TNächste Eltern auf Barrikaden: Klage über Schimmel und Raumnot

Blick auf die Nottreppe der Grundschule Horneburg. Im Brandfall sollen die Kinder über diesen Fluchtweg die Klassenräume und die Mensa im Keller verlassen können. Foto: Vasel
Im Dezember hatte Schulleiterin Sabine Folster einen Notruf abgesetzt, jetzt klagen Eltern der Grundschule Horneburg über massive Missstände. Sie fürchten um die Gesundheit ihrer Kinder. Ihr Online-Aufruf geht viral.
Horneburg. Schimmel, Wasserschäden, Risse und Baugerüste als zweite Rettungswege: Die Mängelliste der 1959 eingeweihten, mehrfach erweiterten Schule am Leineweberstieg in Horneburg sei lang. Niemand würde freiwillig täglich „in solch einem Gebäude arbeiten“, schreibt die Elternvertretung in einem Brandbrief, der dem TAGEBLATT vorliegt. „Unsere Kinder haben allerdings keine Wahl. Sie müssen jeden Tag unter diesen desolaten Bedingungen lernen.“

Auszug aus dem Brandbrief der Eltern. Über diese Fensterbank müssen Kinder im Brandfall klettern, um über das Gerüst flüchten zu können. Foto: Vasel
Damit müsse Schluss sein. Es sei höchste Zeit für die Sanierung und den Um- und Neubau der Grundschule. Die Eltern haben eine Online-Petition bei change.org gestartet, am Freitag hatten den Aufruf mehr als 1400 Menschen unterschrieben.
Doch es geht den Eltern um mehr. Sie wollen, dass moderne Pädagogik auch baulich umgesetzt wird - unter anderem mit Räumen für Differenzierung (Fördern und Fordern) und Lernlandschaften für gemeinsames Lernen. Hinzu komme, dass bei Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung ab 2026 der Platz im Bestandsgebäude knapp werde - wie in der heute schon zu kleinen Mensa.
200 von 340 Kindern nehmen bereits den Ganztag in Anspruch, die Not-Mensa im Keller hat nur Platz für 50 Kinder. Eltern müssen für die Inanspruchnahme eine Arbeitszeitbescheinigung vorlegen. Bildungsgerechtigkeit gebe es so nicht, so die Eltern. Des Weiteren sei die Turnhalle zu klein, der Sportunterricht musste reduziert werden. Außensport-Möglichkeiten fehlten. Hinzu komme: Die Schülerzahl wachse durch Neubaugebiete, die Fünfzügigkeit komme.
Elternvertreterin Maike Bundt hatte bereits im Dezember 2023 im TAGEBLATT von „desolaten Zuständen“ gesprochen und den Neu- und Umbau gefordert. Sie und die Eltern wollen am Dienstag, 27. Februar, ab 18 Uhr Druck im Schulausschuss machen. Der Beschluss des Samtgemeinderates, den Neu- und Umbau wegen ausbleibender Landesförderung auf Eis zu legen, sei eine „Katastrophe“.
Schulleiterin unterstützt den Elternprotest
Diese Auffassung vertritt auch Schulleiterin Sabine Folster. Kinder hätten ein Recht auf zeitgemäße Pädagogik, doch ohne passenden Raum sei diese nicht umsetzbar. Sie sorge sich auch um Sicherheit und Gesundheit ihrer Schüler und Kollegen. Folster verweist auf die Baugerüste, die als zweiter Rettungsweg dienen sollen.
In einem dreiseitigen Brief an die Mitglieder des Schulausschusses fordert die Schulleiterin, den Um- und Neubau für die Einrichtung einer Ganztagsschule zügig in Angriff zu nehmen. Durch die „untragbaren Verzögerungen“ drohe eine „nachlassende Qualität in der Bildung und der Betreuung“, Lehrkräfte könnten an attraktivere Schulen abwandern. Der heutige Bau sei nicht ganztagstauglich. Und: Trotz Glasfaserkabel seien Klassenräume bislang nicht verkabelt, digitaler Unterricht nicht zuverlässig möglich.
Die Umsetzung des Ganztagsanspruchs - verbunden mit zeitgemäßer Pädagogik - bedeute nicht nur, dass Differenzierungsräume und eine größere Mensa realisiert werden müssten. Es müssten auch Räume zum Entdecken und Experimentieren, aber auch Rückzugsorte und Orte zum Spielen und Basteln am Nachmittag geschaffen werden. Die Baugerüste dürften nicht zur Dauerlösung werden, sie seien 2021 lediglich als „kurzfristige Zwischenlösung“ gedacht gewesen. Bei der Flucht über Fensterbänke könnten Kinder gefährdet werden.
Kreis-Gesundheitsamt prüft Schimmel-Belastung
Sorgen bereitet Folster der Schimmel in der Mensa im Keller. Auf eine Lüftungsanlage war mit Blick auf den Neu- und Umbau verzichtet worden, um Steuergelder zu sparen. Die Gesundheit sei möglicherweise gefährdet. Sie hat den Gemeinde-Unfallversicherungsverband eingeschaltet, ein Vor-Ort-Termin ist geplant. Eingelagertes Mobiliar musste bereits entsorgt werden. Folster sieht aktuell wenig Chancen, dass zeitnah gebaut wird. Deshalb schlägt sie die Einsetzung einer Arbeitsgruppe aus Lehrern, Eltern, Verwaltung und Politik vor, um im ersten Schritt „Not- und Sofortmaßnahmen zu entwickeln“ und parallel die Neubau-Planung voranzutreiben. Sie biete der Politik vor der Sitzung einen Rundgang durch die Schule an.
In Sachen Schimmelverdacht ist das Gesundheitsamt aktiv geworden, die Bewertung soll nächste Woche vorliegen. Die Bauaufsicht beim Landkreis Stade hat sich nach dem TAGEBLATT-Bericht im Dezember eingeschaltet.

Gerüst als Brandschutz-Provisorium: Blick auf eine weitere Fluchttreppe der Grundschule am Leineweberstieg in Horneburg. Foto: Vasel
In dieser Woche gab es ein Abstimmungsgespräch mit dem Bauamt der Samtgemeinde Horneburg. „Das hat uns zugesichert, dass noch in diesem Jahr ein Antrag für eine brandschutztechnische Sanierung des Altbaus eingereicht wird“, so Kreissprecher Daniel Beneke. Baugerüst-Treppen seien kurzfristige Provisorien und Fenster „keine regulären Notausgänge“. Horneburg müsse handeln.
Auch Samtgemeindebürgermeister Knut Willenbockel sieht den Bedarf für den Neu- und Umbau. Das Dilemma: Ohne den 30-Prozent-Zuschuss des Landes könne sich Horneburg den Bau aktuell nicht leisten. 15 Millionen Euro seien mit Sperrvermerk eingeplant. Die Verwaltung werde die weitere Planung bis zur Baugenehmigungsreife fortführen - in der Hoffnung, dass das Land Niedersachsen sich wieder wie früher beteiligt. Nur dann könne gebaut werden.
Bislang habe Hannover nur 640.000 Euro für den Ganztagsanspruch ab 2026 zugesagt - für beide Schulen. Doch allein die neue Grundschule in Bliedersdorf/Nottensdorf wird 20 Millionen Euro kosten, dafür hätten die Mitgliedsgemeinden ab 2024 die Grund- und Gewerbesteuern erhöhen und zusätzlich ein Notopfer in Höhe von einer Million Euro im Jahr bringen müssen. Weitere Kredite seien nicht drin. Bei der Brandschutzsanierung im Bestand will er Eltern und Lehrer mit an den Tisch holen.