten.
Es habe nie eine Notwendigkeit für einen derartig überdimensionierten Ausbau von fossilen Gaskapazitäten gegeben, sagt der Stader Martin Lüdders vom Klimabündnis: „Daher braucht es eine umfassende Neubewertung der LNG-Infrastruktur und eine Pausierung der Bauarbeiten für die landseitigen Terminals bis Ende des Prüfverfahrens.“ Weil LNG teurer sei als Pipelinegas und zu großen Teilen Fracking-Gas aus den USA bezogen wird, fordert Lüdders angesichts der Kritik an der aktuellen US-Regierung, der hohen Kosten und der Klimakrise eine Senkung des Gasverbrauchs statt neuer fossiler Infrastruktur.

Der Stader Seehafen von oben. Foto: Martin Elsen
Der BUND schickt sich derweil an, gegen das landseitige LNG-Terminal in Stade vor Gericht zu ziehen: Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig verhandelt am 27. März die Klage, die sich gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb richtet.